Heiligenhaus. Das örtliche Handwerk fordert die Rückkehr zur Meisterpflicht, die 2004 abgeschafft wurde. Dabei unterstützt die Industriegewerkschaft BAU.
- 2004 wurde die Meisterpflicht für Fliesenleger und viele weitere handwerkliche Berufe abgeschafft
- Nun sieht die Gewerkschaft eine Gefahr für den Beruf, denn es werden weniger Azubis ausgebildet
- Kunden könnten Meisterbetriebe und Laien kaum auseinander halten, eine Enttäuschung droht
Worum geht es?
Für Fliesenleger gab es keine Meisterpflicht mehr.
Was bedeutet das für mich?
Die Qualität der Arbeit und die Ausbildung von Nachwuchskräften könnte darunter leiden.
Die Fliesenleger in Heiligenhaus und im Kreis Mettmann schlagen Alarm. Sie fürchten, dass ihr Beruf ausstirbt. Schuld daran sei Bundeskanzler Gerhard Schröder, der im Jahr 2004 mit seiner rot-grünen Regierung die Meisterpflicht für mittlerweile 53 der 94 handwerklichen Gewerke abgeschafft hat, die als nicht besonders gefährlich gelten. Das spürt das Handwerk nun, insbesondere die Fliesenleger.
„Der Beruf ist tot“, sagt Obermeister der Bau-Innung im Kreis, Thomas Grünendahl, der selbst Fliesenlegermeister ist. „Jeder darf jetzt Fliesen, Platten und Mosaiks legen, ohne dass er dafür qualifiziert ist.“ Jeder könne einen Gewerbeschein bekommen und sich als Fliesenleger selbstständig machen, ohne Ausbildung.
Viele Betriebe hatten sich in Heiligenhaus gegründet
Das sei fatal für die Branche und für die Kunden. „Die Leute nehmen viel Geld in die Hand, um sich ein Badezimmer fliesen zu lassen, und dann kommt einer, der absolut keine Ahnung hat. So sieht das Badezimmer danach auch aus.“ Denn ein Kunde könne einen echten Fachbetrieb gar nicht erkennen, die meisten würden darauf vertrauen, dass ein Handwerker weiß, was er tue. „Niemand lässt sich einen Meisterbrief zeigen, wenn der Handwerker vor der Tür steht.“
Und der Markt wird immer unübersichtlicher, seitdem man ohne Meister- oder Gesellenbrief als Fliesenleger arbeiten kann. Allein im Kreis Mettmann gab es laut der Kreishandwerkerschaft vom Jahr 1900 bis 2003 insgesamt 103 Fliesenlegerbetriebe. Nach der Gesetzesänderung wurden es dann 1794. Inzwischen seien davon aber wieder bereits 1023 gelöscht.
Auch der Nachwuchs leidet
Nicht nur die Qualität der Arbeit sei allerdings ein Problem, so Obermeister Grünendahl, auch der Nachwuchs breche weg. Zunächst darf man nur mit einem Meisterbrief ausbilden, doch auch Meisterbetriebe finden kaum noch Lehrlinge. „Wer macht denn noch eine dreijährige Ausbildung, wenn er für zehn Euro einen Gewerbeschein bekommt und sich selbstständig machen kann“, fragt Grünendahl.
Das sei genauso, als schlage man einem Jugendlichen vor, er könne für zehn Euro den Führerschein bekommen oder Fahrunterricht nehmen, weil er danach sicherer fährt. Zudem gebe es derzeit keine Aufstiegschancen in der Branche mehr, und einige Meister zögerten, auszubilden, weil sie glaubten, dadurch ja nur „ihre eigene Konkurrenz heranzuzüchten.“ Das sei aber zu kurz gedacht, findet Grünendahl. Diese Gefahren für etliche Berufe sehen ebenfalls die Baugewerblichen Gewerbe NRW. „Wir teilen die Forderungen, um die Qualität zu sichern und die Lehrlingszahlen wieder hochzuschrauben“, sagt Verbändesprecher Harald Siebert. „Die Rückkehr zur Meisterpflicht wollen alle, vom Tiefbau bis zu den Dachdeckern.“
Bundesweite Kampagne der IG BAU
Schützenhilfe kommt jetzt von der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU). „Wir wollen alle das Handwerk so erhalten, wie wir es kennen“, sagt die stellvertretende Regionalleiterin der IG BAU Rheinland Nicole Simons. Dabei gehe es nicht nur um Verbraucherschutz, sondern auch um das Wohl der Arbeitnehmer. „Das geltende Gesetz sichert keine optimalen Arbeitsbedingungen.“ Wer etwa als Selbstständiger auf einer Baustelle arbeite, werde anders behandelt als ein Arbeitnehmer, und für selbstständige Fliesenleger käme nur Geld rein, wenn auch Aufträge kommen. Damit sei der Beruf für die Jugend völlig unattraktiv. Die Rückkehr zur Meisterpflicht sei jedoch „bisher Kampf gegen Windmühlen“ gewesen. Doch die bundesweite Gewerkschaftskampagne, die dies fordert, bekomme nun erste Unterstützer aus der CDU und der SPD.
Ganz so düster wie die Gewerkschafterin und der Obermeister sieht dagegen der Heiligenhauser Jürgen Müller, Geschäftsführer von Wohngestaltung Müller, die Situation nicht. Sein Betrieb bildet Raumgestalter aus, die unter anderem auch Böden verlegen. „Grundsätzlich stehen wir hinter der Meisterpflicht.“ Und er weiß, dass es in der Branche auch schwarze Schafe gebe, doch ein Aussterben seines Berufs fürchtet er nicht. So habe sein Betrieb erst kürzlich erfolgreich zwei Bodenleger ausgebildet.
Obermeister Thomas Grünendahl bleibt aber pessimistisch: „Wer jetzt unqualifiziert auf dem Markt ist, hält sich zwar nicht“, doch durch ein Überangebot gebe es eine Preisschlacht. Er ist sicher: „Die Meisterpflicht wieder einzuführen, sollte das Allererste sein, was die Bundesregierung nach der Sommerpause machen sollte.“
>>> Kreishandwerkerschaft empfiehlt Betriebe
Wer einen Handwerker braucht und sichergehen möchte, dass er qualifiziert ist, kann sich von der Kreishandwerkerschaft Mettmann Betriebe empfehlen lassen, die Mitglied in der jeweiligen Innung sind; 02104 9553-0, info@handwerk-me.de; www.handwerk-me.de