Hattingen/Oberhausen/Essen. Schüsse aus Kalaschnikow auf Zeitungsboten: Nach einem Mordversuch in Hattingen muss ein Mann aus Oberhausen für viele Jahre ins Gefängnis.
Die Urteilsbegründung hatte kaum begonnen, da rastete der Angeklagte auch schon aus. „Blablabla“, rief er immer wieder in den Saal. „Ich will mir das nicht mehr anhören.“ Und dann direkt an Richter Jörg Schmitt gewandt: „Fahren Sie zur Hölle.“ Nur wenige Minuten zuvor war der 33-Jährige aus Oberhausen vom Essener Schwurgericht wegen Mordversuchs zu 13 Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Er hatte in Hattingen mit einer Kalaschnikow auf einen Zeitungsboten geschossen.
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Die Tat vom 11. März vergangenen Jahres war der reinste Albtraum. Der Angeklagte war mit dem Mercedes seiner Mutter von Oberhausen zu einer einsamen Sackgasse zwischen Hattingen und Sprockhövel gefahren, hatte dort mit einer Kalaschnikow Schießübungen gemacht. Die ersten Salven waren gegen drei Uhr zu hören.
Im Blindflug aus der Sackgasse
Mit dem Zeitungsboten hatte er offenbar nicht gerechnet. Der 34-Jährige war gerade in die kleine Straße „Am Schellenberg“ eingebogen und saß noch in seinem Auto, als ihn der Angeklagte aufforderte, auszusteigen – mit dem Sturmgewehr im Anschlag. Kurz darauf fiel auch schon der erste Schuss.
Der Zeitungsbote hatte sich hinter sein Lenkrad geduckt, den Rückwärtsgang eingelegt und war praktisch im Blindflug wieder aus der Sackgasse herausgefahren. Ein Schuss traf seine Hand, einer streifte seine Schulter, ein anderer schlug in die Kopfstütze des Fahrersitzes ein.
„Ein ganz schlimmes Erlebnis“
Richter Jörg Schmitt sprach von einem „ganz schlimmen Erlebnis“. Bis heute ist unklar, ob der linke Zeigefinger des Opfers nicht doch noch amputiert werden muss. Von den psychischen Folgen ganz zu schweigen.
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Zu diesem Zeitpunkt der Urteilsbegründung war der Angeklagte allerdings schon nicht mehr im Saal. Die Richter hatten ihm zunächst eine weitere Woche Ordnungshaft aufgebrummt – wegen ungebührlichen Verhaltens. Dann hatten sie ihn von den Wachtmeistern aus dem Saal entfernen lassen, weil eine mündliche Urteilsbegründung nicht mehr möglich war. Doch auch das ging nicht geräuschlos ab.
„Schlag‘ mir ins Gesicht“
„Komm‘ doch rüber und schlag‘ mir ins Gesicht“, forderte der 33-Jährige den Vorsitzenden Richter auf. „So siehst du nämlich aus.“ Außerdem beschimpfte der Sohn eines marokkanischen Vaters, der allerdings in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, den Richter als „Rassisten“.
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In dem seit September letzten Jahres andauernden Prozess hatte der Oberhausener bis zuletzt zu den Vorwürfen geschwiegen. Erst kurz vor der Urteilsverkündung legte er doch noch ein Geständnis ab. „Das, was passiert ist, tut mir aufrichtig leid“, sagte er in Richtung des Zeitungsboten. „Ich habe das nicht gewollt.“ Er bete jeden Tag, dass die Verletzungen wieder verheilen.
Von der Mafia bedroht
Der Angeklagte war nach der Tat zu seiner Freundin nach Berlin geflohen, konnte dort aber schnell festgenommen werden. Er hatte am Tatort in Hattingen drei Handys vergessen, die die Ermittler zu ihm führten. Auch die Kalaschnikow hatte er damals mit in die Hauptstadt genommen. Sie lag in der Wohnung seiner Freundin, mit der er sich nach seiner Festnahme in der Haft verlobt hatte. „Wir wollen heiraten“, hatte seine Partnerin bei ihrer Zeugenvernehmung erklärt und dem Angeklagten Kusshändchen zugeworfen.
Bei seiner Festnahme hatte der 33-Jährige davon gesprochen, dass er von der Mafia bedroht werde und gedacht habe, dass er überfahren werden soll. Danach verfiel er in Schweigen.
Vorstrafe wegen versuchten Totschlags
Es ist nicht das erste Mal, dass der Oberhausener ins Gefängnis muss. Nach einer lebensgefährlichen Messerattacke im Jahr 2011 war er vom Duisburger Schwurgericht bereits wegen versuchten Totschlags zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Diese Strafe hatte er bis auf den letzten Tag abgesessen.
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Sollte sich der Angeklagte in der nun anstehenden Haft nicht ändern, könnte am Ende auch noch die anschließende und unbefristete Sicherungsverwahrung angeordnet werden – zum Schutz der Allgemeinheit. Auch dafür hat das Essener Schwurgericht den Weg schon freigemacht.
Revision angekündigt
Der 33-Jährige selbst will das Urteil natürlich nicht akzeptieren. „Ich lege Revision ein“, rief er über das Saalmikrofon, bevor er von den Wachtmeistern abgeführt wurde.