Heiligenhaus. Ein 34-jähriger Heiligenhaus ist für den Angriff auf eine türkischstämmige Familie verurteilt worden: Warum die Strafe am Ende milder ausfällt.
Nach einem gefährlichen Angriff auf eine Nachbarsfamilie – mit einem Luftdruckgewehr und mit Feuer – bleibt ein 34 Jahre alter Angeklagter aus Heiligenhaus in Haft. Das Landgericht Wuppertal verurteilte den vorbestraften, arbeitslosen und alleinstehenden Mann wegen Körperverletzung und schwerer Brandstiftung. Er muss 13.500 Euro Schmerzensgeld an die Geschädigten zahlen.
Vom Tisch ist der Vorwurf eines versuchten Mordangriffs, den das Gericht noch zu Prozessbeginn aufgebracht hatte: „Wir gehen nicht mehr von einem Tötungsvorsatz aus“, stellte der vorsitzende Richter in seiner mündlichen Urteilsbegründung klar.
Das wird dem Heiligenhauser vorgeworfen
Der 34-Jährige sitzt seit der Tat vom frühen Morgen des 27. Januar 2023 in Untersuchungshaft. Laut Feststellungen passte er gegen 6.30 Uhr seinen vier Jahre jüngeren Nachbarn im Treppenhaus ab, als der zur Arbeit gehen wollte. Zwischen den Männern soll Streit bestanden haben: Der Angeklagte rauchte Cannabis in seiner Wohnung. Der Geruch sei bis in die Räume der Familie auf gleicher Etage gezogen.
Weiter dem Gericht zufolge schoss der 34-Jährige mit einem gefährlichen Luftgewehr auf den jüngeren Mann, als der sich die Schuhe anziehen wollte. Die Waffe lud automatisch nach – ohne zusätzlich nötige Handgriffe – und konnte laut Hersteller bis zu 15 mal so stark eingestellt werden, wie normale, frei verkäufliche Luftdruckwaffen. Getroffen und schwer blutend zog sich der Angegriffene in seine Wohnung zurück.
Nach dem Schuss noch Feuer gelegt
Der 34-Jährige soll darauf nachgelegt haben: Er habe durch die Nachbarstür geschossen, diese eingetreten und in den Räumen der gegnerischen Familie Feuer gelegt. Der Nachbar, seine Frau (26) und deren gemeinsame Tochter (sieben Monate) wurden von der Feuerwehr über den Balkon gerettet. Den Angeklagten nahmen Spezialkräfte der Polizei gewaltsam fest.
Im Gericht stellte der vorsitzende Richter fest, der Angeklagte habe zu Beginn des Prozesses als „hochgefährlicher Mann“ gewirkt, seine Tat womöglich als Mordversuch. Unter seiner Kleidung hätten Ermittlungsbeamte Stücke einer Marke gefunden, die von Rechtsradikalen als Erkennungszeichen benutzt werde. Dazu kamen eine Armbrust und eine Machete.
Heiligenhauser trotz Cannabiskonsums voll schuldfähig
Vor diesem Hintergrund habe das Gericht positiv gewertet, dass der Mann sich von einer Gerichtspsychiaterin habe untersuchen lassen. Deren Ergebnis: Der 34-Jährige sei uneingeschränkt schuldfähig, trotz regelmäßigen Cannabis-Konsums. Der Richter fasste zusammen: „Es ist beruhigend zu sehen, dass man es mit einer Tat zu tun hat, die sich noch normal-psychologisch erklären lässt.“ Begriffe einer psychischen Erkrankung würden in diesem Fall nicht gebraucht.
Der verletzte Nachbar hat zugegeben, den Angeklagten zuvor bedroht zu haben: Wenn er weiter für Cannabis-Geruch im Haus sorge, werde er ihm die Tür eintreten und „in die Fresse“ schlagen. Das Gericht wertet aber als erfunden, dass dieser Mann am Tattag zur Eröffnung der Begegnung im Treppenhaus als erster zugeschlagen hätte. Das hatte der Angeklagte behauptet.
Strafe ist milder als beantragt
Die Strafe ist milder als von der Staatsanwaltschaft beantragt: Sie hatte acht Jahre und sechs Monate gefordert. Der Anwalt der Familie hatte mehr als zehn Jahre als angemessen bezeichnet und die geschädigte Familienmutter zitiert, sie habe sich vor ihrem türkischen Familienhintergrund an den Mordanschlag von 1993 erinnert gefühlt: „Sie hat gesagt, sie hatte Angst, dass sie endet, wie die Opfer von Solingen.“
Die Zweifel an der Tötungsabsicht hatte der Verteidiger des Angeklagten geltend gemacht. Nicht durchsetzen konnte er sich mit der Forderung nach einer Strafe unter fünf Jahren.
Das Urteil ist noch angreifbar.
>>> Cannabis-Rauch im Treppenhaus
- Aussagen im Prozess zufolge bestand Streit unter den Beteiligten ausschließlich um Geruch nach Cannabis-Rauch.
- Nach der Tat hatten Medienberichte die Sorge aufgebracht, der Angeklagte könne seine Nachbarn wegen ihres Familienhintergrunds angegriffen haben können - aus rassistischem Türkenhass.
- Diese Sorge hat sich anhand der Zeugenaussagen nicht erhärtet.