Hattingen / Sprockhövel. Bundesweit feiern sich die Grünen als großes Vorbild bei der Gleichberechtigung. In Hattingen haben sie damit jetzt allerdings ein Problem.

„Die Frauenquote ist ein Alleinstellungsmerkmal unserer Partei“, sagen die Grünen bundesweit selbstbewusst. Sie sei ein Erfolgsschlager der grünen Geschichte, weil sie helfe, männlich dominierte Strukturen aufzubrechen. In Hattingen gibt es damit jetzt allerding ein Problem.

Anne Hofmeister hat ihr Mandat als Stadtverordnete der Grünen abgegeben. In die Ratsfraktion der Partei nachgerückt ist Heiko Wendenburg-Holtz. Am Donnerstag (21.3.) wird er im Rat der Stadt offiziell auf sein neues Amt verpflichtet. Das Problem: Mit dem Wechsel von einer Frau zu einem Mann schrumpft der Frauenanteil in der Fraktion auf nur noch drei von elf.

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Damit stürzen die Grünen - was die Frauenquote angeht - vom zweiten auf den letzten Platz der fünf Ratsfraktionen ab. 27,3 Prozent beträgt der Anteil weiblicher Ratsmitglieder jetzt noch. Bei der SPD sind es 31,3 Prozent, bei der FDP und der Partei „Die Partei“ jeweils 33,3 Prozent, bei der CDU 46,7 Prozent.

Anne Hofmeister hat die Ratsfraktion in Hattingen gemeinsam mit Oliver Degner geführt

Gut möglich ist auch, das eine weitere feste Größe des grünen Verständnisses von Gleichberechtigung in Hattingen kippt: die paritätisch besetzte Doppelspitze. Anne Hofmeister hat die Ratsfraktion gemeinsam mit Oliver Degner geführt. Jetzt ist die Frage, ob eine der drei verbliebenen Ratsfrauen der Grünen die Nachfolge als Fraktionschefin gemeinsam mit Degner antreten will und die Parität damit gewahrt bleibt.

Oliver Degner ist Fraktionschef der Grünen im Rat der Stadt Hattigen.
Oliver Degner ist Fraktionschef der Grünen im Rat der Stadt Hattigen. © Die Grünen Hattingen

„Ich habe alle drei Fraktionskolleginnen ermutigt, das Amt anzunehmen“, betont Oliver Degner. „Ich kann nur hoffen, dass es eine von ihnen dann auch macht. Ich würde mir das sehr wünschen.“ Die Entscheidung soll am Freitag (22.3.) fallen.

Zwar waren die Grünen in Hattingen über Jahre hinweg eine männlich dominierte Fraktionsspitze im Stadtrat gewohnt: Frank Staacken und Stefan Kietz-Borgwardt. Gewahrt wurde damit nicht das geschlechtliche, sondern ein politisches Gleichgewicht. Schließlich gab es eine Fraktionsgemeinschaft aus Grünen und Freier Wählerinitiative (FWI).

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Dann holten aber auch in Hattingen die Frauen auf. Zuletzt setzte das Duo Degner/Hofmeister den bundesweiten Anspruch der Grünen um - und im Rat durchaus politische Akzente. Vor allem Anne Hofmeister (36) galt als Hoffnungsrägerin.

Sie holt in ihrem Wahlbezirk rund 30 Prozent der Stimmen

Innerhalb eines Jahres hat sich die junge Frau bei den Grünen nach oben katapultiert. Im August 2019 wird sie Parteimitglied, im September 2020 tritt sie als Spitzenkandidatin der Grünen bei der Kommunalwahl an, holt in ihrem Wahlbezirk rund 30 Prozent der Stimmen, rückt in den Rat der Stadt Hattingen ein. Und auch in die Fraktionsspitze ihrer Partei - zunächst als stellvertretende Vorsitzende, später als gleichberechtigte in einer Doppelspitze.

Anne Hofmeister zählt zur jungen Generation zupackender Frauen in der Politik. Sie hat Betriebswirtschaft studiert, ein Praktikum in Detroit gemacht, ein Jahr in Mailand gelebt, später in Deutschland bei verschiedenen Energiekonzernen gearbeitet. Die Hattingerin hat drei Kinder.

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Im Mai 2023 wird sie Kämmerin der Nachbarstadt Sprockhövel. Und das ist auch der Grund füf ihren Verzicht aus das Hattinger Ratsmandat. „Schon die Ratssitzungen in Hattingen und Sprockhövel laufen zeitgleich“, sagt die 36-Jährige. „Ich kann mich nicht zweiteilen.“

Das Frauenstatut gibt es bei den Grünen bereits seit 1984

Und auch der Zeitaufwand sei enorm. „Ich kann nicht für zwei Städte alle Verwaltungsunterlagen so bearbeiten, wie es notwendig ist“, sagt Hofmeister. „Mein Anspruch ist es, die Dinge gut und gewissenhaft zu erledigen.“

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Das Frauenstatut gibt es bei den Grünen bereits seit 1984. Die Mindestquotierung besagt, dass bei Listenaufstellungen und Delegiertenwahlen alle ungerade Plätze mit Frauen besetzt werden müssen, also auch Platz eins.

Ausnahmen sind zwar möglich. Sollen aber zumindest nachdenklich machen. „Die Frauenquote sorgt dafür, dass wir uns bewusst werden: Wenn wir hier offensichtlich keine Frau für das Amt oder die Funktion finden, haben wir ein ernstes Problem, um das wir alle uns kümmern müssen“, heißt es bei den Bundes-Grünen.