Hattingen. Im Interview spricht Sportmediziner Dr. Jörg Thieme über die Bedeutung guter Rahmenbedingungen für Sportler bei Olympia und in der Freizeit.

  • „Ich finde es erschreckend, dass die Teilnahme an einem Dopingprogramm staatlich verordnet wird“
  • „Gerade Profisportler sind sich dem Thema mehr als bewusst“
  • „In der Medizin geht es immer um körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden“

Die Olympischen Spiele in Rio sind in vollem Gange. Und es gab bereits viel Kritik an den Unterkünften wie Sportstätten. Inzwischen gibt es auch den ersten positiven Dopingbefund – ein Thema, das im auch im Vorfeld der Spiele heißt diskutiert wurde. WAZ-Mitarbeiter Bastian Haumann sprach mit dem Hattinger Sportmediziner Dr. Jörg Thieme darüber, wie wichtig eine gute Vorbereitung, aber auch das passende Umfeld für Sportler ist und wo Doping anfängt.

Wie bereiten sich Sportler auf den Wettkampf vor?

Jörg Thieme: Es gibt ausgereifte Vorbereitungspläne, die Trainingseinheiten, Ernährung, Psyche und weitere Aspekte berücksichtigen. Wissenschaft und Erfahrungswerte spielen eine wichtige Rolle.

Um höher, schneller, weiter zu kommen?

Das will jeder Sportler, aber es ist auch eine Frage unseres gesellschaftlichen Anspruchs. Denn das wollen auch viele der Zuschauer sehen. Ich persönlich brauche das nicht.

Die Frage spielt auch auf den Dopingskandal um Russland an. Das Thema Doping ist wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Gehört es dorthin?

Auf jeden Fall. Ich finde es erschreckend, dass die Teilnahme an einem Dopingprogramm staatlich verordnet wird. Diese Entwicklung kann ich nicht gutheißen. Deutschland ist bei seinen Anti-Doping-Gesetzen gut aufgestellt, auch wenn ich es nicht ausschließen kann, dass auch hier Sportler zu diesen Mitteln greifen.

Wann fängt Doping an?

Doping fängt bei der persönlichen Entscheidung an und wird deutlich, sobald Mittel eingenommen werden, die auf der Dopingliste stehen. Es stellt sich immer die Frage: Wie weit möchte ich gehen, um meine gesteckten Ziele zu erreichen? Das ist im Freizeitbereich genauso. Es gibt eine Studie über einen Marathonlauf. Die Hälfte der Teilnehmer hatte Schmerzmittel eingenommen.

Die zwei Aspirin vor dem Laufen sind Doping?

Zum Beispiel. Und das kann gefährlich sein. Vor allem dann, wenn man die Warnsignale des Körpers ignoriert.

Kann man denn versehentlich dopen?

Wie bei der Geschichte mit der Zahnpasta? Ich persönlich glaube das nicht. Gerade Profisportler sind sich dem Thema mehr als bewusst.

Stichwort äußere Bedingungen: Das Olympische Dorf soll in erbärmlichem Zustand gewesen sein. Wirkt sich eine schlechte Unterkunft auf die Leistungen aus?

In der Medizin geht es immer um körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden. Das kann auch auf Olympia übertragen werden. Wenn Sportlern die Unterkunft nicht zusagt oder etwas defekt ist, kann das unter Umständen die Leistungsfähigkeit beeinflussen.

Gleiches gilt bei den Sportstätten. Die Guanabara-Bucht, olympisches Segelrevier, soll eine sehr schlechte Wasserqualität haben. Besteht sogar Gesundheitsgefahr?

Im Wasser wurden wohl Erreger gefunden, die Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, des Kreislaufsystems oder der Lunge hervorrufen. Sogar Krankenhauserreger sollen gefunden worden sein, da Abwässer umgefiltert in die Bucht gelassen werden. Natürlich ist das eine kritische Situation, doch gehe ich im guten Glauben davon aus, dass die Verantwortlichen es im Vorfeld ausreichend geprüft haben.

Vielen Dank für das Gespräch.