Hattingen. Über Jahre hat ein 53-Jähriger mit seinem Mann ungeschützten Sex - trotz HIV-Infektion. Wegen gefährlicher Körperverletzung ist er nun angeklagt.
Als er seinen späteren Ehemann Anfang 2015 kennenlernt, ist der Angeklagte bereits seit zehn Jahren mit dem HI-Virus infiziert. Dem Partner gesagt haben soll er von seiner Infektion nichts. Während der fünfjährigen Beziehung dann habe es mehr als 120 Mal ungeschützten Verkehr gegeben. Gefährliche Körperverletzung wirft ihm die Staatsanwaltschaft im Prozess vor dem Schöffengericht in Hattingen daher vor.
„Es hat immer wieder Gespräche gegeben, in denen HIV thematisiert wurde“
Der Angeklagte (53) selbst äußert sich zunächst nicht zur Anklage, lässt erst einmal seinen Verteidiger Peter Steffen sprechen. Der sagt, es habe zwischen seinem Mandanten und dessen damaligem Lebensgefährten „immer wieder Gespräche gegeben, in denen HIV thematisiert wurde“. Zudem habe sein Mandant einmal wöchentlich eine Positiv-Kochgruppe besucht, „das wusste auch der Partner. Mein Mandant geht davon aus, dass er von seiner Infektion wusste“. Zumal der Angeklagte damals auch Tabletten einnahm gegen HIV, drei verschiedene täglich. Die Medikamente hätten dabei offen auf einem Tisch in der Wohnung des Partners gelegen.
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Zwar habe er seinem Partner, den er in einem Online-Chat für Homosexuelle kennenlernte, nicht gleich am ersten Tag von der HIV-Infektion erzählt, sagt der Angeklagte später auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters. „Aber als feststand, dass wir zusammen bleiben wollten, habe ich ihm das gesagt.“ „Groß gesprochen“ aber hätten sie darüber nicht. Nichts gewusst habe der Partner zudem von seinen Terminen zur Blutabnahme alle paar Monate. „So wie Sie das schildern, klingt das alles ein bisschen komisch“, merkt der Staatsanwalt an.
In den ersten beiden Ehejahren: HI-Viruslast unter Nachweisgrenze
In den ersten beiden Jahren ihrer Ehe sei die HI-Viruslast dabei unter der Nachweisgrenze gewesen, sagt der Angeklagte. Damit galt er als nicht ansteckend. Einen Nachweis von Mitte 2015 legt er dazu vor.
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Geständig zeigt er sich in einem weiteren Teil der Anklage: dass er mit einem anderen Sexpartner (66), mit dem er zusammen mit seinem damaligen Mann ebenfalls einige wenige Male verkehrte, „nie“ über seine HIV-Infektion gesprochen habe. „Eigentlich hätte ich ihm das sagen müssen.“
„Die Frage nach Erkrankungen wurde immer verneint.“
Nichts gewusst habe auch er von der HIV-Infektion des Angeklagten, betont unterdessen der frühere Lebenspartner (59): „Die Frage nach Erkrankungen wurde immer verneint.“ Auch im Chat. Explizit nach HIV gefragt habe er seinen Mann allerdings nicht, auch nie Medikamente gegen HIV bei ihm gesehen. Und was die Positiv-Kochgruppe betrifft, habe er gedacht, sein früherer Mann arbeite da ehrenamtlich mit - „aber nicht jeder, der das tut, ist ja auch positiv“.
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Erfahren von der Infektion des Angeklagten, so der 59-Jährige, habe er erst 2020 durch einen Bekannten im Online-Chat. Im Februar des Jahres hatte er sich da bereits von seinem Mann getrennt, „weil der mich seit einem Jahr komplett belogen und seine Arbeitslosigkeit verschwiegen hat“. Sein eigener Test danach sei dann ebenfalls positiv gewesen. Er beantragte daraufhin die Auflösung der Ehe. Und informierte den früheren gemeinsamen Sexpartner (66) der zwei über die HIV-Infektion. Dessen Test: negativ.
Nie thematisiert worden sei HIV dabei zwischen ihnen dreien, erklärt der 66-Jährige. Und er fügt hinzu: Gehändelt werde das in der Szene „überwiegend auch nach Bauchgefühl, es gibt ja nicht mit jedem gleich sexuelle Kontakte“.
Im Familien- und Freundeskreis ging Angeklagter sehr offen mit seiner Infektion um
Die Schwester der Angeklagten betont derweil, ihr Bruder sei im Familien- und Freundeskreis „sehr offen mit seiner Infektion umgegangen“. Zudem habe sie ihn auch bei Besuchen des Paares bei ihr regelmäßig nach seiner Medikamenteneinnahme gefragt.
Der Angeklagte schließlich merkt noch an, dass es neben dem 66-Jährigen auch einen Bekannten aus der Kochgruppe gegeben habe, HIV-positiv wie er. Ende 2016 habe man sich zu dritt getroffen und der Bekannte habe damals zu seinem Mann gesagt, dass er und der Angeklagte „ja beide positiv sind“.
An einem weiteren Verhandlungstag (21.2., 8.30 Uhr) soll der Bekannte nun dazu befragt werden. Zudem ist eine den Angeklagten behandelnde Medizinerin als Zeugin geladen.