Heiligenhaus. . Andreas Fuhr ist jetzt Firmen-Geschäftsführer. Damit leitet die fünfte Generation das Heiligenhauser Familienunternehmen. Seine Eltern starben 2000 beim Concorde-Absturz.

Der Fingerabdruck-Scanner am Eingang zur Firma Fuhr reagiert noch nicht auf seinen Daumen, aber natürlich stehen Andreas Fuhr an der Carl-Fuhr-Straße 12 alle Türen offen: Seit diesem Monat betritt er das Gelände des Schloss- und Beschlägeherstellers als Geschäftsführer. Mit ihm nimmt die fünfte Generation des Traditionsunternehmens die Klinke in die Hand. „Mit 30 wird’s langsam Zeit, nach Hause zu kommen“, findet er. 13 Jahre ohne einen Fuhr in der Geschäftsführung sind zu Ende.

25. Juli 2000. Der 17-jährige IKG-Schüler Andreas Fuhr macht mit Freunden Urlaub in Ungarn. „Nachmittags um 17 Uhr habe ich den Fernseher eingeschaltet. Es lief CNN.“ Der Teenager sieht zu, wie ein brennendes Flugzeug vom Pariser Flughafen abhebt. Eine Minute später stürzt die Concorde ab und brennt aus. „Mir war schnell klar, dass das die Maschine meiner Eltern war.“ Für den Rest der Welt sind Marianne und Carl-Hermann Fuhr Teil einer Zahl geworden: 113 Menschen verlieren beim Absturz der Concorde ihr Leben. Andreas Fuhr verliert an diesem Tag Vater und Mutter.

113 Menschen starben

„Immer weitermachen“, beschreibt er die Zeit, die danach kommt; er spricht von der Zeit „nach dem Unfall“. Nach dem Unfall macht er weiter. Familie, Freunde, Firmenmitglieder helfen ihm, „ohne sie hätte ich es nicht geschafft“. Seine Großeltern übernehmen einige Jahre die Rolle, die seine Eltern nicht mehr ausfüllen können. Er macht weiter, macht sein Abitur, macht sich für sechs Jahre frei von Heiligenhaus, als er zum Studium nach Magdeburg zieht. Weg ist er trotzdem nicht: Nach dem Unfall richtet die Firma einen Beirat ein, Andreas Fuhr wird Mitglied.

2008 zieht er nach Heiligenhaus zurück, arbeitet aber auswärts. Den Weg vom Hörsaal direkt in den Chefsessel will er nicht gehen, arbeitet erst einmal bei einem anderen Unternehmen derselben Branche. „An der Uni lernt man zwar viel, aber nicht unbedingt etwas fürs Tagesgeschäft“, erklärt er. Das lernt er nun kennen, und nebenbei auch die eigene Firma aus einer neuen Perspektive: Fuhr junior arbeitet bei einem Kunden des Heiligenhauser Unternehmens. Bei Fuhr steigt er fünf Jahre später ein: Am 7. Oktober 2013 wird er, der im eigenen Unternehmen bisher nur „Ferienjobs im Versand“ gemacht hat, einer von zwei Geschäftsführern.

Auf diese Weise bleibt ihm Zeit, sich in der vertrauten und gleichzeitig fremden Firma zurechtzufinden und Dinge zu lernen wie: „Wo bekomme ich Büromaterial her?“ Mehr als 150 Jahre Familien- und Unternehmenstradition in einem ließen in Andreas Fuhr nie den Wunsch aufkommen, einen anderen Werdegang einzuschlagen. Die Geschichte der Firma ist das Scharnier, auf das er sich stützen kann. Der Unfall allerdings lastet auf ihm. Der fünften Generation ist bewusst: „Ich bin von Fuhr der letzte. Es gibt keinen mehr.“