Hattingen. Die Geschäftsführerin einer Reinigungsfirma (27) soll viel Geld unterschlagen haben. So lief der Prozess-Auftakt am Landgericht Bochum.

Es geht um Geld – um viel Geld. Auf der Anklagebank des Landgerichts Bochum sitzt zurzeit eine 27-jährige Hattingerin, die in der Zeit von November 2017 bis Oktober 2020 als Geschäftsführerin ihrer GmbH rund 688.000 Euro an Arbeitsentgelten, Lohnsteuer in Höhe von rund 174.000 Euro und Umsatzsteuer in Höhe von 37.000 Euro unterschlagen haben soll. Neben der Staatsanwaltschaft nahm daher auch ein Mitarbeiter des Finanzamtes Platz. Außer der Hattingerin sind noch zwei weitere Personen im Alter von 32- und 35 Jahren angeklagt.

Hattingerin soll zahlreiche, nicht gemeldete Arbeitnehmer beschäftigt haben

Die Hattingerin soll als Geschäftsführerin eines Gebäudeservice- und Reinigungsunternehmens zahlreiche, nicht gemeldete Arbeitnehmer beschäftigt haben. Die beiden anderen Angeklagten sollen deren GmbH Rechnungen von Subunternehmen vorgelegt haben, die als sogenannte Servicefirmen auftraten, tatsächlich aber gar nicht aktiv waren. Diese Rechnungen sollen per Überweisung zunächst beglichen worden sein, anschließend seien die Summen allerdings wieder in bar an die Hattingerin zurückgeflossen. Dieses Bargeld soll die 27-Jährige zum Zwecke der Lohnzahlung an ihre nicht gemeldeten Arbeitnehmer genutzt haben, ohne für sie Sozialbeiträge abzuführen, beziehungsweise Lohnsteuer zu bezahlen. Auch soll sie falsche Angaben in Bezug auf die Umsatzsteuer gemacht haben.

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Der Vorsitzende Richter Michael Janßen erklärte, dass auf Anregung der Kammer im Vorfeld der Verhandlung versucht worden sei, eine Verständigung zu erzielen. Das ist nach Paragraph 257 c möglich. „Es ging auch darum, ob in dem Fall eine Bewährungsstrafe möglich sei. Es wurde aber keine Verständigung erzielt.“

Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten

Der Paragraph 257c der Strafprozessordnung lässt eine Verständigung zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten zu. Bestandteil jeder Verständigung soll allerdings ein Geständnis sein. Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt diese Verständigung haben könnte. Es kann dabei auch um eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben.

Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag zustimmen. Das Gericht hat allerdings zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

In einem Rechtsgespräch gab es keine Einigung

Auf die Frage des Richters, ob die Angeklagten aussagen wollen, erklärten alle drei Verteidiger, dass ihre Mandanten zunächst schweigen würden. Stattdessen schlug der Hattinger Anwalt Henner Sentner, der die Hattingerin vertritt, vor, sich direkt noch einmal zu einem Gespräch zusammenzusetzen. Am Ende der Pause erklärte der Vorsitzende Richter, dass es zwischen der Kammer, der Staatsanwaltschaft, dem Finanzamt und den Verteidigern in dem Rechtsgespräch keine Einigung gegeben habe, obwohl Sentner darauf hingewiesen habe, dass die Umsatzsteuer inzwischen bezahlt wurde.

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Also ging der Prozess weiter, in dem alle Angeklagten eisern schwiegen. Michael Janßen machte in einer langen Ansprache an die Angeklagten deutlich, dass er für die Haltung nicht besonders viel Verständnis habe, weil sie sich damit keinen Gefallen täten. „Das erste Geständnis ist immer das wichtigste“, erklärt er. Denn es habe auch Auswirkungen auf das Strafmaß. Er verstehe, dass die beiden weiteren Angeklagten erst einmal abwarten wollten, wie sich die Hauptangeklagte verhalte. Aber die beiden könnten durchaus auch anfangen und erzählen, was da alles abgelaufen ist. Denn es sei sehr unwahrscheinlich, dass auf sie eine Gefängnisstrafe warte. „Legen Sie doch die Koffer auf den Tisch“, appellierte er.

Richter: „Dann sitzen wir eben bis zum Sommer hier, mir ist das egal“

Natürlich hätten sie alle auch das Recht, zu schweigen. „Dann sitzen wir eben bis zum Sommer hier, mir ist das egal.“ Er machte der Hattingerin allerdings sehr deutlich, dass ihr Schweigen nicht viel nütze. „Wir haben doch alle Papiere hier und wissen, dass Sie viele Schwarzarbeiter beschäftigt haben. Und natürlich will der Staat das Geld zurückhaben, das sie ihm vorenthalten haben. Legen Sie doch ein Geständnis ab und zahlen eine hohe Summe, womit nicht nur 30.000 Euro gemeint sind. Präsentieren Sie uns eine Geschichte, die zu den Rechnungen passt“, fordert er die 27-Jährige auf und erklärte: „So, das war jetzt das Wort zum Sonntag.“

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Ein Blick in die Geschichte des Familienunternehmens der Hauptangeklagten, die der Vorsitzende Richter vorlas, machte deutlich, dass viele Familienmitglieder schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Diebstahl, Unterschlagung, falsche Angaben zur Umsatzsteuer, um viel Geld zu sparen – und das alles „mit nicht unerheblicher krimineller Energie“. „Sie sind herzlich eingeladen, kommenden Freitag zu reden“, sagte Michael Janßen zum Schluss. Denn am nächsten Freitag (9.2.) um 9.30 Uhr wird der Prozess fortgeführt.