Hattingen. In einem Handyladen in Hattingen waren Dutzende Kunden betrogen worden. Bestellte Handys kamen nie an oder Verträge wurden nicht gekündigt.

„Ich hab mich von dem Mann so einlullen lassen, wie blöd konnte ich sein“, fragt sich eine 82-jährige Hattingerin heute. Sie ist nur eines von Dutzenden Opfern, die in einen Telefonladen auf der Heggerstraße betrogen wurden. Doch der Betrüger kommt nicht ungeschoren davon.

Im Frühjahr 2020 hat die damals 80-jährige fitte Hattingerin eine gute Idee. Sie geht alleine in einen Telefonladen auf der Heggerstraße und möchte sich ein neues Handy kaufen. „Der Mobiltelefon-Anbieter, den ich bis dahin hatte, ist so weit weg. Da dachte ich, ich nehm ein Telefon aus einem Laden in der Nähe. Die können mir helfen, wenn ich mit der Technik nicht zurechtkomme und mir alles einstellen.“ Ihre vermeintlich gute Idee hat sie längst bereut. Denn es kam alles anders.

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Eigentlich wollte sie ein anderes Telefon als das, für das sie dann unterschrieben hat. Im Laden macht sie ihr altes Handy an, der Verkäufer sieht das Foto auf dem Startbildschirm und sagt: „Ach wie süß, ist das Ihre Katze. Die ist ja schön“, erzählt die jetzt 82-Jährige. Der Mann sei so nett gewesen und habe sie komplett eingelullt.

Ein paar Minuten später unterschreibt sie im Geschäft einen Vertrag für ein neues Handy und verlässt glücklich den Laden. Dann beginnt das Warten.

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Es vergehen etliche Tage, aber das Handy kommt nicht. Sie entschließt sich, zusammen mit ihrer Tochter den Handyladen aufzusuchen und den Inhaber zur Rede zu stellen. Aber jetzt ist das Geschäft für längere Zeit geschlossen: Der erste Corona-Lockdown.

Dann werden die ersten 60 Euro abgebucht für das Telefon, das sie nicht bekommen hat. Die Seniorin bucht das Geld zurück. Das geht einige Male so, dann bekommt sie Post von einem Inkasso-Unternehmen. Daraufhin schaltet sie einen Rechtsanwalt ein. Irgendwann hört sie von der Telefongesellschaft nichts mehr. Der Schaden für die 80-Jährige: Sie muss „nur“ den Anwalt bezahlen.

Geständnis vor Gericht in Hattingen

Vier Jahre später trifft sie jetzt im Hattinger Amtsgericht als Zeugin auf den „netten Inhaber des Telefonladens“. Der muss sich in 19 Fällen wegen Betrugs vor Gericht verantworten. Aussagen muss die 82-Jährige nicht, der angeklagte 32-Jährige hat zuvor ein volles Geständnis abgelegt und alle Vorwürfe eingeräumt. „Eigentlich waren es 30 Geschädigte, aber nicht alle haben die Sache bis zum Gericht durchgezogen“, sagt die Hattingerin, die andere Betrugs-Opfer kennt.

Achtung bei Handykauf im Laden

Die Verbraucherberatung Nordrhein-Westfalen weist darauf hin, dass es rechtlich einen Unterschied macht, ob man im Internet etwas gekauft hat oder direkt im Geschäft vor Ort. Im Laden kann man aber einen Handyvertrag in der Regel nicht innerhalb von 14 Tagen widerrufen.

Damit man eine Chance habe, in dem Gewirr von Kosten, Übertragungsgeschwindigkeiten, Datenvolumen und Tarifen das Passende zu finden, müsse der Shop-Betreiber über die wichtigsten Details informieren und auf ein Produkt-Informationsblatt hinweisen. Dieses muss entweder sehr gut sichtbar ausliegen oder den Kunden ausgehändigt werden.

Zwei Jahre lang zockt der Angeklagte Kunden ab. Verkauft ihnen Handys, die nie geliefert werden. Die andere Masche, die der Staatsanwalt anklagt: Der 32-Jährige verkauft Handyverträge und verspricht, den alten Vertrag zu kündigen. Das aber geht in vielen Fällen überhaupt nicht, weil die alten Verträge noch längere Zeit laufen. Also haben die Kunden plötzlich zwei Handyverträge, die sie parallel bedienen müssen.

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Die Tochter der 82-jährigen betrogenen Dame erzählt nach der Verhandlung: „Als das Handy für meine Mutter nicht kam, habe ich mich damals auf das Widerrufsrecht bezogen und musste von Juristen lernen, dass das nicht gilt, wenn man eine Beratung in einem Geschäft hatte. Wenn man nach einer Beratung einen Vertrag unterschreibt, dann gilt der und man kommt da nicht mehr heraus.“

Tausende Euro mit Handybtrug kassiert

Die 19 Betrugsfälle waren offenbar ein lukratives Geschäft für den Angeklagten. Denn pro Verkauf kassierte er meist mehr als 500 Euro Provision. 9500 Euro sollen es laut Staatsanwalt gewesen sein, die er auf diese Weise in seine Tasche wirtschaftete. Für die Betrugsopfer selbst entstanden um die 4500 Euro Schaden. Bis 2020 betrieb der 32-Jährige den Laden auf der Heggerstraße, dann machte er das Geschäft dicht.

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Der Staatsanwalt fordert in seinem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wird und weitere Auflagen. So soll er 50 Sozialstunden ableisten und den Schaden wiedergutmachen. Henner Sentner, der Anwalt des Mandanten, argumentiert, das Geständnis sei „sehr hoch zu bewerten“. Das Problem sei bei solchen Betrügereien, dass die Hemmschwelle sinke, wenn man mit einer solchen Masche Erfolg habe. Er weist außerdem darauf hin, dass die Geschädigten nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen seien und sein Mandant nicht vorbestraft ist. Sentner hält eine Strafe von einem Jahr und sechs Monaten für angemessen.

Das Schöffengericht urteilt: Ein Jahr und zehn Monate zur Bewährung auf drei Jahre. Außerdem 50 Sozialstunden und Schadenswiedergutmachung.