Hattingen/Essen. Ein psychisch kranker Mann aus Hattingen greift eine Nachbarin an. Beim Prozess vor dem Landgericht ist er plötzlich ein ganz anderer Mensch.
Der Angriff kam völlig überraschend: Vor rund drei Jahren ist ein psychisch kranker Mann aus Hattingen mit einem Alu-Besenstiel auf seine Nachbarin losgegangen. Er wusste sich offenbar nicht mehr anders zu helfen. Jetzt steht der 28-Jährige in Essen vor Gericht.
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Es war Neujahr 2021, als der Hattinger bei seiner Nachbarin klopfte. Die 37-Jährige saß gerade mit ihrer Familie zusammen. Als sie die Wohnungstür öffnete, stand ihr Nachbar direkt vor ihr. In einer Hand hielt er den Besenstiel, in der anderen den offenbar zuvor abmontierten Besen.
„Geräusche und Geister“
„Ich habe noch gesagt, Sie brauchen hier nicht zu fegen“, so die 37-Jährige bei ihrer Zeugenvernehmung. Es sei schließlich nicht seine Etage gewesen. Doch diese Worte hat ihr Nachbar wohl schon gar nicht mehr wahrgenommen. Er schlug sofort zu. Direkt auf den Kopf.
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„Mir ging es damals ganz schlecht“, sagte der 28-Jährige zum Prozessauftakt vor der 12. Strafkammer. „Da war immer so komisches Zeug in meinem Kopf – Geräusche und Geister.“ Auch von Ängsten, imaginären Stimmen und Verfolgungswahn war die Rede. „Die Stimmen haben mich belästigt.“
Alkohol und schwere Psychosen
Am Tattag ging offenbar alles durcheinander. Klare Gedanken waren nicht mehr möglich. Einer Psychiaterin hatte er später diese Sätze über seine Nachbarin gesagt: „Die wollte bei mir eindringen. Das geht doch nicht.“ Und: „Die hatte Superkräfte – so unmenschliche.“
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Es war die unheilvolle Kombination aus Alkohol und schweren Psychosen, die den Hattinger immer weiter nach unten gezogen haben. Seine Eigentherapie bestand aus rund zehn Flaschen Bier pro Tag, manchmal auch mehr. Dazu laute Musik. Das hatte im Haus schon früher für Ärger gesorgt.
Aus Mitleid aufgenommen
In dem Mehrfamilienhaus an der Brahmstraße konnte er nach dem Besenstiel-Angriff natürlich nicht mehr bleiben. Der 28-Jährige wurde zu einem Wohnheim nach Bochum gebracht, das Menschen aus der Obdachlosen- und Alkoholikerszene als Zufluchtsort dient. Doch auch dort war man wegen der schweren psychischen Erkrankung am Anfang skeptisch.
„Er war ziemlich ungepflegt“, erinnerte sich ein Betreuer bei seiner Zeugenaussage vor Gericht. Doch am Ende habe das Mitleid überwiegt. Die Aufnahme erfolgte unter drei Bedingungen: Entgiftung, absoluter Alkoholverzicht, regelmäßige Medikamenteneinnahme. Und das hat funktioniert.
Auf einem guten Weg
Inzwischen gilt der 28-Jährige sogar schon als eine Art Vorzeigebewohner – zuverlässig und friedlich. Nach Angaben des Betreuers ist er offenbar der Einzige im Haus, der tatsächlich gar keinen Alkohol mehr trinkt. Was der Beschuldigte auch bestätigt hat. „Das gibt sonst nur Ärger“, sagte er den Richtern.
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Demnächst soll er in eine Wohngruppe für psychisch kranke Menschen verlegt werden, wo ihm auch therapeutisch geholfen werden kann. Er hat sich sogar schon zweimal selbstständig um Arbeit bemüht. Doch nach dem ersten Probetag war immer gleich wieder Schluss. „Das frühe Aufstehen ist nicht sein Ding“, so der Betreuer. Der Prozess wird fortgesetzt.