Hattingen. Immer wieder wird ein Orthopäde aus Hattingen um Atteste für zu schwere Schulranzen gebeten. Er erklärt, wo er die wirklichen Probleme sieht.

Eltern kommen zum Orthopäden und möchten ein Attest, dass der Schulranzen ihres Kindes zu schwer ist – ja, das erlebt der Orthopäde Dr. Jörg Thieme in Hattingen häufiger. Was er zur Bedeutung der Wahl des richtigen Schulranzens und des richtigen Arbeitsplatzes sagt.

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„Wie wichtig das Thema Schulranzen ist, ist strittig. Ich persönlich finde den Hype fast eher übertrieben“, erklärt Thieme. Denn die Kinder würden die Last oft gar nicht lange tragen. „Wie lange dauert der Weg zur Schule denn?“ gibt er zu bedenken.

Tipps für alle, die auf Schulranzensuche sind

Dennoch hält er Tipps für jene bereit, die jetzt auf der Suche nach dem richtigen Schultornister für ihr Kind sind. „Gut ist immer, wenn der Ranzen dem Doppel-S der Wirbelsäule nachempfunden ist. Er sollte möglichst dicht am Rücken anliegen.“ Die Riemen sollten eine Breite von vier bis fünf Zentimetern haben. Und: „Alles Asymmetrische ist ungünstig. Er sollte nicht über einer Schulter getragen werden.“ Darum hält er auch nichts von Ranzen zum Hinterherziehen. „Der Oberkörper verdreht sich hin zur der Hand, mit der man zieht.“

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Orthopäde Dr. Jörg Thieme aus Hattingen erklärt, wie der richtige Schulranzen sitzen sollte.
Orthopäde Dr. Jörg Thieme aus Hattingen erklärt, wie der richtige Schulranzen sitzen sollte. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Darüber, wie schwer der Schultornister sein dürfe, gingen die Meinungen ebenfalls auseinander. „Manche sagen zehn Prozent, andere 15 Prozent vom Körpergewicht. Untersuchungen aus dem Saarland zeigen, dass auch ein Gewicht von 30 Prozent des Körpergewichts möglich ist.“ Aber auch das Gewicht ist für Thieme eher ein Nebenschauplatz. Er sagt als Faustregel: „Kann ein Kind den Ranzen anheben, kann es ihn auch tragen.“

So richten Sie den Arbeitsplatz richtig ein

Wichtiger sei schon das Einrichten des Arbeitsplatzes. Stuhl und Tisch sollten mitwachsen können. Wichtig: Erst die Stuhlhöhe einstellen. Stehen die Kinder, sollte der untere Punkt der Kniescheibe auf Höhe der Sitzfläche sein, die Füße stehen komplett auf dem Boden. Was die Sitzflächenneigung betrifft: Dafür sollten die Kniegelenke tiefer als die Hüftgelenke sein. „Ein Sitzwinkel größer als 90 Grad ist gut.“ Sitzt das Kind dann richtig, sollte es die Oberarme an den Körper legen, die Unteramre im 90-Grad-Winkel heben, dann die Zeigefinger ausstrecken. Auf deren Höhe sollte nun die Tischplatte sein.

Ranzenparty

Zur Ranzenparty lädt die Sparkasse Hattingen alle Schulanfänger und ihre Eltern am Samstag, 17. Februar, von 10 bis 14 ein.

Bei der Party im Gaskraftwerk des LWL-Museums Henrichshütte, Werksstraße 31-33, gibt es nicht nur Ranzen, sondern auch einen Hindernis-Parcours, der zeigen soll, ob die Form und die Größe zum Körper des Kindes passen. Weitere Aussteller informieren rund um den Schulanfang. Der Eintritt ist frei.

Viele Angebote: Besucher der Ranzenparty im vergangenen Jahr in der Gebläsehalle des LWL-Museums Henrichshütte in Hattingen.
Viele Angebote: Besucher der Ranzenparty im vergangenen Jahr in der Gebläsehalle des LWL-Museums Henrichshütte in Hattingen. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Thieme betont, dass die Neigung der Tischplatte wichtig sei. „Mindestens 16 Grad müssen es sein.“ Ist der Tisch nicht neigbar, kann auch ein Bücherstapel mit einem darauf schräg zur Platte aufgelegten Holzbrett denselben Effekt haben. „Fehlt die Neigung, muss man den Kopf nach vorne bringen.“ Ein so genannter Handynacken drohe.

Kinder nicht auffordern, stillzusitzen

Die Aufforderung an Kinder, stillzusitzen, hält Thieme für fatal. Denn er ist ein Freund des aktiven Sitzens. „Dafür ist es am besten, wenn die Sitzfläche in drei Dimensionen beweglich ist.“ Auch das Sitzen auf einem Pezzi-Ball sei gut. „Der Wechsel von Druck und Entlastung ernährt die Bandscheiben.“

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Worauf Eltern aber am meisten achten sollten: Bewegung. „Mindestens zwei bis drei Mal pro Woche für 45 Minuten.“ Das müsse gar nicht im Verein und organisiert passieren. „Das Herumtoben draußen“ reiche aus. „Am besten ist es, sich jeden Tag zu bewegen.“ Das sei übrigens nicht nur für Muskeln, Knochen und Co. gut, sondern fördere auch synaptische Verbindungen im Gehirn. Thieme verweist da auf die Vorbildfunktion der Eltern: „Sie sollten sich bewegen und mit gutem Beispiel vorangehen.“