Heiligenhaus/Wuppertal. Eine 69-Jährige verletzt im Treppenhaus in Heiligenhaus ihre Nachbarin. Warum das Landgericht Wuppertal die Frau nun freigesprochen hat.

Tatort war das gemeinsame Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses in der Stadtmitte von Heiligenhaus: Eine 69 Jahre alte Frau hatte dort eine Nachbarin angegriffen und sie verletzt.

Das Landgericht Wuppertal hat die angeklagte Rentnerin, die sich aufgrund einer psychischen Erkrankung von Dämonen verfolgt sah, nun wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen. Sie braucht nicht in eine geschlossene und gesicherte Klinik, weil sie laut Auffassung des Gerichts „nicht gemeingefährlich“ ist. Das Fazit des vorsitzenden Richters: „Es handelte sich um eine psychische Ausnahmesituation.“

Heiligenhauserin beobachtete Treppenhaus durch den Türspion

Die 69-Jährige ist ohne Vorstrafen, verwitwet und war früher in der Pflege tätig. Laut einem Gerichtspsychiater bestanden Jahre vor dem Vorfall vom November 2021 erste Krankheitszeichen: ein „Sich-verfolgt-sehen“ und Überwachung des Treppenhauses durch den Türspion.

Die Attacke auf die Nachbarin hat dann eine Zuspitzung ihres Zustandes markiert: Sie soll trotz Gehbehinderung mit all ihrer Kraft gegen die Tür gesprungen sein, um sie zuzuschlagen. Die Geschädigte erlitt Prellungen an einer Schläfe an einem Arm.

Frau wird ins Klinikum Niederberg gebracht

Tage nach diesem Geschehen wurde die 69-Jährige ins Klinikum Niederberg gebracht, nachdem sie angekündigt hatte, sich verletzen zu wollen. Sie habe zudem versucht, einer fremden Frau auf der Straße die Krücken abzunehmen. Bei einer anderen Gelegenheit habe sie einer Passantin Verzierungen von einer Jacke abgerissen.

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Behandlung mit hochwirksamen Medikamenten stabilisiert Zustand

Zu diesem Zeitpunkt galt die Heiligenhauserin als polizeibekannt. Der Gerichtsarzt fasste über die Klinikzeit zusammen: „Sie wurde mit hochwirksamen Medikamenten behandelt, dann wurde die Dosis langsam gesenkt.“ Damit habe sich ihr Gesundheitszustand stabilisiert. Das Ergebnis seiner Untersuchung: „Es besteht kein Zweifel, dass sie an einer paranoiden Psychose leidet.“ Eine Gemeingefährlichkeit ergebe sich daraus aber nicht, fügte der Arzt hinzu.

Wie der rechtliche Betreuer der Heiligenhauserin die Lage einschätzt

Zu Klinikunterbringungen sei es gekommen, nachdem sie sich selbst gefährdet habe: „Es ist nicht so, dass sie ‚brandgefährlich‘ wäre, das lässt sich daraus nicht ableiten.“ Hinzu komme, dass sie durch körperliche Erkrankungen stark eingeschränkt und gehbehindert sei. Allein das mache sie weniger gefährlich als andere Personen. Ein rechtlicher Betreuer der Frau gab an, sie lehne ab, sich ihre Medikamente vom Pflegedienst verabreichen zu lassen; sie wolle die Tabletten selbstständig nehmen. Ob sie das einhalte, könne er nicht abschließend sagen: „Wir begleiten Sie zur Apotheke und wir sehen die Medikamente. Alles Weitere wäre übergriffig.“

Richter schließen sich der Sicht des Gerichtsarztes an

Die Richterinnen und Richter schlossen sich der Sicht des Gerichtsarztes an: „Von der Frau geht gegenwärtig keine Gefahr aus.“ Sie sei durchgängig in Behandlung und seit dem Jahreswechsel 2021/22 sei nichts Neues dazu gekommen. Sie dürfe daher nicht in ein geschlossenes Krankenhaus eingewiesen werden.

Bezüglich der Streitigkeiten in der Nachbarschaft kam das Gericht zu der Einschätzung, dass man sich möglicherweise einfach nicht verstanden habe: „Da sind Sachen dabei, dass man sich fragt: ‚Was ist überhaupt passiert?‘“ Abgerissene Verzierungen an der Oberbekleidung würden eine Zwangseinweisung jedenfalls nicht rechtfertigen.

Die Staatsanwaltschaft kann gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen.

>>> Stationen des Verfahrens

Gegen die nicht vorbestrafte 69-Jährige hatte die Staatsanwaltschaft zunächst Strafe wegen Körperverletzung beantragt.

Der Richter im Amtsgericht Velbert kam zu dem Schluss, dass Frau schuldunfähig gewesen sein könnte.

Für eine mögliche Klinikunterbringung wurde das Landgericht Wuppertal zuständig. Im Landgericht übernahm die 10. Große Strafkammer den Fall.