Heiligenhaus. Der Heiligenhauser Bürgermeister Michael Beck schildert, wie die Corona-Krise die Stadt trifft. Ein Effekt bereitet ihm besonders große Sorgen.
Mit voller Wucht hat die Corona-Krise auch Heiligenhaus getroffen, das öffentliche Leben ist weiterhin stark eingeschränkt. Im WAZ-Interview erläutert Bürgermeister Michael Beck, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Stadt hat.
Herr Bürgermeister, eine persönliche Frage vorab: Wie geht es Ihnen und Ihrer Familie?
Michael Beck: Uns geht es gut. Natürlich leiden auch wir als Familie unter Problemen wie Lagerkoller. Nun haben wir aber ein Trampolin aufgestellt, das ist gut für die Kinder.
Und wie ist die Situation bei den Mitarbeitern der Stadt?
Auch hier hat es zum Glück keine Corona-Erkrankungen gegeben. Wir haben allerdings schon sehr frühzeitig eine Prioritätenliste erstellt, wer zu einer Risikogruppe gehört oder in der Familie eine gefährdete Person hat und von zuhause aus arbeiten kann. Zudem wechseln sich Mitarbeiter in Doppelbüros mit Home Office ab, so dass immer nur einer vor Ort ist.
Ist die Corona-Krise die größte Herausforderung für die Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg?
Ganz klar ja. Denn hierbei geht es nicht nur um wirtschaftliche Aspekte, sondern auch um Menschenleben. Wir kämpfen gegen etwas, das man nicht hören, riechen oder sehen kann. Jedoch fürchte ich auch, dass die wirtschaftlichen Verwerfungen weit über die der Finanzkrise von 2008 hinausgehen werden.
Was sind beziehungsweise waren die größten Probleme für die Stadt bei der Bekämpfung der Pandemie?
Zunächst mussten wir gleich von Beginn an für die Notwendigkeit der Maßnahmen werben, dass etwa schon ab Mitte März alle Veranstaltungen in der Stadt abgesagt wurden. Dann mussten wir die Vorgaben zum Kampf gegen Corona immerhalb kürzester Zeit umsetzen und Strukturen aufbauen. Da sind wir auch dem Technischen Hilfswerk sehr für seine Amtshilfe dankbar, dass es schon frühzeitig für uns Kontrollfahrten übernommen hat und uns so entlastet.
Was haben Sie noch an Maßnahmen ergriffen?
Wir haben uns auch samstags und sonntags zusammengesetzt, um Abläufe für die Corona-Krise vorzubereiten. Wir haben in Heiligenhaus aber auch den Vorteil, dass wir bereits vor Jahren einen Stab für außergewöhnliche Ereignisse aufgebaut hatten, das kam uns nun sehr zugute. So konnten wir etwa schnell verschiedene Bereiche in den Krisenstab einbeziehen wie den Immobilien- oder den Schulbereich, um handlungsfähig zu bleiben. Und bei den Technischen Betrieben beispielsweise haben wir die Kolonnen auseinandergezogen und auf vier Stellen in der Stadt aufgeteilt, damit im Falle von Erkrankungen Infektionsketten durchbrochen werden. Daneben haben wir im Rathaus eine Telefon-Hotline mit fünf Kollegen für die Bürger eingerichtet. Dort konnte geklärt werden, wie dringend Anliegen sind und dafür auch Termine vergeben werden.
Wie hart werden die wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Krise für die Stadt sein?
Das kann man jetzt noch nicht genau bewerten, aber sie werden, wie gesagt, die Auswirkungen der Finanzkrise übertreffen. Allerdings wurde nun bereits frühzeitig das Kommunalschutz-Paket vom Land auf den Weg gebracht. Das kann aber nur ein erster Schritt bei den Hilfen sein, die wir auch noch in den kommenden Jahren und wohl auch Jahrzehnten benötigen werden.
Stehen Leistungen der Stadt, etwa im sozialen Bereich, zur Disposition?
Mehr Präsenz der Ordnungsbehörde
Um die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsvorschriften zu kontrollieren, hat die Stadt auch Kollegen und Kolleginnen eingesetzt, die nicht originär in dem Bereich der Ordnungsbehöre tätig sind, „aber eine gewisse Affinität dazu haben“, wie Bürgermeister Michael Beck sagte. Diese seien beispielsweise Vollstreckungskräfte für die Stadtkasse.
Die Teams seien dann so gemischt worden, dass immer ein Kollege von den Ordnungsbehörden dabei war. „Auf diese Weise konnten wir mehr Präsenz auf der Straße zeigen, auch die Zusammenarbeit mit der Kreispolizei läuft hier traditionell sehr gut“, so Beck weiter. Klar sei aber: „Überall können wir auch mit diesen Teams nicht sein.“
Auch das kann man noch gar nicht abschätzen. Wir müssen erst sehen, wie sich die Krise weiterentwickelt.
Was halten Sie von den vergangene Woche eingeführten Lockerungen?
Das betrachte ich kritisch – die Argumente dazu konnten mich nicht an jeder Stelle überzeugen. Wichtig ist, dass die Menschen auch weiterhin diszipliniert die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten und nicht der Eindruck erweckt wird, dass wir schon über dem Berg sind.
Und wie beurteilen Sie die Maskenpflicht ab Montag, etwa beim Einkaufen?
Darüber bin ich sehr froh. Wenn ich sehe, dass in Jena, wo die Maskenpflicht schon früher eingeführt wurde, keine nennenswerten Infektionsfälle mehr zu verzeichnen sind, ist es der richtige Schritt.
Wie viele Sorgen haben Sie vor einer zweiten Corona-Welle?
Davor habe ich große Angst. Dann müssten wir die Lockerungen und Freiheiten wieder zurückdrehen, was für das öffentliche Leben und die Wirtschaft wieder sehr schwer würde.