Heiligenhaus. . Fast 160 Jahren besteht der Schlösser- und Beschlägehersteller. Digitalisierung eine große Bedeutung bei Produkten und in den Werken. Teil 1.
Kaum ein Traditionsunternehmen ist so eng mit Heiligenhaus verknüpft wie der Schlösser- und Beschlägehersteller Fuhr. Dass einmal sogar eine Straße seinen Namen trägt, hätte Firmengründer Carl Fuhr vermutlich nicht gedacht, als er im Jahr 1859, nach der Schlosserlehre, seinen Einmannbetrieb für Eisenkleinwaren in Heljens aufbaute. Doch nicht nach ihm ist die heutige Adresse der Zentrale benannt, sondern nach seinem Enkel. Der jüngere Carl Fuhr war zwar auch Firmenchef, aber zugleich der erste Nachkriegsbürgermeister der Stadt, und er war Landtagsabgeordneter.
Mit Andreas Fuhr führt heute bereits die fünfte Generation den Familienbetrieb. Sein Weg dorthin war jedoch von einem schweren Schicksalsschlag begleitet, der ganz Heiligenhaus bewegte. Seine Eltern Carl-Hermann und Marianne Fuhr starben bei einem Flugzeugunglück, sie waren an Bord der Concorde, die am 25. Juli 2000 von Paris nach New York gestartet war, aber Feuer fing und abstürzte. Der einzige Firmenerbe Andreas Fuhr war damals erst 17 Jahre alt.
Dass der Familienbetrieb aufgegeben werden sollte, stand jedoch außer Frage, sagt Marketing-Chefin Andrea Banning. Der langjährige Mitarbeiter Johannes Theil übernahm als Geschäftsführer, später löste ihn Dr. Florian Hesse ab. „Andreas Fuhr gehörte zum Beirat und war immer über alle wichtigen Entscheidungen informiert“, sagt Banning. Inzwischen hat Andreas Fuhr sein Erbe angetreten und leitet den Betrieb seit 2013.
„Der Trend geht zum Motorschloss“
Die Carl Fuhr GmbH sieht sich auch nach fast 160 Jahren gerüstet für die Zukunft. So habe sie in den 1970ern den Produktschwerpunkt auf Fensterbeschläge verlagert und sei dann 1985 sogar in die Industriegeschichte eingegangen: „Wir sind der weltweit erste Hersteller von Mehrpunktverriegelungen“, sagt Banning. Natürlich ist man stolz auf frühere Erfolge, doch das Unternehmen legt großen Wert darauf, neue Produkte zu entwickeln und stellt weiterhin auf großen Fachmessen der Branche seine Neuheiten vor.
„Der Trend geht zum Motorschloss“, längst nicht nur bei Firmen, sondern auch bei Privatleuten, sagt der Leiter des Produktmanagements, Frank Theil. Er ist der Sohn des früheren Geschäftsführers. Ein Motorschloss verriegelt automatisch, wenn die Tür zugezogen wird.
Auch Handys können nun Türen öffen
Ohnehin sei heutzutage neben Sicherheit vor allem Komfort gefragt – und dies biete die Firma Fuhr mit ihren Lösungen für die Industrie und den Fachhandel. Besonders modern und gefragt sind laut Theil biometrische Zutrittskontrollen. „Dass man den Ersatzschlüssel unterm Blumentopf oder unter der Fußmatte versteckt“, sei überholt, „denn den eigenen Finger hat man immer dabei.“ Der Sensor liest nicht nur den Fingerabdruck, auch Körperwärme, und er fragt gespeicherte Fingerbewegungen ab.
Zudem gibt es viele weitere technische Möglichkeiten: Funkschlüssel oder Transponder, die in der Hosentasche bleiben können, wenn man die Haustür aufschließt. „Inzwischen wird auch eine WLAN-Box mit einem Motorschloss verheiratet“, sagt Theil. „So kann man Türen mit dem Handy öffnen“, auch wenn man selbst nicht zuhause ist – außerdem gehört eine entsprechende Videogegensprechanlage künftig zur Produktpalette von Fuhr.
Für neue Werke in Heljens wird’s eng
Doch nicht nur die Produkte werden immer moderner, auch die Firma selbst. „Wir setzen stark auf die Digitalisierung“, sagt Andrea Banning. So ist das Werk 1 an der Carl-Fuhr-Straße weiter aufgerüstet. Die Mitarbeiter können auf großen Bildschirmen an den Werkbänken die Kundenaufträge sehen sowie einzelne Arbeitsschritte, etwa für die Montage eines Türschlosses.
Ohnehin sei ein Erfolgsrezept, dass Fuhr stetig gewachsen und moderner geworden ist. Neben den Werken 1 bis 4 in Heiligenhaus Tochterunternehmen Smart Wireless in Köln, das Elektronik für Fuhr – aber auch andere Kunden – entwickelt und fertigt, existieren noch weitere Standorte in Polen, England und in den Niederlanden. Sollte Fuhr künftig neue Werke in Heljens bauen müssen, „ist es hier langsam eng“, so Andrea Banning. Doch die Marketing-Leiterin kann beruhigen: „Wir schielen nicht nach Velbert, die Zentrale ist und bleibt in Heiligenhaus, und hier wird auch ständig investiert.“
>> Auszubildende bleiben oft bis zur Rente
Die Carl Fuhr GmbH zählt sich zu den Marktführern ihrer Branche, und Anteil an diesem Erfolg haben natürlich auch die Mitarbeiter, von denen es alleine in Heiligenhaus gut 240 gibt. So komme es oft vor, dass viele von der Ausbildung bis zum Ruhestand beim Unternehmen bleiben. „Einige Mitarbeiter sind sogar in der zweiten oder dritten Generation bei uns beschäftigt“, freut sich Marketing-Leiterin Andrea Banning. Sie verweist auch darauf, dass sich die Firma und Inhaberfamilie ihrer sozialen Verantwortung bewusst ist; aktuell arbeiten 18 Schwerbehinderte am Stammsitz in Heiligenhaus und es besteht eine Kooperation mit einer Behindertenwerkstatt.
Dem Fachkräftemangel in der Branche, insbesondere bei Handwerksberufen wie dem Schlossmacher, begegnet das Unternehmen unter anderem, indem es selbst ausbildet. Außerdem ist bei Fuhr ein duales Studium möglich. Neben einer Kooperation mit der Hochschule Bochum besteht zudem eine Zusammenarbeit mit der hiesigen Gesamtschule. Diese soll Schüler bei der Berufsorientierung unterstützen und dem Schloss- und Beschlägehersteller helfen, guten Nachwuchs zu gewinnen.
>> Standorte in vier europäischen Ländern
- Die Firma Carl Fuhr hat Standorte in vier Ländern. Der Hauptsitz ist in Heiligenhaus mit gut 240 Mitarbeitern und die Tochter Smart Wireless in Köln hat fünf Mitarbeiter. In Polen sind etwa 15 Menschen beschäftigt, die in der dortigen Niederlassung unter anderem Produkte für Osteuropa montieren. In den Niederlanden arbeiten zwölf Mitarbeiter im Lager und im Vertrieb, und in England sind es sechs Mitarbeiter.
- Weitere Informationen gibt es im Internet auf fuhr.de