Heiligenhaus. Nach dem überraschenden Fraktionsaustritt von Thomas Rickal und Anja Billau-Espey stellen sich bei den Heiligenhauser Sozialdemokraten Fragen.

Dass Genossen untereinander gerne mal streiten, ist kein Staatsgeheimnis. Da seien auf Bundesebene nur mal die Namen Andrea Nahles oder Martin Schulz genannt, die als Parteivorsitzende voll des Lobes und voller Hoffnung auf bessere Zeiten der Sozialdemokraten starteten – und dennoch nur kurz im Amt blieben aufgrund von Kritik aus eigenen Reihen. Nun kracht es auch in der Heiligenhauser SPD – sicher auch nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal öffentlich.

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Grund für den offen ausgetragenen Disput innerhalb der Partei ist der Austritt von Anja Billau-Espey und Thomas Rickal aus der SPD-Fraktion am Montag: Nicht nur für Ratsmitglieder der anderen Fraktionen war dies überraschend, sondern auch für die eigene Partei. Denn die Beiden gaben den beim Bürgermeister bereits eingereichten Fraktionsaustritt per Mail kurz vor der SPD-Fraktionssitzung bekannt. „Ich war wütend, verärgert und auch traurig“ kommentiert nun Partei- und Fraktionsvorsitzender Ingmar Janssen das Geschehen. „Ich habe nicht damit gerechnet, finde den Stil etwas fragwürdig, will das aber nicht weiter kommentieren.“

Schieflage der Lager durch Direktmandat

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Im Vorfeld hätte es keinen Kontakt beider zu Janssen gegeben, mögliche Probleme, auch bezogen auf seine Person, seien nie angesprochen worden konkret, erklärt der Vorsitzende zunächst. Aber von Harmonie spricht er ebenfalls nicht: „Ich wundere mich, warum das nicht alles offen angesprochen wurde.“ Auch könne er nicht verstehen, dass es Kritik in den eigenen Reihen daran gebe, dass gemeinsam mit ihm sowie Ehefrau Manuela und Tochter Jana drei von den bis Montag sechs und nun vier Ratsmitgliedern aus einer Familie stammten: „Wir haben die Liste mit allen gemeinsam beschlossen. Das Jana ihr Mandat direkt gewinnt, konnte man nicht wirklich ahnen, aber dafür will man sie doch nicht bestrafen. Das ist doch toll.“

Peter Kramer erhielt auf der letzten Ratssitzung des alten Rates von Bürgermeister Michael Beck die Ehrennadel der Stadt.
Peter Kramer erhielt auf der letzten Ratssitzung des alten Rates von Bürgermeister Michael Beck die Ehrennadel der Stadt. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

Doch das sehen nicht alle so, auch nicht der ehemalige langjährige Fraktionschef Peter Kramer: „Die Konstellation der künftigen Ratsfraktion war mit ein Grund, warum ich das Mandat am Ende nicht angenommen habe“, nimmt er nun Stellung auf WAZ-Nachfrage. Schon lange habe es in der SPD innerparteilich Konflikte gegeben, zwei Lager seien dort entstanden, „was wir über die Verteilung der Listenplätze gut austariert hatten. Durch das überraschend gewonnene Direktmandat ist dann eine Schieflage reingekommen und ich wollte als Fraktionsvorsitzender keine Themen durchbringen, die ich, wie ich befürchten musste, nicht vertreten kann.“

Langjährige SPDler bedauern Entwicklung

Dennoch bedauere er die die derzeitige Entwicklung, es sei schade für die SPD, die kurz vor der Kommunalwahl auch einige neue Aktive habe einbinden können, es bleibe ja auch abzuwarten, ob manche von den sachkundigen Bürgern der SPD nun in die quasi zweite SPD-Fraktion von Rickal und Billau-Espey wechseln würden. Kramer wünscht sich aber im Sinne der Partei, dass der Konflikt innerparteilich gelöst werde – doch das könnte schwierig werden.

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Das weiß auch das Ehepaar Janssen: „Ja, wir haben ein Problem innerparteilich“, sagt Manuela Janssen, „aber ich hätte mir nun dennoch einen anderen Umgangston gewünscht. Ich verstehe die Situation auch nicht wirklich und bin schon enttäuscht.“ Auch Ingmar Janssen betont: „Die Vorwürfe, die nun gemacht werden, kann ich nicht nachvollziehen. Aber nur, wenn man nichts tut, kann man keine Fehler machen.“ Schließlich gehe es darum, für den Bürger etwas zu erreichen, das sei sozialdemokratische Politik. „Ich habe versucht, alle mit einzubeziehen, habe mit keinem ein persönliches Problem.“

Fehlersuche beginnt nun

Aber es gebe eben manchmal auch externen Druck, „wir haben als SPD vieles durchbringen können, dafür waren natürlich auch Abstimmungen nötig, da konnten wir auch im Vorfeld nicht alles mit jedem besprechen, um das Ergebnis nicht zu gefährden.“

Ein BIld aus besseren Zeiten – obwohl es auch da schon knirschte innerhalb der SPD. Hier ingmar Jassen (l.) und Peter Kramer – und im Hintergrund ein Bild von Willy Brandt – ebenfalls aus besseren SPD-Zeiten.
Ein BIld aus besseren Zeiten – obwohl es auch da schon knirschte innerhalb der SPD. Hier ingmar Jassen (l.) und Peter Kramer – und im Hintergrund ein Bild von Willy Brandt – ebenfalls aus besseren SPD-Zeiten. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Und nun? „Natürlich werde ich auf Fehlersuche gehen, vielleicht habe ich die Situation ja auch falsch eingeschätzt. Das werden wir aber nun intern klären“, so Ingmar Janssen. Grundsätzlich wolle er, nachdem der erste Schock verdaut sei, nach vorne blicken und schließt auf lange Sicht auch nicht aus, gut auch mit der neuen Fraktion Rickals und Billau-Espeys klarzukommen, aktuell sei es natürlich für beide Seiten schwierig. Was er aber ausschließt: „Es kann keine zweite SPD-Fraktion geben!“

Frage nach dem Mandat

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Dass beide ihr Mandat behalten, freut Janssen nicht unbedingt: „Es ist ein Ratsmandat für die SPD und kein direkt Gewonnenes. Es gibt auch Rechte und Pflichten für die Partei. Ich hätte von den Beiden erwartet, dass, wenn sie diesen Schritt gehen, aus der Fraktion auszutreten, das auch konsequent tun und nicht ihr Mandat behalten und eine eigene Fraktion gründen.“ So habe ja auch neben Kramer ja auch Axel Pollert sein Mandat gar nicht erst angenommen.

Da müsse dann im Zweifel nun auch darüber nachgedacht werden, ob Rickal und Billau-Espey ihre SPD-Mitgliedschaft werden behalten können oder der Austritt aus der Fraktion nicht auch Grund für ein Parteiausschlussverfahren seien. Doch dabei bleiben, das wollen beide eigentlich und stehen zu den Kommunalwahlthemen – und betonten in ihrer Erklärung, weiterhin für Kernthemen der SPD eintreten und diese mit voranbringen zu wollen.

Mögliches neues Fraktionsmitglied?

Marco Schild ist aus der AfD ausgetreten. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende überlegt nun, wie es im Rat für ihn weitergeht.
Marco Schild ist aus der AfD ausgetreten. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende überlegt nun, wie es im Rat für ihn weitergeht. © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Doch möglicherweise wird die SPD-Fraktion nicht lange nur aus vier Mitgliedern bestehen. Seit Tagen kursiert in der Stadt bereits das Gerücht, dass der ehemalige AfD-Fraktionsvorsitzende Marco Schild, der aus der AfD ausgetreten ist und sich im WAZ-Interview deutlich von der Partei distanziert hatte, vielleicht bei den Sozialdemokraten eine neue politische Heimat finden könnte. „Es hat verschiedene Gespräche gegeben“, bestätigt Schild, „als Erstes ist sogar die CDU für ein Gespräch auf mich zugekommen.“

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Er selber könne sich sehr gut vorstellen, in der SPD eine neue Heimat zu finden, „ich fände es schön, wenn man mich aufgrund meiner Parteivergangenheit nicht vorverurteilen würde. Ich würde mich sehr gerne für die Ziele der SPD einsetzen, da gab es ja auch in der Vergangenheit große Schnittmengen.“ Auch Ingmar Janssen bestätigt Gespräche mit Schild: „Er hat sich der AfD entzogen und eine positive Entwicklung durchgemacht. Aber über eine mögliche Aufnahme müsste die Fraktion entscheiden.“

Die Entwicklungen in der Sommerpause – das Aus der AfD-Fraktion durch Marco Schilds Austritt, somit drei fraktionslosen Mandatsträgern (Schild, Malisch, Döbbele) sowie die neue Fraktion von Thomas Rickal und Billau-Espey, sie haben möglicherweise auch Auswirkungen auf die städtischen Gremien. Wie und ob diese neu aufgestellt werden müssen, lesen Sie in einer unserer nächsten Ausgaben.