Heiligenhaus. . Mit Stadtplaner Siegfried Peterburs erkundet die WAZ die Industriebrache. Wo bald das Nahversorgungszentrum steht, herrscht noch Totenstille.

  • Seit rund acht Jahren ist das Hitzbleck-Gelände an der Umgehungsstraße nun verlassen
  • Wo vorher reger Gießerei-Betrieb herrschte, regiert heute vor allem eines: bedrückende Stille
  • Gelegentlich treiben jedoch Sprayer und andere Vandalen ihr Unwesen in der Industrieruine

Das Datum im Kalender an der Wand wirkt weit weg und doch so nah: „September 2009“ ist dort noch deutlich zu lesen. Ringsherum in der dunklen Fabrikhalle ist die Zeit tatsächlich stehen geblieben. Metallteile, Aktenordner, Glas und jede Menge Unrat liegen überall verstreut auf dem Boden, mehrere Fensterscheiben sind eingeschlagen.

Und doch wirkt es teilweise so, als hätten sich die Arbeiter gerade erst in den Feierabend verabschiedet: Auf einem Tisch steht eine offene Kaffeekanne, daneben liegt ein Stapel Akten, ein blauer Sicherheitshelm ist zu Boden gefallen.

Begehung ist nicht ungefährlich

Unsere Sicherheitshelme sitzen dagegen fest auf dem Kopf. Denn der Rundgang mit Stadtplaner Siegfried Peterburs über das 21 000 Quadratmeter große Fabrikgelände der ehemaligen Gießerei Hitzbleck Temperguss an der Umgehungsstraße ist nicht ungefährlich. „Ich kann jedem nur davon abraten, das Gelände hier auf eigene Faust zu betreten.

Wir haben hier auch einen Wachdienst engagiert und schon Anzeigen gegen einige Unbelehrbare erstattet“, sagt Peterburs, als wir die Halle betreten, in der früher die beiden Temperöfen standen. Heute ist nur noch ein mit Rost überzogenes Exemplar übrig. „Der andere wurde nach Italien verkauft“, weiß Peterburs.

Dreiräder und Fernseher

Der Stadtplaner bewegt sich in der großen Halle aus Sicherheitsgründen auf einer festen Route, er war schon öfter hier, kennt die Wege. „Dort drüben gibt es Löcher im Boden, er ist nur mit Gießereisand bedeckt, weshalb man einbrechen könnte“, weist Peterburs mit dem Finger auf die andere Hälfte der Halle.

Mitten in dem riesigen Raum, direkt neben einer verrosteten Maschine, steht verlassen ein rotes Dreirad. Wie es dorthin gekommen ist, weiß niemand. Doch es ist bei weitem nicht der einzige Gegenstand, der in einer Gießerei fehl am Platze wäre. Das gilt auch für einen alten Röhrenfernseher auf dem Boden. Dass die Mattscheibe noch heile ist, wirkt bei dem Chaos ringsum schon bemerkenswert. Vandalen haben überall im Gebäude ihre Spuren hinterlassen.

Bald flanieren Kunden auf dem Areal

Durch eine vollgesprühte Lamellentür geht es in die nächste Halle. Auf dem Boden liegen unzählige Sandkerne aus den früheren Gussformen herum. „Hier ist früher, bevor in den 1990er Jahren der blau-weiße Anbau kam, die alte Straße Am Rathaus entlang verlaufen. Deshalb hatte die Gießerei auch bis zuletzt diese postalische Adresse“, erklärt Peterburs.

Genau entlang dieser ehemaligen Straße – in der Halle, in der wir gerade auf die Hinterlassenschaften des Gießerei-Betriebs blicken – sollen künftig die Kunden des L-förmigen Nahversorgungszentrums über eine Promenade im Freien flanieren. Noch ist das aber nicht mal im Ansatz zu erahnen.

Sichtbar sind vor allem die vielen Graffiti an den Wänden. „Sieht ja nicht schlecht aus“, erkennt auch Siegfried Peterburs an, als wir an einem zwei Mal drei Meter großen Wandgemälde in Orange, Rot und Blau vorbeikommen. Verboten bleibe es trotzdem. Einige stört das aber nicht, was man daran sieht, dass in einem Schrank Dutzende Spraydosen stehen, fein säuberlich aufgereiht für die nächste Sprühaktion.

Verwertbares gibt es nicht mehr im Gebäude

Zeitgenossen mit noch schlechteren Absichten würden die alte Fabrikruine aber wohl nicht mehr aufsuchen, sagt Peterburs. Wertvolles sei hier nicht mehr zu holen. „In dem Gebäude gibt es keinen Meter Kupfer mehr. Während des Finales der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 haben Einbrecher das Metall massenhaft herausgeholt und weggeschleppt.“

Gelegentlich herrscht in der Ruine aber dennoch Hochbetrieb. Dann nämlich, wenn Feuerwehr und Technisches Hilfswerk hier ihre Einsatzübungen durchführen. Es wird aber nicht mehr lange dauern, bis die Fabrikruine von Hitzbleck in die Geschichte eingeht und Platz für Neues schafft. Dann dürfen und sollen sich an diesem (fast) verlassenen Ort wieder ganz viele Menschen tummeln. Und so wird sich auch hier die Zeit bald weiter drehen.

Bewegte Firmengeschichte

111 Jahre lang hat die Firma Hitzbleck auf dem Gelände hinter dem Rathaus produziert. Zuletzt wurden hier sogenannte Fittings für Rohrleitungen hergestellt. Zum 100. Geburtstag im Jahr 1998 pflanzten Mitarbeiter auf dem Gelände eine Buche. Sie wurde vor kurzem in den Thormählen-Park verpflanzt.

In den 1990er Jahren wurde der Betrieb noch einmal erweitert: die blau-weiße Halle (Versand und Schleiferei) wurde errichtet, wo vorher Wohnhäuser standen. 2009 kam dann zum Höhepunkt der Wirtschaftskrise das plötzliche Aus für die Firma August Hitzbleck Söhne GmbH am Standort Heiligenhaus.

Mittlerweile ist das Gelände im Besitz der Stadtentwicklungs- und Bodengesellschaft Heiligenhaus (SBEG), die die Brache im Jahr 2014 für 450 000 Euro erworben hat. Dort wird der Investor „Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft“ (HBB) ein großes Nahversorgungszentrum bauen (WAZ berichtete).

Die Bauvoranfrage hierfür liegt derzeit noch bei der Bezirksregierung Düsseldorf zur Bearbeitung. Bald könnten mit den Abbrucharbeiten auf dem Gelände begonnen werden. Eine Fertigstellung ist für Ende 2018 geplant.

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