Heiligenhaus. Die Heiligenhauserin Anna Molitor beherrscht die Kunst des Märchenerzählens: Wer ihr einmal lauscht, will Hänsel&Gretel nie wieder anders hören.

Vielleicht hat alles mit dem Märchenbuch der Uroma begonnen, das Anna Molitor in der dritten Klasse zum ersten Mal komplett durchgelesen hat und das mittlerweile schon ziemlich mitgenommen aussieht. Vielleicht liegen die Ursprünge ihrer Liebe zu Märchen aber auch noch ein ganzes Stück weiter zurück. Denn „Brauchtumspflege war in unserer Familie immer wichtig, meine Großeltern haben viele Märchen vorgelesen“, erzählt die dreifache Mutter, „und ich habe früh gelernt, dass sie gut für die Seele sind, weil es ja sehr oft ein Happy End gibt.“ In einem Schrank im Wohnzimmer stehen circa 30 Märchenbücher – große, kleine, schon recht alte und solche mit neueren Märchen. „Das sind aber noch nicht alle“, schmunzelt Anna Molitor, „insgesamt dürften es rund 50 Bücher sein“.

Anna Molitors allerstes Märchenbuch stammt noch aus ihrer eigenen Kindheit.
Anna Molitors allerstes Märchenbuch stammt noch aus ihrer eigenen Kindheit. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Nur ihren Kindern und den Tageskindern vorzulesen und vor allem frei zu erzählen, welchen Schatz diese Bücher beherbergen, das reichte ihr aber irgendwann nicht mehr: Seit einiger Zeit ist Anna Molitor als professionelle Märchenerzählerin in Heiligenhaus unterwegs, hat sowohl bereits auf dem Stadtfest in der Märchenjurte als auch in der Stadtbücherei von Drachen, Zauberern und wundersamen Begegnungen erzählt.

Anna Molitor wollte schon früh Märchenerzählerin werden

„Die erste Märchenerzählerin habe ich auf einem Mittelaltermarkt getroffen, das ist fast 15 Jahre her. Schon da habe ich mir gedacht, dass das auch etwas für mich wäre, aber zunächst diese Idee aufgeschoben.“ Denn wenn, dann wollte sie das Projekt „Märchen“ auch richtig angehen und das Erzählen in einem Kurs erlernen. Vor drei Jahren gab es dann endlich die Gelegenheit: „Der Kurs hat in Rösrath stattgefunden und ging über eineinhalb Jahre. In diesem Zeitraum haben wir neun Teilnehmerinnen uns neun ganze Wochenenden getroffen und uns zum einen mit Theorie beschäftigt, zum Beispiel wer die Grimms waren und wie sie auf die Idee kamen, Märchen zu sammeln. Zum anderen aber auch um die tiefenpsychologischen Elemente und es wurde erarbeitet, wie man Märchen vorträgt.“ Geachtet werden muss auf nicht allzu viel, Gestik und Mimik sind aber nicht unwichtig. Vor vielen Leuten zu sprechen, das macht Molitor, die sich auch für das Mittelalter begeistert und bei den Grünen engagiert, nichts aus: „Ich habe von klein auf auf der Bühne gestanden, erst mit der Geige und später beim Theaterspielen.“

Das Märchen kommt zur Erzählerin

In einem Punkt ist sich die engagierte Mutter und Tagesmutter ganz sicher: „Das Märchen kommt zur Erzählerin. Es hat immer einen Grund, warum man sich für genau dieses oder jenes Märchen entscheidet.“ Und manchmal, wenn ihr eine Freundin oder ein Bekannter von einem Problem erzählen, sagt sie: „Hey, ich hab da ein Märchen für Dich.“ Was Molitor bedauert ist die Tatsache, „dass es ganz vielen Menschen an der Zeit fehlt, sich einfach mal hinzusetzen und zuzuhören. Erwachsene können nicht besser zuhören als Kinder, viele haben das verlernt oder finden es zu anstrengend.“ Für ihre kleinen Zuhörer lässt sich die „Märchentante“ auch noch ein paar Extras einfallen:In ihrer Märchentruhe befinden sich ein Spiegel, der Zopf von Aschenputtel, der Wolf von Rotkäppchen und der Froschkönig – und selbstverständlich trägt sie bei Veranstaltungen auch die passende Kleidung. „Wenn die Kinder sich die kichernde Hexe und den fauchenden Drachen vorstellen können, dann habe ich einen guten Job gemacht“.

Ein Lieblingsmärchen gibt es nicht

Ihre eigene Familie hört vor allem im Urlaub gerne zu, fachlichen Austausch hat sie weiterhin mit den Teilnehmerinnen der Märchenerzählerausbildung. Und ein Lieblingsmärchen? „Nein, das hab ich nicht, es gibt für jede Lebensphase unterschiedliche Märchen, die gut dazu passen.“ Auf englisch, auf deutsch, mit und ohne Happy End – „da gibt es auch einige, die sind aber nicht so bekannt und definitiv nichts für Kinder“ – ein Leben ohne Märchen kann sich Anna Molitor nicht so recht vorstellen. Und freut sich auf die nächste Gelegenheit, bei der sie eine Veranstaltung mit den Worten „Es war einmal...“ beginnen kann.