Hattingen. Ein Karussell mit Sofaplatz muss man sich leisten können - sonst steht man an der Stange. Blick in die Kirmesgeschichte Hattingens.
So ein Sofaplatz war schon etwas für die Betuchteren. Da konnte sich – wer das Geld hatte – auf dem Schulteschen Karussell für fünf Pfennig in rotierende Bewegungen versetzen lassen. Diejenigen, die knapper bei Kasse waren – wie Jugendliche – mussten zwei Pfennig auf den Tisch legen. Sie durften dafür aber auch nur an der Stange mitfahren. Für das Tempo verantwortlich war ein Pferd, das das Gestell anzog. Das war Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, als die Kirmes in Hattingen längst eine etablierte Veranstaltung im Städtchen war. An die Historie erinnerte am Samstag, 3. Mai 1969, Hans Michels in der WAZ.
590 Jahre alt wird in diesem Jahr die beliebte Traditionskirmes. Sie hat seit Jahrhunderten ihren festen Platz in der Gesellschaft – ob früher als Kirchweihfest oder als Jahrmarkt mehrfach im Jahr erfreute sie die Menschen im Dorf. Das Recht, einen freien Wochenmarkt am Dienstag und vier Jahrmärkte abzuhalten, verlieh im Jahr 1435 Herzog Adolf von Cleve und Graf von der Mark der Stadt Hattingen in einer Urkunde für alle Ewigkeit.
Kirmes in Hattingen: Blick in die Geschichte zeigt, wie sie früher war
Es war der märkische Historiker von Steinen, der vor rund 250 Jahren schrieb: „Itzo haben sie fünf Jahrmärkte, davon einfallen: Das erste, den 1. Februarius; das zweite, den 11. März; das dritte, auf Philippus und Jakobus Tag; das vierte, den Tag vor Michaelis; das fünfte, den Sonnabend vor Martinius Bischof“. Es war also guter Brauch, die Kirmes am 1. Mai beginnen zu lassen. Warenverkauf und Viehmarkt, die in früheren Jahrhunderten im Mittelpunkt des Geschehens standen, spielten später keine Rolle mehr. Es war das pure Vergnügen, das mit Fahrgeschäften, Essen und Trinken im Vordergrund standen.
Öffnungszeiten der Kirmes
Die Kirmes läuft noch bis Montag, 29. April, auf dem Rathausplatz. Öffnungszeiten sind täglich jeweils 14 bis 22 Uhr.
Es gibt rund zehn Prozent mehr Angebote als beim letzten Mal, verspricht Veranstalter Andreas Alexius.
Vor allem für die Bevölkerung auf dem Land hatte die Kirmes große Bedeutung und wechselte in der Stadt immer mal ihren Platz. Noch in den 1930er Jahren fand sie auf dem historischen Unter- und Obermarkt statt. Sie erstreckte sich bis zur oberen Heggerstraße, die zu der Zeit noch teilweise unbebaut war. An Kirmestagen wurden die Bauernkunden von den Geschäftsleuten mit Kaffee und Kuchen bewirtet.
Auf dem Obermarkt in Hattingen zog ein Pferd das Karussell
Um 1900 herum wurde noch mit Schafen und Pferden Handel betrieben. Lange Zeit war der Verkauf von Porzellan und Glas vor dem Herkerschen Juweliergeschäft Tradition. Der Untermarkt gehörte den Kindern. An Verkaufsständen konnte man Trommeln, Pfeifen und andere Spielsachen erstehen. Auf dem Obermarkt zog noch ein Pferd das Karussell.
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Auch das Muskelprotzspiel „Hau-den-Lukas“ war damals immer dabei. Auch türkischer Honig wurde angeboten. Dazu stattete sich der Verkäufer extra mit einer „Türkenmütze“ aus, um die Echtheit zu unterstreichen. Was schon immer Veränderungen unterlag, waren die Karussells. Eine wahnsinnige Errungenschaft war Heulbachs springendes Karussell, das mit einer Dampflokomotive angetrieben wurde.
Kirmes in Hattingen hatte unterschiedliche Standorte
Mit den gewaltigen Änderungen der Fahrgeschäfte bekam auch die Kirmes immer mal einen anderen Standort zugewiesen. Zwei Jahrzehnte fand sie auf dem Rathausplatz statt. 1966 wurde sie auf den Platz an der Wilhelmstraße verlegt, weil die Landstraße 924 gebaut wurde. Danach sollte die Kirmes auf einem Platz am Wildhagen angesiedelt werden. Der seit 1967 jährlich an der B 51 stattfindende Rummel sollte Ende der 1970er Jahre wieder vor dem Rathaus stattfinden. Da scheint sie nun endgültig ihren Stammplatz gefunden zu haben.
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