Heiligenhaus. Reinhard Schneider hat vier Jahrzehnte lang das Museum Abtsküche in Heiligenhaus geführt. Nun gibt es Ärger rund um die Aufräumarbeiten im Keller
Es ist ein Blick, der mehr sagt, als tausend Worte: Reinhard Schneider betrachtet die Karten, die er gemeinsam mit Jürgen Karrenberg und Merle Lotz aus dem Container vor dem Museum Abtsküche gefischt hat. Sie sollten entsorgt werden. Schneiders Augen sind voller Tränen, es sind viele geflossen in den letzten Tagen, seitdem das neue Team im Museum verkündet hat, sich nun von vielen Dingen trennen zu wollen und den Keller aufzuräumen – natürlich nur, was entsorgt werden könne, betonten sie. „Ich begreife die Welt nicht mehr. Das, was hier jetzt passiert, damit habe ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet. Das hat weder mit Respekt noch mit Kenntnis zu tun“, so Schneider.
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Angefangen habe alles mit einem Streit um den Ausbau der Museums-Teeküche. „Wir vom Museumsteam und der neue Vorstand des Geschichtsvereins hatten da andere Auffassungen. Ich habe dann gesagt: Wir machen unser Ding und ihr eures“, aber das habe nicht funktioniert. Als Konsequenz kündigte Schneider, er sowie Karrenberg und Lotz zogen sich aus der Arbeit zurück. Und plötzlich kam Schneider, der mehr als vier Jahrzehnte das Museum prägte, nicht einmal mehr in sein Büro: „Nur auf Intervention des Bürgermeisters wurde mir ein neuer Schlüssel ausgehändigt“, so Schneider. Denn im Museum lagern auch einige Sachen aus Schneiders Privatbesitz: „Hätte ich gewusst, wie mit den Sachen umgegangen wird, hätte ich doch viel mehr rausgeholt“, sagt er mit feuchten Augen.
Der größte Teil der Exponate liegt im Keller
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Nun werde durch das neue Team aufgeräumt, ohne die, die es bislang geführt haben, zu fragen, was hier eigentlich nach welcher Ordnung vorhanden sei. „Es stimmt, ich habe schon sehr viel gesammelt und mich auch schlecht von Dingen trennen können“, sagt Schneider. „Das hat aber nichts Messi-mäßiges, wie es jetzt dargestellt wird. In einem Museum wird gesammelt, bewahrt und ausgestellt“, so Schneider und nimmt weiter Stellung zu den Aussagen des neuen Museumsteams: „Ja, der Keller ist für die vielen Exponate auch wirklich zu klein. Aber in einem Museum sind 80 bis 90 Prozent des Inventars nicht sichtbar, manche werden nie ausgestellt. Dafür gibt es ja dann die Sonderausstellungen, und davon habe ich reichlich gemacht.“ Und ja, sicherlich habe man mal wieder aufräumen müssen, „da gibt es sicher Dinge, von denen man sich trennen kann.“ Niemand habe ihn jedoch gefragt, ob man mal eine gemeinsame Übergabe machen wolle. Jürgen Karrenberg ergänzt: „Ich habe damals gesagt, egal, wie die Situation ist, ich bin da, wenn ihr eine Einweisung haben wollt. Aber das war nie gewünscht.“
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So müsse man nun den Eindruck haben, „die Neuen kommen und schmeißen erstmal alles weg, aber ohne Sinn und Verstand. Es ist für mich wie eine bösartige Burlesque, was hier gerade stattfindet“, findet Schneider klare Worte. Merle Lotz ergänzt: „Die eigentliche Frage ist doch hier: Wer trägt für all das die Verantwortung?“ Denn Reinhard Schnulze-Neuhoff als Vorsitzender des Geschichtsvereins sei es offensichtlich nicht; in einer Nachricht an Reinhard Schneider ließ er diesen wissen, er wolle dessen Anmerkungen weitergeben, da er an der Verwertung des Kellers nicht beteiligt sei. „Ja, da frag ich mich, wer entscheidet das alles derzeit? Und basieren die Entscheidungen auf fundiertem Wissen? Ich muss sagen, ich glaube nicht“, so Schneider.
Nicht nur materieller, sondern auch ideeller Schaden
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Als Beispiel nennt er eben diese Wandkarten, die er aus dem Container fischte. „Das sind historische Karten mit Wachsmuth-Illustrationen. Abgesehen vom ideellen Wert werden hier Sammlerstücke einfach entsorgt, die einen Wert von 40 bis 70 oder sogar 150 bis 450 Euro haben“, ist Schneider, wie er selber sagt, noch immer geschockt. „Hier wird die jahrzehntelange Arbeit einfach mit Füßen getreten“, ergänzt Merle Lotz und berichtet, wie sie den aktuellen Kurator beobachtete, wie er diese Karten mit den Füßen versuchte, kleiner zu treten und in den Container warf. „Man hätte diese Karten nicht nur verkaufen können, sondern auch anderen Museen spenden können, auch das Waldmuseum hätte sich sicher über das ein oder andere gefreut“, so Lotz.
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Wie mit Füßen getreten empfinden sie nun auch den Umgang des Geschichtsvereins mit ihnen und dem, was sie aufgebaut haben. Über 40 Jahre, erinnert sich Schneider zurück, hat er hier gewerkelt. Durch Zufall sei er an diese Funktion gekommen, „am Anfang hatte ich doch auch noch keine Ahnung, wie man ein Museum führt. Aber ich habe viele Museen besucht, viel Literatur besorgt und mich eingelesen. Ich habe viele Jahre gebraucht und mir mein Wissen angeeignet, nicht nur Mühe, sondern viel Herz ins Museum gesteckt. Mit Erfolg“, ist Schneider stolz, dass mit mehr als 10.000 Besuchern in der Abtsküche pro Jahr seit 2003 manch andere, viel größere Museen in der Umgebung ganz blass vor Neid wurden.
Wut, Trauer und Verständnislosigkeit
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Auch das Vertrauen habe man sich aufgebaut, „viele brachten uns für Sonderausstellungen Objekte, wir hatten auch viele wertvolle Schenkungen. Wie will das neue Team sich nun gegenüber den vielen Bürgern rechtfertigen, dass sie einfach ihre Sachen entsorgen?“, fragt sich Schneider. Viele Menschen hätten sich in den letzten Tagen bei ihm gemeldet, Wut und Trauer ausgedrückt und Verständnislosigkeit. „Die Menschen kamen wegen der Atmosphäre, wegen der Veranstaltungen, haben sich wohl gefühlt und an den vielen Sachen erfreut. Und viele fanden den Keller auch beeindruckend, ich hatte sogar überlegt, Führungen anzubieten“, so Schneider. Ein Museum, das sammle einfach. Und präsentiere, erinnert er sich an seine erste Sonderausstellung zum Thema Handarbeit. Seine Letzte zum Thema Apotheken konnte pandemiebedingt kaum jemand sehen. Schade, wie er findet.
Bürgermeister: Sammlung wird jetzt fachkundlich begleitet
Irritiert über die derzeitige Situation zeigt sich auch Bürgermeister Michael Beck. „Die Stadt stellt ausschließlich die Immobilie zur Verfügung, der Geschichtsverein führt die Heimatkundliche Sammlung seit vielen Jahren mit Bravour“, so Beck. Er habe sich einen anderen Übergang gewünscht und einen anderen Umgang. „Wir sind dem alten Museumsteam unendlich dankbar und wertschätzen die Arbeit sehr, finden es aber auch toll, wie viel Engagement die neuen Personen in die Arbeit stecken.“ Ein Gespräch hat es bereits zwischen Beck und Reinhard Schulze-Neuhoff gegeben, man sei sich einig, für die weiteren Arbeiten zunächst die fachliche Expertise beim Rheinischen Museumsamt in Köln einzuholen. Bis dahin ruhen die weiteren Aufräumarbeiten. Mit Schneider und seinem Team wolle Beck nun ebenfalls ein Gespräch führen.