Heiligenhaus. Ein 33-Jähriger soll in Heiligenhaus auf einen Nachbarn geschossen und dessen Familie angegriffen haben. Der Angeklagte sieht das ganz anders.
Die lebensgefährliche Gewalt mit Brandstiftung in einem Mehrfamilienhaus am Schopshofer Weg in Heiligenhaus hatte überregional entsetzt: Unter dem Vorwurf des Mordangriffs auf eine dreiköpfige Nachbarsfamilie steht ein Angeklagter (33) aus Heiligenhaus vor den Richterinnen und Richtern.
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Er soll dem benachbarten Familienvater (damals 30 Jahre alt) auf gleicher Etage heimtückisch aufgelauert haben. Dann habe er versucht, seinen Gegner samt dessen Frau und dem gemeinsamen, sieben Monate alten Kind in deren Wohnung zu verbrennen – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.
Die Erwachsenen kamen mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus, das Kind blieb körperlich unversehrt.
Angeklagter Heiligenhauser bestätigt Streit – sieht sich selbst aber als Opfer
Zu Prozessbeginn vor dem Landgericht Wuppertal erklärte der 33-Jährige: „Es tut mir schrecklich leid.“ Er bestätigte, dass Streit in dem Mietshaus bestanden habe. Seiner Version zufolge habe er sich vor dem angegriffenen Familienvater geängstigt und sei von diesem angegriffen worden.
Die Staatsanwaltschaft geht von einem anderen Tathergang aus
Die Staatsanwaltschaft indes geht davon aus, dass der Angeklagte seinen Nachbarn am 27. Januar 2023 gegen 6.30 Uhr im Treppenhaus abpasste – auf dessen Weg zur Arbeit. Er habe ein starkes und gefährliches Luftgewehr in einem Müllbeutel verborgen gehalten. Damit habe er sein Opfer ohne Grund und Warnung beschossen. Ein Projektil sei nahe einer Niere in den Körper des angegriffenen Mannes eingedrungen; er habe stark geblutet.
Angeklagter soll die Nachbarn mit einem Flambierbrenner angegriffen haben
Als der Verwundete sich in seine Familienwohnung zurück rettete, habe der Angeklagte sich zum Angriff auf die ganze Familie entschlossen. Er sei in seine Wohnung gelaufen und habe einen Flambierbrenner und brennbaren Alkohol geholt. Die Tür zur fremden Wohnung habe er eingetreten, seine Attacke mit weiteren Schüssen fortgesetzt und Feuer gelegt. Die Frau rief die Feuerwehr an. Spezialkräfte der Polizei nahmen den 33-Jährigen während des Löscheinsatzes fest.
Generalkonsul der Türkei ist im Gerichtssaal anwesend
Zur Verhandlung sitzen Angehörige beider Seiten im Saal, dazu der Generalkonsul der Türkei mit Delegation. Die angegriffene Familie hat Bezug in dieses Land. Kurz nach der Tat wurde in Medien die Sorge verbreitet, der Angeklagte könnte aus rassistischem Hass gehandelt haben, aus fremdenfeindlichen Motiven. Das kann sich noch erhärten.
Der angeklagte Heiligenhauser ist vorbestraft
Derzeit geht die Anklage davon aus, dass der Familienvater den Angeklagten auf Cannabis-Geruch im Treppenhaus ansprach. Daraus sei der Streit entstanden. Der Angeklagte ist vorbestraft, alleinstehend und gibt an, berufstätig gewesen zu sein. Das Luftgewehr habe er sich verschafft, nachdem er in einem Streit um Drogen verletzt worden worden sei. Den Cannabis-Geruch habe er verursacht. Der Nachbar sei ihm deshalb extrem aggressiv begegnet: Er habe Angst bekommen. Er habe sich gefragt, wie der sich ein neues Auto habe leisten können. Seine Vorstellung: Der Mann könnte kriminell sein und Einkünfte aus Straftaten haben. Und nein: Anhaltspunkte dafür habe er nicht.
Cannabis- und Alkoholkonsum beim Computerspielen am Vorabend
Der Angeklagte sagte vor Gericht, dass er die Nacht vor dem Geschehen mit Computerspielen verbracht und Cannabis sowie Alkohol konsumiert habe. Am Morgen habe er neue Getränke kaufen wollen. Er habe einen Discounter besuchen wollen, der eine halbe Stunde später öffnen sollte. Den Nachbarn habe er im Treppenhaus getroffen. Dieser habe ihn „kommentarlos und ohne Warnung“ mit der Faust geschlagen. Daraufhin habe er zu seinem Luftgewehr gegriffen und geschossen.
Angeklagter will das Bild der Staatsanwaltschaft über ihn berichtigen
Der Angeklagte sagt: Brenner und Alkohol habe er später geholt, weil er gefürchtet habe, der Nachbar würde sich bewaffnen – womöglich mit einem Messer. Als er erkannte, dass die fremde Wohnung brannte, habe er löschen wollen: „In meiner Panik habe ich an den Duschschlauch gedacht. Aber das machte ja keinen Sinn.“ Dass er einen Eimer besaß, habe er vergessen.
Dem Gericht sagte der Angeklagte: „Die Staatsanwaltschaft zeichnet von mir ein Bild wie von einem Wahnsinnigen.“ Das wolle er im Verfahren berichtigen. Er fügte hinzu: „Ich bin erleichtert, dass niemand schwerer verletzt wurde.“
>>> Großverfahren vor dem Landgericht
Das Landgericht muss alle Abläufe unabhängig aufklären und hat zunächst sieben Verhandlungstage anberaumt.
Eine Gerichtspsychiaterin untersucht den Angeklagten auf seinen psychischen Zustand und mögliche Suchterkrankungen.
Der angegriffene Familienvater beteiligt sich als sogenannter Nebenkläger am Prozess. Er hat einen Anwalt und kann selbstständig eine Strafe sowie Schmerzensgeld und Schadensersatz beantragen.