Herne. Herne hat über 100 Asylbewerber aus 19 Ländern aufgenommen. Sozialdezernent Johannes Chudziak fühlt sich von der Bezirksregierung im Stich gelassen.

„I like my City“ („Ich mag meine Stadt“) stand auf dem Kapuzenshirt der Flüchtlingsfrau, die am Dienstagnachmittag mit ihrem Mann und den zwei Kindern von der Registrierung in der Sporthalle Wanne-Süd in ihr Zelt auf dem benachbarten Ascheplatz zurückkehrte. So sehr sie ihre Stadt auch mag, leben wollte sie dort offenbar nicht mehr: Sie gehört zu den 95 Flüchtlingen, die Montag von jetzt auf gleich nach Herne transportiert wurden.

Die gute Nachricht: Alles hat reibungslos funktioniert, bilanzierte Stadtsprecher Christoph Hüsken am Dienstag vor Ort. Nachdem die Stadt am Montag um 13 Uhr aus Arnsberg die Anweisung erhielt, bis 21 Uhr rund 100 Flüchtlinge aufnehmen zu müssen, errichteten 150 meist Ehrenamtliche von Hilfsorganisationen auf dem Ascheplatz im Sportpark Eickel in aller Eile eine Zeltstadt. Als um kurz vor 22 Uhr der erste Bus mit Flüchtlingen eintraf, war alles fertig. Um Mitternacht folgte der zweite Bus. „Es war für alle eine kurze Nacht“, sagt Hüsken.

Am Dienstag wurden die Asylbewerber erstmals in Deutschland von der Stadt registriert und untersucht. Nun erfuhr die Verwaltung auch, wen das Land geschickt hatte: 77 Männer und 18 Frauen zwischen sieben Monaten und 43 Jahren. Darunter: 49 aus Albanien, 13 aus Syrien, fünf aus dem Irak und Marokko. Bis zum Abend sollten dann weitere neun Flüchtlinge folgen.

Wer die Prozedur hinter sich hatte, kehrte zurück auf den Ascheplatz. In Gruppen standen die Flüchtlinge dort zusammen, vor den Zelten spielten Kinder Fußball, und in den nahen Sanitäranlagen des Stadions wurde Wäsche gewaschen; T-Shirts und Hosen hingen zum Trocknen über Zäunen.

Sozialdezernent angefressen

Sozialdezernent Johannes Chudziak war derweil noch sichtlich angefressen vom Verhalten der Bezirksregierung. Arnsberg hatte der Stadt zuletzt versichert, dass Herne in diesem Jahr nicht noch einmal eine provisorische Erstaufnahme-Einrichtung für Asylbewerber einrichten muss. „Das Chaos im Land wird auf uns abgewälzt“, schimpfte der Beigeordnete gegenüber der WAZ. Um anzufügen: „Die Flüchtlingswelle überschwemmt uns alle, man kann das nicht anders sagen.“

Wie lange die Menschen in Herne bleiben? Chudziak zuckt mit den Schultern. Mindestens vier Wochen – so lautet die Ansage aus Arnsberg. Sobald die Dreifach-Sporthalle hergerichtet ist, sprich: wenn ein geeigneter Boden verlegt ist und Betten aufgestellt sind, ziehen die Flüchtlinge um; schon am Mittwoch sollen die ersten Familien an die Reihe kommen. Die Stadt, sagt der Sozialdezernent, müsse die Flüchtlinge dort selber versorgen und betreuen – das Service-Unternehmen European Homecare habe keine Kapazitäten mehr frei: „Das ist für die Stadt schwer zu stemmen und belastet uns in allen Bereichen.“

DRK kritisiert Unterbringung in Zelten

Das DRK in Westfalen-Lippe bedauert die Entscheidung der Stadt , Flüchtlinge in Zelten unterzubringen. „Es bestand bisher Konsens mit dem Innenminister, eine Zeltunterbringung nur als eine absolute Notfallmaßnahme zu sehen, wenn keinerlei andere Lösungen mehr zur Verfügung stehen“, sagt Landesrotkreuzleiter Heinz-Wilhelm Upphoff. Das Aufstellen von Zelten sei nur „schwer nachvollziehbar“, auch deshalb, weil sie ohne Böden auf einem Ascheplatz stünden, errichtet an einem Abend, an dem Regenfälle angekündigt gewesen seien. Das DRK, sagt Upphoff, habe sich an der Aktion nur beteiligt, um die betroffenen Menschen nicht buchstäblich „im Regen stehen zu lassen“.

Nach Angaben von Sozialdezernent Chudziak hat die Stadt durchaus eine Unterbringung in einem Haus geprüft. Dort habe der Brandschutz aber nicht den neuen Richtlinien entsprochen. Arnsberg habe dafür die Verantwortung nicht übernehmen wollen. Im Übrigen: Die Stadt habe Arnsberg gebeten, die Flüchtlinge einen Tag später zu schicken – um die Turnhalle fertig zu stellen. Auch das sei abgelehnt worden.