Wuppertal/Heiligenhaus. SEK-Einsatz in Heiligenhaus: Ehepaar schildert vor Gericht den Angriff ihres Nachbarn. Kein Hinweis auf rassistischen Hintergrund.

Bange Versuche, den Angeklagten abzuwehren und sich eilig in der eigenen Wohnung zu verbarrikadieren; Todesangst, die eigene Verletzungen unspürbar macht: So beschreibt ein Paar aus Heiligenhaus den mutmaßlichen Mordangriff eines Nachbarn aus ihrem Mietshaus vom Januar 2023. Der 34 Jahre alte, vorbestrafte Mann soll im Treppenhaus mit einem gefährlichen, starken Luftgewehr geschossen und in der Wohnung der Geschädigten Feuer gelegt haben. Sein Ziel: Das Paar samt seiner sieben Monate alten Tochter umzubringen. Die verletzte, 26 Jahre alte Frau und Mutter sagte im Landgericht Wuppertal aus: „Ich hab’ meiner Tochter die Augen zu gehalten. Ich hab’ die ganze Zeit geguckt, ob sie was abbekommen hat.“

Heiligenhauser soll den Familienvater im Treppenhaus abgepasst haben

Laut Anklage passte der 34-jährige Beschuldigte den Familienvater (30) am Tattag gegen 6.30 Uhr im Treppenhaus ab, als der zur Arbeit gehen wollte. Er habe geschossen. Als der sich der blutende Mann in seine Wohnung zurückzog, habe er aus seinen Räumen Spiritus und einen Brenner geholt, die gegnerische Wohnungstür eingetreten, weiter geschossen und einen Brand gelegt. Die Familie rief Polizei und Feuerwehr. Die Erwachsenen brachte der Rettungsdienst ins Krankenhaus, das Kind blieb körperlich unverletzt. Der Angeklagte wurde von Spezialkräften der Polizei festgenommen.

Prozessbeginn im Landgericht Wuppertal. Links der angeklagte Heiligenhauser mit seinem Anwalt Jochen Thielmann. Die Leitung hat der vorsitzende Richter Jochen Kötter (Mitte). 
Prozessbeginn im Landgericht Wuppertal. Links der angeklagte Heiligenhauser mit seinem Anwalt Jochen Thielmann. Die Leitung hat der vorsitzende Richter Jochen Kötter (Mitte).  © Dirk Lotze | Dirk Lotze

Im Prozess hat der 34-Jährige den Ablauf in großen Teilen bestätigt. Er gibt aber abweichend an: Der Familienvater habe ihn ungewarnt im Treppenhaus mit einer Faust ins Gesicht geschlagen. Inzwischen ist ein ärztlicher Bericht von der Einlieferung des Mannes im Gefängnis öffentlich bekannt: Er hatte ein blaues Auge. Wie es zu der Verletzung kam, ist Teil der unabhängigen Aufklärung im Gericht.

Wer hat dem Angeklagten das blaue Auge verpasst?

Der 30-jährige Familienvater sagte aus, er habe damit nichts zu tun. Den Angriff habe vielmehr der Angeklagte begonnen: „Er hat direkt losgeschossen!“ Der Geschädigte erklärte: „Ich habe früher geboxt. Wenn ich ihn geschlagen hätte, hätte er keine Chance gehabt.“ Er wiederum habe später in der Hektik des Kampfes nicht bemerkt, dass er schwer verletzt war: „Ich hatte Todesangst. Das kann man gar nicht beschreiben: Kommt er rein – oder nicht? Schießt er weiter – oder nicht?“

Wie schon der Angeklagte bestätigte der Verletzte: In dem Haus bestand Streit. Der habe sich darum gedreht, dass der Angeklagte Cannabis rauchte und es im Treppenhaus danach roch. Das Paar habe sich wegen des Kleinkinds gesorgt. Im Gericht erklärte der Verletzte: „Was er in seiner Wohnung macht, geht mich nichts an, aber es ist in meine Wohnung gezogen.“

Geschädigter drohte dem Angeklagten, ihn zu verprügeln

Etwa zwei Monate vor der Tat habe er den Angeklagten auf der Treppe angeherrscht: „Beim nächsten Mal trete ich Dir die Tür ein und schlage Dir in die Fresse.“ Seine Frau habe er zuvor in die Wohnung geschickt. Er habe die Drohung nicht wahr machen, sondern seinen Gegner „beeindrucken“ wollen, sagte der Mann im Gericht: „Ich bin kein aggressiver Mensch.“

Der Cannabis-Geruch sei nach dieser Szene zurück gegangen. Bis zum Tatmorgen habe es keine weiteren Auseinandersetzungen gegeben: „Wir haben nicht miteinander geredet.“ Keinen Anhaltspunkt benannte der Verletzte dafür, dass der Angriff aus rassistischem Hass wegen des türkischen Hintergrunds der Familie erfolgt sein könnte. Diese Sorge hatten Medien nach der Tat aufgebracht. Der Aussage des Familienvaters zufolge drehte sich aller Streit allein um den Cannabis-Geruch.

Kein rassistischer Hintergrund erkennbar

Die verletzte Ehefrau (26) und Mutter weinte vor der Richterin und den Richtern, als sie sich das Geschehen für ihre Aussage erneut vorstellte: „Ich habe nur meinen Mann gesehen, wie er da stand und blutete.“ Als der Angreifer in ihrer Wohnung war habe ihr Mann im Wohnzimmer einen Tisch, einen Schrank und die Sofagruppe vor die Zimmertür geschoben, um ihn aufzuhalten. Das habe zum Glück funktioniert. Sie habe sich wegen der psychischen Belastung in Therapie begeben.

Der Prozess wird fortgesetzt.

>>> Vorwurf Mordversuch

  • Das Landgericht Wuppertal hat zunächst sieben Sitzungstage für die Verhandlung vorgesehen.
  • Die Richterin und die Richter werden die Zeugen vom Rettungseinsatz, Ärzte, die SEK-Polizisten und einen Brandexperten anhören.
  • Zum Hintergrund des Angeklagten haben Angehörige angekündigt, aussagen zu wollen.
  • Fortsetzungen in dieser Woche sind Mittwoch und Donnerstag (18./19. Oktober), jeweils 9.15 Uhr im Justizzentrum Wuppertal.