Hattingen. Wegen Körperverletzung und Diebstahl ist eine Frau angeklagt. Mitten im Prozess verlässt sie das Amtsgericht Hattingen. Was dann folgt.

Das war mal ein Gerichtsprozess der anderen Art. Als die Verhandlung wegen Körperverletzung und Diebstahls unterbrochen wird, hat die Angeklagte keine Zeit und wohl auch keine Lust mehr auf ihren Prozess. Die Ansage ihres Anwalts Tim Salewski, dass sie bleiben müsse, interessiert sie herzlich wenig. Sie steht auf und verlässt den Saal. Der sportliche Richter Johannes Kimmeskamp informiert sofort die Justiz-Angestellen am Eingang, schmeißt seine Robe auf den Tisch und flitzt der Angeklagten hinterher. Und das bei Minusgraden und leichtem Schneefall.

Eingefangen“ wird die Angeklagte, als sie Richtung Hattingens Stadtmitte spaziert

„Eingefangen“ wird die Angeklagte dann, als sie ruhigen Schrittes Richtung Stadtmitte spaziert. Danach kommt sie in Gewahrsam und wird für die weitere Verhandlung vorgeführt.

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Angeklagt wegen Körperverletzung und Diebstahls ist die 36-Jährige, die – wie die Staatsanwältin später feststellt - nichts zum Vorantreiben der Verhandlung beiträgt. Zwei Anklagen wurden dabei zusammengefasst. Zum einen hatte die Angeklagte sich bei Norma zwei Brote im Wert von knapp drei Euro geschnappt und war anschließend ohne zu bezahlen durch den Kassenbereich gegangen. Das hatte ihr eine Anzeige und Hausverbot eingebracht.

Einem Mann hat Angeklagte mit einem kaputten Regenschirm ins Gesicht geschlagen

Die andere Straftat spielte sich vor Rewe an der Thingstraße ab: Dort geriet sie mit einem Mann in Streit und schlug ihm spontan mit einem kaputten Regenschirm ins Gesicht. Auf die Frage des Richters, ob sie dazu Stellung nehmen wolle, erklärt sie, sie könne sich daran nicht erinnern.

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Mit der Erinnerung klappt es auch auf anderer Ebene nicht. Auf die Frage des Richters, ob sie Kinder habe, sagt sie: „Nein, ich wohne alleine.“ Das habe er schon verstanden, sagt Johannes Kimmeskamp, das sei aber nicht die Frage gewesen. In den Akten stehe, dass sie eine Tochter habe, die in einer Pflegefamilie lebt. Auch dazu fällt der Angeklagten, die unter Betreuung steht, nichts ein. „Sie entzieht sich auch in der Betreuung, die sich für sie einsetzt, jeder Kontaktaufnahme“, erklärt der Richter nach einem Telefonat während der Gerichtsverhandlung.

Gerichtlich ist die 38-Jährige kein unbeschriebenes Blatt

Gerichtlich ist die 38-Jährige kein unbeschriebenes Blatt. Sie ist einschlägig wegen Diebstahls und Körperverletzung vorbestraft und stand zum Zeitpunkt der neuen Delikte noch unter Bewährung. Insgesamt acht Straftaten gab es bereits in der Vergangenheit, die zum Teil zurückreichen bis in die Jahre 2015 und 2016. Außerdem hat die Staatsanwältin noch einen Vorfall vom 7. August 2023 beim Amtsgericht Bochum vorliegen, wo die Frau ebenfalls wegen Diebstahls angeklagt war.

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Die Staatsanwaltschaft sieht den Vorwurf der Körperverletzung auch im jüngsten Fall bestätigt und fordert angesichts der vielen einschlägigen Straftaten in der Vergangenheit eine Gesamtstrafe von zehn Monaten – ohne Bewährung. „Denn in diesem Fall ist eine Bewährung nicht erfolgversprechend“, stellt sie fest.

„Meine Mandantin hat Schwierigkeiten, sich im Leben zurechtzufinden“

Diese Forderung geht Anwalt Tim Salewski aber deutlich zu weit. „Man hat ja gesehen, dass meine Mandantin Schwierigkeiten hat, sich im Leben zurechtzufinden. Ich halte eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung für unangemessen“, stellt er fest.

Die Strafmaße

Eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe erwartet jemanden, der eine andere Person körperlich misshandelt. Schon der Versuch ist strafbar. Das machte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer noch einmal deutlich.

Das gleiche Strafmaß hat der Gesetzgeber festgesetzt, wenn jemand eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, sie sich oder einem Dritten rechtswidrig zu eigen zu machen. Auch diese Taten werden mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafe geahndet.

Klar geworden sei nicht, so Richter Kimmeskamp, ob das Verhalten der Angeklagten eine Strategie ist oder nicht. „Vielleicht kommt man ja immer durch, wenn zu allem einfach nichts sagt“, stellt er in den Raum.

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Die 38-Jährige verurteilt der Richter sodann zu einer Geldstrafe von 1500 Euro - vor allem, weil einige Taten noch innerhalb der Bewährungszeit passiert sind. Der Richter räumt ein, dass man in diesem Fall sehr wohl auch eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung hätte verhängen können und macht die Angeklagte darauf aufmerksam, dass – auf Antrag der Staatsanwaltschaft – die Bewährungsstrafe jetzt um ein Jahr verlängert wird.