Hattingen/EN-Kreis. Schnapsidee oder eine Chance: Im EN-Kreis wird wieder über Seilbahnen als Ergänzung zum ÖPNV gesprochen. Hattingen kennt solche Gedankenspiele.

Seilbahnen sollen den ÖPNV ergänzen – das steht im EN-Kreis jetzt in der Diskussion. Für Hattingen ist die Seilbahn-Idee indes nicht neu.

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Die Christdemokraten im Kreis denken nicht nur laut über diese Möglichkeit nach, sie haben sich jetzt sogar in einer offenen Fraktionssitzung mit der Fragestellung „Seilbahnen als mögliche Alternative zum ÖPNV?“ beschäftigt. Schnapsidee oder Chance? Hirngespinst oder realistische Alternative? „Wenn wir die Verkehrswende gestalten wollen, dann müssen wir ergebnis- und technologieoffen diskutieren“, meint der CDU-Kreisfraktionsvorsitzender Ulrich Oberste-Padtberg.

Ein Vorschlag: Eine Seilbahn, die als Teil des Öffentlichen Nahverkehrs zwischen Witten-Heven, dem Kemnader See und der Ruhr-Uni Bochum pendeln soll. Ein anderer: die Strecke von der Burg Volmarstein zum Bahnhof Alt-Wetter.

Idee sorgt 1996 in Hattingen für Aufregung und Schlagzeilen

In Hattingen sorgt Thomas Röthig im Jahr 1996 ein halbes Jahr lang für Aufregung und Schlagzeilen. Seine Idee: eine Seilbahn von der Ruhr hinauf zur Isenburg – als touristische Attraktion, als Leuchtturm, der Hattingen hell mitten im Ruhrgebiets leuchten lassen soll.

Ministerpräsident Johannes Rau schreibt an den engagierten Hattinger („Ich freue mich, dass Ihr Touristik-Projekt in Hattingen gut ankommt“) und bittet seinen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, den Vorschlag zu prüfen. DFB-Trainer Erich Rutemöller („Mach et Otze!“), ein Freund Röthigs, unterstützt die Idee ebenso wie die Universität Trier und die Interessengemeinschaft Altstadt-Gastronomie (IGAG). Mit der Fiege-Brauerei findet sich sogar ein potenzieller Sponsor des Projekts.

Foto-Montage aus dem Jahr 1996: Eine Seilbahn von der Ruhr zur Isenburg in Hattingen.
Foto-Montage aus dem Jahr 1996: Eine Seilbahn von der Ruhr zur Isenburg in Hattingen. © WAZ | Udo Kreikenbohm

Thomas Röthig führt etliche Gespräche, mit der Stadt Hattingen etwa, mit dem Wirtschaftsministerium in Düsseldorf wegen Fördergeldern und mit dem Sponsor Fiege. Letztendlich verkündet die Stadtverwaltung Ende ihres Jubuiläumsjahres 1996 (600 Jahre) aber das Aus für das Seilbahnprojekt. ­Begründung: „Weil man kein Disneyland auf dem Isenberg wollte“, erzählt Thomas Röthig später in einem WAZ-Gespräch.

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Das ärgert ihn noch lange. „Mich ärgerte die Innovationsfeindlichkeit der Stadt Hattingen“, sagt er. Und deshalb hat er sich daraufhin dazu entschlossen, bei der Kommunalwahl 1999 als parteiloser Bürgermeisterkandidat anzutreten. Beachtliche 5,2 Prozent der abgegebenen Stimmen erzielt Thomas Röthig und sorgt damit für eine Stichwahl zwischen Dieter Liebig (SPD) und Michael Lunemann (CDU). Diese gewinnt schließlich Liebig mit 50,9 Prozent der Stimmen.

Thomas Röthig im Jahr 1996.
Thomas Röthig im Jahr 1996. © WAZ | Udo Kreikenbohm

Doch zurück ins Jahr 2024. „Der Vorteil von Seilbahnen ist: Man kann sie temporär und modular aufstellen. Sie sind kreuzungsneutral, können über Autobahnen und Gleise führen. Sie fahren vollkommen emissions- und geräuschfrei“, schwärmt Ulrich Oberste-Padtberg. „Wir wollen zumindest, dass man einmal vernünftig prüft, ob ein solches Modell überhaupt machbar ist. Wenn nicht, wäre das eine vertane Chance.“ Immer wieder wird die Internationale Garten-Ausstellung (IGA) 2027 in diesem Zusammenhang genannt.

Zwei Experten sind extra in den EN-Kreis gekommen

Wolfram Auer, Projektplaner der Doppelmayr Seilbahnen GmbH, und Christoph Rittersberger, Geschäftsentwickler der Transdev, einem Betreiber urbaner Seilbahnen, sind extra in den EN-Kreis gekommen, um über die Machbarkeit einer solchen Idee zu sprechen.

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Möglich, das wurde schnell klar, ist vieles. Auer etwa, der extra vom Bodensee angereist war und dem der Ennepe-Ruhr-Kreis bis dato völlig unbekannt war, stellte fest: „Ich bin sehr erfreut über die topographischen Herausforderungen hier.“ Das Wort „Berg“ nahm er als Allgäuer selbstredend nicht in den Mund. Rittersberger betont die Nachhaltigkeit mit einer enormen CO₂-Ersparnis.

Nicht im EN-Kreis wird über Seilbahnen nachgedacht

Im EN-Kreis wird jetzt wieder über Seilbahnen als Ergänzung zum ÖPNV nachgedacht – aber nicht nur hier: In Herne etwa treibt die Lokalpolitik Pläne für eine Seilbahn im Stadtteil Wanne-Eickel voran, die vom Bahnhof zur Industriebrache Blumenthal führt.

Eine Machbarkeitsstudie dazu liegt bereits vor. Allerdings ist das Projekt mit 32 Millionen Euro für den Bau der Seilbahn auch nicht ganz billig. Bis zu 95 Prozent der Baukosten könnten aber aus Fördermitteln von Bund und Land bezahlt werden.

Auer sagt indes auch: „Seilbahnen sind nicht das Allheilmittel. Alle Verkehrsmittel müssen miteinander verknüpft sein und sich ergänzen.“ Das bedeute auch, dass Umstiege optimal als Netz funktionieren müssten, die Seilbahn quasi eine Zubringer- oder auch Brückenfunktion hätte.

So hoch können die Kosten einer Seilbahn sein

Wie teuer ist denn so eine Seilbahn? Selbst bei einer Förderung von bis zu 90 Prozent von Bund und Land bleiben weitere Kosten übrig. „Die Kosten sind ganz individuell. Die Stadt Mannheim hat für ihre Seilbahn 10 bis 15 Millionen Euro berappen müssen“, berichtet Wolfram Auer. Die Zahl bezieht sich auf die Seilbahntechnik und die dafür notwendigen Bauten. Die Seilbahn hat eine Länge von 2,5 Kilometern. „Die Kosten summieren sich durch die Anzahl der Stationen, nicht durch die Länge des Seils.“

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Als nächsten Schritt werden die Christdemokraten nun Landrat Olaf Schade damit beauftragen, das Thema auf die Agenda zu nehmen.