Herne. Die Sparkasse Herne hatte einer Mitarbeiterin gekündigt - wegen des Verschwindens von 115 000 Euro. Zu Unrecht, urteilte das Landesarbeitsgericht.

  • Bundesbank schickte 115 000 Euro in einem verplombten Koffer auf die Reise nach Herne
  • Beim Öffnen fanden die Mitarbeiter jedoch statt des Geldes Kindernahrung und Waschmittel
  • Arbeitsgerichte sehen die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung nicht gegeben

Die Herner Sparkasse steht vor einem personellen Problem: Sie muss eine langjährige Mitarbeiterin weiterbeschäftigen, die von der Sparkasse fristlos gekündigt worden war. Der Verdacht: Sie soll im Mai 2015 gegen 9.40 Uhr in der Filiale Baukau aus einem Geldkoffer der Bundesbank 115 000 Euro gegen Babynahrung und Waschmittel getauscht haben. Das Arbeitsgericht Herne hatte im Oktober 2016 geurteilt, „dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin weder durch die fristlose noch durch die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31. Dezember 2016 beendet wurde“. Die Sparkasse legte am Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm Berufung gegen das Herner Urteil ein. Doch die wies das LAG ab und ließ auch eine Revision nicht zu.

Der Fall soll sich wie folgt zugetragen haben: Am 27. Mai 2015 hatte die Mitarbeiterin 115 000 Euro in 50-Euro-Scheinen bei der Bundesbank geordert. Dort wurde das Geld – vor laufender Kamera (!) – in ein anschließend verplombtes Geldpaket gepackt und mit einem ständig überwachten Geldtransporter nach Herne transportiert. Die Mitarbeiterin nahm das Paket um 9.40 Uhr entgegen, öffnete es aber erst etwa 20 Minuten später, weil sie in der kleinen Filiale mit Buchungen für einen Kunden beschäftigt war. Danach öffnete sie die Geldsendung und fand statt Bargeld Babynahrung und Waschmittel – mit exakt dem gleichen Gewicht wie die Geldscheine, wie sich später herausstellte.

Gegen das „Vier-Augen-Prinzip“ verstoßen

Beim Öffnen hatte die Frau gegen das sogenannte „Vier-Augen-Prinzip“ verstoßen: Solche Geldpakete sollen nur mit einem Kollegen zusammen geöffnet werden. Den holte sie dann zwar dazu und befolgte auch dessen Rat, sofort die Polizei einzuschalten, geriet aber im Lauf der internen Ermittlungen später selbst in Tatverdacht. Dafür habe laut der Sparkassen-Prozessvertreter die finanziell schlechte Situation der Mitarbeiterin gesprochen. Sie hatte ihr Konto mit 15 000 Euro überzogen, ihr Ehemann sei schon längere Zeit arbeitsunfähig gewesen.

Zwei Hausdurchsuchungen förderten 2200 Euro Bargeld zu Tage. Dazu allerdings in einem Bankschließfach drei Umschläge mit insgesamt 40 000 Euro. Dieses Schließfach war nach hausinternen Ermittlungen nach einem Jahr erstmalig einen Tag vor Ankunft des Geldpakets und dann wieder einen Tag danach geöffnet worden. Doch dieses Geld stammte nach Ermittlungen des Landeskriminalamts nicht von der Bundesbank.

Klägerin hatte Vergleich abgelehnt

Die Sparkasse bekam erst im März 2016 Einblick in die Akten der bis heute nicht abgeschlossenen Ermittlungen und sprach die sogenannte „Verdachtskündigung“ aus. Doch schon das Herner Arbeitsgericht gab der Arbeitgeberseite zu bedenken, dass der bis dahin bekannte Geschehensablauf die Hürde einer Verdachtskündigung noch nicht nehmen könne. Immerhin hatte die Staatsanwaltschaft auch ein Jahr nach dem mysteriösen Geschehen noch keine Strafanzeige erstattet. Dass es für die Sparkasse nach eigener Aussage „nur schwer vorstellbar gewesen sei, wie das Geld sonst weggekommen sein könnte“, reiche nicht aus, um die Täterschaft der Mitarbeiterin sehr, sehr nahe liegen zu lassen, so das Herner Gericht. Auch das Landesarbeitsgericht unter Vorsitz von Richterin Held-Wesendahl („Wir prüfen nur, ob es zwingende Gründe für eine Verdachtskündigung gibt, für alles andere ist das Strafgericht zuständig“) fand nach Vernehmung von Zeugen Widersprüche und kritisierte auch den „laxen Umgang“ bei der Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips – wies die Berufung jedoch ab.

Die Klägerin und ihr Anwalt, die schon in Herne eine Vergleichslösung abgelehnt hatten, beharrten auch in Hamm auf einer Entscheidung. Jetzt hat die Sparkasse das Problem, wie sie in Zukunft mit der juristisch erfolgreichen Mitarbeiterin umgehen soll. Die Frau hatte bereits am Landesarbeitsgericht für den Erfolgsfall angekündigt, „zu versuchen, mit den Kollegen ins Reine zu kommen.“ Deshalb sei sie auch in einer Psychotherapie.