Heiligenhaus. . Betroffene sollen nicht vereinsamen, sondern am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Dabei hilft der nächste Erfahrungsaustausch im Ratskeller.

Dass Blinde und Sehbehinderte wie selbstverständlich zum örtlichen Stadtbild gehören, das möchte Tamara Ströter, Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenvereins für den Kreis Mettmann, erreichen. Dazu zählt für sie auch, dass sich Betroffene zu erkennen geben und, wenn sie nicht den typischen weißen Langstock verwenden, eine Armbinde oder einen Anstecker mit den drei schwarzen Punkten auf gelben Grund tragen. „Viele schämen sich aber und wollen sich nicht kennzeichnen“, sagt Ströter. Betroffene hätten Angst vor Stigmatisierung oder dass sie dadurch leichter zu Opfern von Raubüberfallen oder Taschendiebstählen werden.

© Oliver Kühn

„Meine Erfahrungen sind aber alle super“, sagt Vorstandsmitglied Gisela Theuergarten aus Heiligenhaus. Ohne eine Kennzeichen „fühle ich mich unsicher“. Mitmenschen seien sehr hilfsbereit, wenn sie den Stock oder das Blindensymbol erkennen – vor allem aber die Verkäuferinnen in den Geschäften.

Über solche Erfahrungen etwa wollen sich die Vereinsmitglieder beim nächsten Treffen in Heiligenhaus austauschen und versuchen, neue Mitstreiter zu gewinnen. Zum allmonatlichen Erfahrungsaustausch laden sie am Mittwoch, 5. September, ab 17 Uhr in den Ratskeller an der Hauptstraße 144 ein.

Sehende wüssten oft nicht, wie sie Blinde ansprechen sollen

Hilfsbereit seien aber nicht nur Verkäuferinnen, sondern vor allem die Mitglieder untereinander. „Mein Hobby ist Telefonieren“, sagt Gisela Theuergarten und lacht, denn oft berate sie Betroffene, welche Rechte sie haben und wie sie sich ohne Augenlicht ihren Alltag erleichtern können. „Teilhabe ist unser größtes Thema“, sagt Tamara Ströter, doch es fehle eine starke Lobby.

Die Vorsitzende Tamara Ströter (von links), Unterstützer Uwe Gunia und Gisela Theuergarten (Beisitzerin) hoffen auf möglichst viele Interessierte beim nächsten Erfahrungsaustausch im Ratskeller.
Die Vorsitzende Tamara Ströter (von links), Unterstützer Uwe Gunia und Gisela Theuergarten (Beisitzerin) hoffen auf möglichst viele Interessierte beim nächsten Erfahrungsaustausch im Ratskeller. © Oliver Kühn

Daher appelliert sie an alle Blinden, am gesellschaftlichen Leben in Heiligenhaus und den Nachbarstädten teilzunehmen und so auch sichtbar zu machen, wie viele dort überhaupt im Kreis wohnen. Gerade den Umgang mit Sehenden wollen die Vereinsmitglieder normalisieren. Keine leichte Aufgabe, findet Tamara Ströter: „Bekanntschaften zu knüpfen, wenn man keinen Augenkontakt aufnehmen kann, ist schon schwieriger.“

Auch wüssten Sehende oft nicht, wie man Blinde ansprechen und behandeln solle. „Zu fragen, ob man Hilfe braucht und wie man genau helfen kann, ist meist ein guter Anfang.“ Doch der Verein gebe auch sehr viel Hilfe zur Selbsthilfe – etwa wie man ohne Sehvermögen seine Wohnung so gestaltet, dass man sich möglichst problemlos darin zurecht findet oder wo man gute Trainer für den Langstock findet.

Blindengerechte Ampel am Rathaus gefordert

Zusätzlich ist er in Heiligenhaus und andernorts als Interessensvertretung auch politisch aktiv. So habe Gisela Theuergarten bereits seit Jahren gute Erfahrung mit der Verwaltung gemacht und sich unter anderem erfolgreich für Sitzbänke in der Innenstadt eingesetzt; ebenfalls für blindengerechte Ampeln – nur sind diese durch den Umbau der Hauptstraße wieder verschwunden.

Diese Straße zu überqueren, um vielleicht zum Rathaus zu kommen, „das ist ganz gefährlich, denn viele Autofahrer halten sich nicht an die Geschwindigkeit.“ Daher fordert der Verein, dass eine Blindenampel an der Hauptstraße zurückkehrt, idealerweise in der Nähe des Rathauses, und sucht dafür Unterstützer in der Verwaltung und in der Politik.

Verein betreibt zudem Lobbyarbeit

Ohne sehenden Begleiter seien zudem Spaziergänge schwierig, so Theuergarten, „denn alle Nebenstraßen sind furchtbar“, wegen unebener Bodenplatten. „Barrierefreiheit wird außerdem oft mit rollstuhlgerecht verwechselt“, ergänzt Ströter, auch im Rathaus, wo zum Beispiel die Zimmernummern nicht mit erfühlbaren Schildern versehen sind. „Wir kämpfen für alle Betroffenen“, sagt die Vorsitzende Tamara Ströter, „und je mehr wir werden, desto stärker wird unsere Lobby.“

>> Regelmäßige Treffen in Heiligenhaus und Velbert

  • Der Blinden- und Sehbehindertenverein im Kreis Mettmann ist in sieben Städten vertreten. Er trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat im Ratskeller (17 Uhr), und jeden zweiten Dienstag in Velbert im DRK-Treff am Wordenbecker Weg 51 (15 Uhr). Ergänzt werden diese Treffen durch Versammlungen und Fachvorträge in Wülfrath.
  • Der Verein hat derzeit 66 Mitglieder, darunter auch Angehörige und ehrenamtliche Unterstützer sowie Menschen, die durch Krankheit zu erblinden drohen. Kontakt: Gisela Theuergarten, 02056/ 60750.