Essen/Sprockhövel. Maßanzüge für 1500 Euro das Stück trug er früher, jettete nach Mallorca. Jetzt kommt er im Pulli mit offenem Hemdkragen, vorgeführt von einem Justizwachtmeister, in den Essener Gerichtssaal. Angeklagt ist der Sprockhöveler wegen Betrugs.
Er hat seinen Arbeitgeber, das noble Essener Sheraton-Hotel, um insgesamt 2,4 Millionen Euro betrogen. Dafür muss er fünf Jahre und zehn Monate ins Gefängnis.
Den Haftbefehl gegen den 45-Jährigen, der seit Anfang Februar in Untersuchungshaft saß, hob die XXI. Wirtschaftsstrafkammer auf. Sie gibt dem Chef-Buchhalter die Chance, seine Strafe im offenen Vollzug abzusitzen. Weil er drei Kinder hat, seine Frau ein Fitnessstudio betreibt und er sich einmal wöchentlich bei der Polizei in Hattingen melden muss, glaubt die Kammer nicht an Fluchtgefahr.
Zurzeit steht er vor den Trümmern seines Lebens. Aus seinem illegal finanzierten Luxusleben stürzte er jäh in den finanziellen Abgrund. Tränenreich legt er ein Geständnis ab, erklärt dem Gericht, wie er die strengen Kontrollmechanismen des Hotels umging: „Ich war 20 Jahre im Unternehmen, kannte die Lücken und habe das Vertrauen missbraucht.“ In der U-Haft habe er nachdenken können: „Ich habe mein Leben auf Lügen aufgebaut.“ Später wird die Kammer im Urteil sagen, dass sie sein Geständnis als „ehrlich, umfassend und von Reue getragen“ ansieht. Dazu mögen Sätze wie dieser beigetragen haben: „Ich habe mich zu Unrecht auf Kosten meines Arbeitgebers bereichert.“
Manchmal ist die tränenerstickte Stimme des Angeklagten bei diesem Geständnis kaum zu verstehen. Manchmal schluchzen hinten im Saal auch Mutter und Ehefrau, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig wissen, dass sie den 45-Jährigen am Abend wieder zu Hause haben werden.
Durch geschickte Umbuchungen hatte der Angeklagte sich unter anderem aus der „Portokasse“ des Unternehmens bedient. Die Veruntreuung fiel nicht auf, weil er das Vorsteuerkonto des Hotels belastet hatte, so dass dessen Steuerlast sank. In der Gesamtbilanz fiel erst einmal kein Verlust für die Firma auf. Jetzt wird sich aber das Finanzamt bei ihr schadlos halten.
2004 begann der Angeklagte, seine Firma zu schädigen. 2004 hätte ihn die Scheidung von seiner ersten Frau finanziell belastet. Im selben Jahr heiratete er seine zweite Frau, zahlte ihr ein Kosmetikstudio. Zwölf Monate lang hielt die Ehe. 2005 heiratete er seine jetzige Ehefrau. Gegen sie wurde ermittelt, das Verfahren aber eingestellt. Er nimmt sie in Schutz: „Sie kannte mich als einen in Luxus lebenden Mann. Von der Veruntreuung wusste sie nichts.“
„Er wollte trotz der Scheidungen seinen Lebensstil beibehalten“, erklärte Verteidiger Hans Reinhardt. Ein Lebensstil, der allerdings auch den Anwalt an das Leben eines Fußballprofis erinnerte. Teure Autos, Motorräder, Mallorca-Reise und im gesamten Haus zum Teil nicht ausgepackte Elektronikartikel. „Man kann es nicht verstehen“, bemerkte Richter Wolfgang Schmidt im Urteil.
Er sprach auch von einer „sehr hohen kriminellen Energie“ des Angeklagten. Bemerkenswert sei, dass diese hohe Summe von einer einzelnen Person kassiert wurde: „Sonst kennen wir das nur von Banden, die diese Summen verdienen.“ Deshalb stand für die Kammer das Urteil über den Angeklagten fest: „Eine selten gesehene Maßlosigkeit.“