Herne. Siegfried Petrelli ist nach einer Amputation auf die Hilfe seiner Frau angewiesen. Denn: Von der AOK gibt es keinerlei finanzielle Hilfe mehr.

Siegfried Petrelli hat ein schweres Schicksal ereilt. Dem 65-Jährigen musste ein Bein abgenommen werden. Jetzt fühlt sich der Rentner zusätzlich gedemütigt, weil ihm die Krankenkasse die zwischenzeitlich gewährte Unterstützung der Pflegestufe I verweigert. Die AOK hingegen verweist auf die gesetzlichen Vorgaben und das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.

„Es ist unfassbar“, regt sich Petrelli auf. „Wenn ich meine Frau nicht hätte, müsste ich in ein Pflegeheim ziehen. Und trotzdem will mir die AOK keine Pflegestufe gewähren“, ärgert sich Petrelli. 49 Jahre lang habe er gearbeitet und Krankenkassenbeiträge bezahlt, davon 40 Jahre als Lackierer beim Herner Betonpumpenhersteller Schwing.

Auch der Gutachter entschied gegen Petrelli

Sein linkes Bein musste ihm vor eineinhalb Jahren wegen schwerer Durchblutungsstörungen abgenommen werden. Danach nahm er an mehreren Reha-Maßnahmen teil und bekam auch finanzielle Hilfe der AOK, wurde in Pflegestufe I eingestuft. „Nach einem Jahr wurde sie aber gestrichen“, beschwert sich Petrelli. Er sei zwar dagegen angegangen, aber auch der beauftragte Gutachter habe für ihn negativ entschieden.

„Das ist doch nicht nachvollziehbar“, kritisiert Petrelli. „Ich kann nicht alleine einkaufen, mich nur teilweise waschen, meine Frau muss mir in den Rollstuhl helfen und beim Anlegen meiner Beinprothese.“

In der Pflegestufe I stand ihm bislang wenigstens ein kleines Bisschen finanzielle Unterstützung zu, wenn er keinen Pflegedienst in Anspruch nahm: laut Tabelle 244 Euro ohne eingeschränkte Alltagskompetenz, 316 Euro mit eingeschränkter Alltagskompetenz.

Pflegestufe laut AOK-Sprecherin schwierig zu bekommen

Dass das Geld gestrichen wurde, ist aus der Sicht von AOK-Öffentlichkeitssprecherin Brunhilde Großheim zwar bedauerlich, aber rechtmäßig: „Herr Petrelli hat nach seiner Beinamputation zwischenzeitlich eine Pflegestufe bekommen, um wieder im Alltag ankommen zu können. Wir haben das aber von vornherein befristet, weil zu erwarten war, dass sich sein Zustand verbessern würde.“

Ende 2014 habe die Pflegestufe geendet, weil der Gutachter festgestellt habe, dass Petrelli mit seinem amputierten Bein sehr gut umgehen könne. „Der Gutachter vermerkte eine verbesserte Mobilität und eine gestärkte Muskulatur.“

Petrelli könne sich selbst rasieren und sich mit leichter Hilfe seiner Frau waschen oder die Prothese anlegen. „Das reicht für eine Pflegestufe nicht aus, eine Stunde Fremdbedarf ist hier die Minimalvoraussetzung.“ Aber, das macht Brunhilde Großheim deutlich, seien die vom Gesetzgeber vorgegebenen Zeiten äußerst knapp bemessen. Fürs Kämmen würden beispielsweise nur zwei, fürs Waschen lediglich drei Minuten veranschlagt. „Es ist nicht einfach, an eine Pflegestufe zu kommen“: Das sagt nicht etwa Siegfried Petrelli, das sagt Brunhilde Großheim.