Heiligenhaus. Antidepressiva, Blutdrucksenker, Schmerzmittel: Lieferengpässe belasten Patienten und Apotheker. Die Ursache dafür liegt auf der Hand
„Leider ist dieses Präparat derzeit nicht erhältlich“: Das bekommen auch in Heiligenhaus immer mehr Menschen zu hören, wenn sie in die Apotheke gehen. Insbesondere bei Blutdruckmitteln, Antidepressiva und manchen Schmerzmitteln treten zunehmend Lieferengpässe auf. Und das mit zum Teil schwerwiegenden Folgen, wie Inge Funke, Sprecherin des Apothekerverbandes für den Kreis Mettmann, ausführt.
Kostendruck auf Pharma-Unternehmen führt zu Medikamentenengpässen
So müssten Patienten teilweise Wochen oder gar Monate auf das vom Arzt verschriebene Mittel warten. Hintergrund dafür sei der Kostendruck auf Pharma-Firmen, mit denen die Krankenkassen Rabattverträge abgeschlossen hätten. „Das führt dazu, dass 90 Prozent der Medikamenten-Grundstoffe in Fernost produziert werden. Teurere Grundstoffe sind dagegen fast unverkäuflich“, schildert Inge Funke. Doch: „Sinkende Preise gehen nicht mit Qualität einher.“
Kleine Anbieter halten dem Kostendruck häufig nicht stand
Wenn dann noch „ein Rädchen wegbricht“ – etwa wenn ein Hersteller die Segel streichen muss oder eine Fabrik aufgrund eines technischen Defektes ausfällt (wie unlängst bei einem Produzenten des Schmerzmittels Ibuprofen), wird es eng. „Dann bekommen wir beispielsweise statt 100 bestellter Packungen eines Medikaments nur zehn Stück geliefert“, schildert die Apothekerin weiter.
Rücksprache mit den Ärzten bei Ausgabe von Alternativpräparaten
Patienten haben Stress
In ihrer Apotheke in Hilden erlebt Inge Funke immer häufiger, dass Patienten panisch reagieren, wenn das gewünschte Medikament nicht mehr vorrätig ist. „Sie haben dann Angst, dass die Versorgung nicht mehr rechtzeitig gewährleistet ist“, sagt die Apothekersprecherin für den Kreis Mettmann. Bislang würden sie und ihre Mitarbeiter es aber immer noch schaffen, für jeden Patienten eine Lösung zu finden. Das sei aber teils ein Kraftakt: Dafür müsse sie mittlerweile täglich eine Kraft für einen halben Tag abstellen, die sich dann um die Medikamenten-Bestellung kümmere.
Ist dann das verschriebene Präparat nicht vorrätig, muss etwa ein alternatives Mittel herausgegeben werden. Doch das ist nicht einfach so zu machen: „Wir müssen in diesem Fall bei dem behandelnden Arzt Rücksprache halten, ob das in Ordnung ist“, berichtet Inge Funke. Dies sei auch mit hohem Zeitaufwand verbunden.
Eine weitere Möglichkeit sei es, Patienten etwa ein doppelt so hoch dosiertes Präparat zu geben – verbunden mit der Maßgabe, dieses in der Mitte durchzubrechen und so nur die Hälfte einzunehmen. Besserung sei auch nicht in Sicht: „Das Problem mit den Lieferengpässen spitzt sich weiter zu.“
Herausgabe eines Alternativmedikamentes nur nach Rücksprache mit dem Arzt
All das kann der Apotheker Dr. Peter Rüngeler von der Löwen-Apotheke auf der Hauptstraße nur bestätigen. „Es liegt wirklich am Kostendruck. Und wenn wir dann auf ein Alternativpräparat umstellen müssen, bei dem nur die Verpackung anders als die gewohnte aussieht, aber sonst alles gleich ist, verunsichert das vor allem die älteren Kunden schon sehr. Sie zeigen zwar meistens Verständnis, aber so richtig zufrieden sind sie nicht.“
Müsste wirklich mal auf eine andere Dosis ausgewichen werden, sei es extrem wichtig, dass die Kunden richtig zuhörten. „Wenn wir tatsächlich mal ein doppelt so hoch dosiertes Präparat ausgeben müssen, müssen wir wirklich sicher sein, dass der Patient das wirklich versteht was wir ihm erklären, ansonsten ist das keine Alternative.“ Letztlich helfe dann nur das Gespräch mit dem behandelnden Arzt, ob nicht doch ein anders Medikament gewählt werden könne.
Erlebt hat der Apotheker eine solche Situation in seiner gesamten beruflichen Laufbahn noch nicht. „Natürlich gibt es immer mal wieder saisonal bedingte Engpässe, etwa Impfstoffe während der Grippezeit. Aber so etwas hatten wir noch nie. Und niemand weiß wirklich, wann sich die Situation wieder entspannt.“