Heiligenhaus. Diese Wahlperiode in Heiligenhaus unterscheidet sich von anderen – nicht nur aufgrund der vielfältigen Zusammensetzung. Eine Analyse.

Wenn der Rat der Stadt zusammenkommt, dann gibt es mittlerweile meist nur noch eine Frage: Wie schnell ist die öffentliche Sitzung beendet? Auch am Mittwochabend war der öffentliche Teil bereits nach etwas mehr als einer halben Stunde vorbei. Zur Einwohnersprechstunde erneut kein Gast, auch auf der Besuchertribüne herrscht beinahe gähnende Leere. „Ich glaub, wir müssen mal Werbung machen“, kommentiert da auch der stellvertretende Bürgermeister Edmund Mathey (SPD), der den erkrankten Bürgermeister Michael Beck in der Sitzungsleitung vertrat.

Große Diskussionen, die gibt es im Rat schon länger nicht mehr – abgesehen von der Königsdisziplin, den Haushaltsreden. Lasst uns lieber in den Fachausschüssen inhaltlich auseinandersetzten, ist da parteiübergreifend die Auffassung. Und während seitdem in den Ausschüssen teilweise über jeden einzelnen Baum in vollem Umfang diskutiert wird und die Sitzungen stundenlang dauern, hört man im Rat nur die Blätter rascheln, wenn die Sitzungsleitung die dicken Vorlagen umblättert, um von Tagesordnungspunkt zu Tagesordnungspunkt zu springen.

Im Heiligenhauser Rat melden sich nur noch die Fraktionsvorsitzenden zu Wort

Zum letzten Mal fand die Ratssitzung pandemiebedingt in der Aula statt – im Juni wird wieder im Ratssaal getagt.
Zum letzten Mal fand die Ratssitzung pandemiebedingt in der Aula statt – im Juni wird wieder im Ratssaal getagt. © Katrin Schmidt

Dass es soweit kam, hat eine Geschichte, und die ist noch gar nicht so alt. Da wurden aus taktischen Gründen – Populismus warf man sich da gegenseitig stets vor – kurzfristig Anträge auf die Tagesordnung gesetzt oder noch einmal von vorne diskutiert, damit auch jeder seine Meinung sagen kann. Alle, oder zumindest fast alle, waren am Ende von diesen eher unproduktiven und stundenlangen Sitzungen genervt – doch am Ende sind sie nun eben schon fast langweilig geworden, die Ratssitzungen.

Das zeigt auch das kaum vorhandene Interesse auf der Besuchertribüne. Schade, denn immerhin sind die Ratsmitglieder die Vertreterinnen und Vertreter, die direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt werden – und beim nächsten Mal wiedergewählt werden wollen möglicherweise. Meist spricht der oder die Fraktionsvorsitzende, denn die Diskussionen finden meist mittlerweile in Gesprächen abseits des Rates statt; oftmals heißt es deswegen am Ende nur noch: „Vorlage!“

Viele Diskussionen hinter verschlossenen Türen

WAZ-Redakteurin Katrin Schmidt kommentiert die vergangene Ratssitzung.
WAZ-Redakteurin Katrin Schmidt kommentiert die vergangene Ratssitzung. © WAZ | Tassos

Da ginge dann fast unter, welche Bedeutung die, meist eben nach Vorlage, abgestimmten Tagesordnungspunkte überhaupt haben – wenn überhaupt ein Gast anwesend wäre. Auf dieser Ratssitzung kam man also zu folgenden Beschlüssen: Dem Erweiterungsvorhaben von Lidl am Standort Selbecker Straße wird zugestimmt genauso wie dem Neubau des Familienzentrums Nonnenbruch in Eigenregie (Berichterstattung folgt), die verkaufsoffnen Sonntage werden angemeldet, die Technischen Betriebe ziehen in den Innovationspark (gegen die Stimmen von FDP und UHB; alle anderen Beschlüsse erfolgten einstimmig). Ansonsten gab es einige Um- und Besetzungsentscheidungen und ein paar mündliche Anfragen, die oft direkt geklärt werden konnten.

Wieder diskussionsfreudiger, so hört man, soll es im nichtöffentlichen Teil der Sitzung zugegangen sein: Wer nun in den Pavillon ziehen wird und ob es da überhaupt schon eine Entscheidung gibt, das ist nach wie vor ein großes Geheimnis. Mit Spannung bleibt abzuwarten, wann dieses gelüftet werden wird. Und auch der Pächter für die Rewe-Immobilie soll bald bekanntgegeben werden. Wann wieder mehr Leben in die Ratssitzungen einziehen wird, das bleibt hingegen abzuwarten.