Heiligenhaus. „Unterste Schublade“: SPD-Zwist in Heiligenhaus eskaliert. Quartett trotzt Ortsverein und hält an Mandaten fest. Partei strebt Erneuerung an.

Unterschiedliche Meinungen zu haben, das gehört dazu, wenn man sich politisch engagiert. Auch Lagerbildungen kann es da innerhalb einer Partei geben. Zwei starke Lager, die zerstritten sind, wieder vereinen – vor der Herausforderung stand die örtliche SPD. Die Streitigkeiten haben nun mit dem Erlöschen der SPD-Fraktion im Rat einen neuen Höhepunkt gefunden. Was beide Seiten dazu sagen und wie es jetzt weitergeht.

Die Meldung aus der Stadtverwaltung am Montagabend ist ordentlich eingeschlagen (die WAZ berichtete): Die bisherigen SPD-Fraktionsmitglieder Ingmar Janssen, Manuela Janssen, Jana Janssen und Edmund Mathey verkündeten die Gründung der neuen Fraktion Gemeinsam für Heiligenhaus (GFH). „Wir bleiben alle Sozialdemokraten aus vollem Herzen, aber wir haben hier keine Zukunft mehr gesehen, da eine Basis für eine Zusammenarbeit mit dem Ortsvorstand nicht mehr aufrecht zu halten war“, erklärt Ingmar Janssen die Gründe für den Schritt.

Heiligenhauser SPD war lange schon zerstritten in zwei Lagern

Doch was war geschehen? Schon lange brodelt es bei den Sozialdemokraten. Mit der Kommunalwahl 2020 der erste Paukenschlag: Peter Kramer, Spitzenkandidat auf Platz 1 der Ratsreserveliste und langjähriger Fraktionsvorsitzender, nahm sein Mandat gar nicht erst an. Offiziell, hieß es zunächst, wolle er nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei den Weg für Neuerungen freimachen; später teilte er jedoch mit, dass er mit der Fraktion, die mehrheitlich aus Mitgliedern der Familie Janssen bestand, keine Basis für eine Zusammenarbeit gesehen hat.

Die bisherige SPD-Fraktion im Rat der Stadt Heiligenhaus ist nun die GFH: hier Edmund Mathey, Ingmar Janssen, Manuela Janssen und Jana Janssen (v.r.).
Die bisherige SPD-Fraktion im Rat der Stadt Heiligenhaus ist nun die GFH: hier Edmund Mathey, Ingmar Janssen, Manuela Janssen und Jana Janssen (v.r.). © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Im März 2022 konnte sich auf dem Parteitag der SPD dann Simone Sönmez gegen Ingmar Janssen durchsetzen und führt seitdem den Ortsverein gemeinsam unter anderem mit Peter Kramer; mit dem Ziel, wie sie im WAZ-Interview angab, die SPD wieder einen zu wollen. Doch das scheint nicht geklappt zu haben, wie der Vorfall auf dem Parteitag im Oktober, der mit einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Mitgliedern endete und wie der Schritt der Ratsfraktion nun zeigen. „Auch wir waren von der Nachricht gestern Abend überrascht worden. Dennoch gilt: Die SPD Heiligenhaus ist handlungsfähig“, nimmt Sönmez Stellung zu den aktuellen Geschehnissen, „nach einer langen Zeit parteiinterner Schwierigkeiten kann sich die SPD nun endgültig erneuern.“

 Der im März gewählte Vorstand besteht aus Simone Sönmez, Joshua Vogt, Elke Schlenther-Ermels, Meik Schlenther, Sabine Dopatka, Peter Kramer, Ulrike Martin, Reiner Mayer und Petra Uhr.
 Der im März gewählte Vorstand besteht aus Simone Sönmez, Joshua Vogt, Elke Schlenther-Ermels, Meik Schlenther, Sabine Dopatka, Peter Kramer, Ulrike Martin, Reiner Mayer und Petra Uhr. © SPD Heiligenhaus

Was führte aber zu diesem Bruch? „Was der Ortsverband hier ist, das ist nicht mehr meine Partei“, berichtet Janssen über Mobbing durch Diffamierung gegen seine Person und die Arbeit der Fraktion, auch eine Mediation habe zu keinem Ergebnis geführt; „das Niveau kenne ich nicht, das ist einfach unterste Schublade. Für uns ist das nun der richtige Schritt, wir werden unsere erfolgreiche Ratsarbeit im sozialdemokratischen Sinn weiterführen.“ Weitere sachkundige Bürger auf Seiten der SPD würden ebenfalls zur GFH wechseln, so Janssen.

Schlussstrich der Differenzen durch Neugründung einer eigenen Fraktion

„Unsere Mitglieder haben bei der Jahreshauptversammlung vor einem Monat eindrucksvoll für eine personelle Wende und die Abkehr von verkrusteten Strukturen gestimmt. Im nächsten Jahr wird die SPD überzeugende Kandidatinnen und Kandidaten für den Stadtrat präsentieren“, nimmt Sönmez weiter Stellung. Nach der Kommunalwahl werde die SPD „wieder mit einer starken Ratsfraktion für unsere Stadt arbeiten, davon bin ich überzeugt – auch, weil wir parallel zu den Parteiaustritten der bisherigen Fraktionsmitglieder zahlreiche neue Parteimitglieder gewinnen konnten, denen eine vernunftbasierte und sachorientierte Parteiarbeit wichtig ist.“

Die SPD-Fraktion nach der letzten Kommunalwahl.
Die SPD-Fraktion nach der letzten Kommunalwahl. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Null Chancen“ rechne Ingmar Janssen sich aus, bei der nächsten Kommunalwahl für die SPD wieder im Rat zu sitzen „Das Mandat haben wir über die Partei erhalten. Wenn jemand aus der Fraktion austritt, weil er inhaltliche andere Werte hat, dann bin ich auch dafür, dass er sein Mandat abgibt. Die inhaltliche Grundeinstellung hat sich aber nicht geändert, weshalb wir unser Mandat behalten werden.“ Anders sieht das Sönmez und fordert: „Nach den Statuten der Partei ist der Austritt aus einer SPD-Fraktion und die Gründung einer neuen Fraktion nicht mit einer SPD-Parteimitgliedschaft vereinbar. Von daher werden die zuständigen Gremien der Partei Parteiordnungsverfahren gegen diejenigen einleiten, die ihre Mitgliedschaft in der SPD trotz Übertritt in eine andere Fraktion nicht niedergelegt haben.“

SPD fordert die bisherigen Fraktionsmitglieder auf, ihr Mandat niederzulegen

Als Vorstand wolle man daran erinnern, „dass sowohl Ingmar Janssen als auch Manuela Janssen nicht direkt von den Heiligenhauser Bürgerinnen und Bürgern gewählt worden sind, sondern ihre Mandate über einen Platz auf der Liste der SPD erhalten haben. Von daher gebietet es der Respekt vor demokratischen Prozessen, dass mit dem Austritt auch das Ratsmandat niedergelegt wird, um dem Wählerwillen gerecht zu werden. Dasselbe fordern wir als Vorstand ebenso von Edmund Mathey und Jana Janssen, denn sie haben ihre Direktmandate den SPD-Wählerinnen und Wählern zu verdanken, die sie nun nicht mehr repräsentieren.“