Hattingen. Mehr als 1000 Fotos & Videos von „schwerstem sexuellen Missbrauch“: Das Schöffengericht Hattingen urteilt anders als vom Staatsanwalt beantragt.

Einschlägig vorbestraft, 69 Jahre alt – und am 28. Oktober 2022 wieder aufgefallen, weil er kinderpornografische Bilder und Videos heruntergeladen hat. Und zwar weit mehr als 1000. Schwerster sexueller Missbrauch unter anderem von Kleinkindern und sogar Säuglingen sind darauf zu sehen, wie der Staatsanwalt in seiner Anklage verliest. Er fordert deshalb eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Das Schöffengericht urteilt allerdings anders.

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Zugeben will der Angeklagte, der laut seinem Anwalt über keinen Computer oder Laptop verfügt, lange Zeit allerdings nichts. „Es ist ekelhaft und abscheulich, ich habe nicht bewusst heruntergeladen“, betont er mehrfach. Ihm tue das alles von Herzen leid.

Staatsanwalt nimmt Angeklagten die Version nicht ab

Schon zu Beginn stellt der Staatsanwalt klar, dass er ihm die Version nicht abnimmt. Dann wird die Verhandlung unterbrochen, weil Anwalt Peter Steffen mit seinem Mandanten sprechen will. Nach der Unterbrechung dann die Wende: Der Angeklagte lässt über seinen Verteidiger mitteilen, dass die Vorwürfe eingeräumt werden. Allerdings bezieht sich das Geständnis nur auf den Besitz von Fotos und Videos und nicht die Verbreitung eines Videos. Weil das nicht eindeutig nachgewiesen werden kann.

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Über ein Video waren die Behörden auf ihn aufmerksam geworden. Ein Polizist, der die Durchsuchung vorgenommen hatte, schilderte die Situation damals vor Ort. Man habe ihm den Durchsuchungsbefehl gezeigt und angefangen zu suchen. Der Angeklagte habe aber gesagt, er habe kein Handy, weil es verloren gegangen sei. Das glaubten ihm die Beamten aber nicht. „Wir haben dann einfach mal seine Telefonnummer angerufen und da klingelte es hinter einem Schrank.“ Daraufhin konnten die Daten seines Handys ausgewertet werden.

Staatsanwalt will nicht über Bewährungsstrafe reden

Der Staatsanwalt stellt in seinem Plädoyer noch einmal klar, dass es sich um „schwersten sexuellen Missbrauch von kleinen Persönlichkeiten“ handelt. Vor allem, wenn man im Bekanntenkreis kleine Kinder habe oder selbst Kinder, können man die Taten einordnen. Auch dass der Angeklagte lange Zeit die Taten nicht zugegeben habe, hob der Staatsanwalt hervor. Da dem 69-Jährigen die Verbreitung von Kinderpornographie nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, ließ er den Punkt fallen. Er forderte aber für den Besitz derart schlimmer Fotos und Videos und der einschlägigen Vorstrafen zwei Jahre und drei Monate Haft. „In dem Fall kann man nicht mehr über eine Bewährungsstrafe reden.“

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Anwalt Peter Steffen gibt dem Staatsanwalt in der Beurteilung des gefundenen Materials recht. Er erinnert aber daran, dass der Angeklagte den Besitz zugegeben hat und die Vorstrafen lange her sind – aus den Jahren 2012 und 2014. Außerdem fordert auch er, dass der Anklagepunkt Verbreitung von Kinderpornographie fallengelassen wird, weil er nicht nachgewiesen werden könne. Eine Sozialprognose abzugeben sei schwierig. „Ich weiß nicht, ob eine Therapie im Alter noch hilft“, stellt er fest und bitte für seinen Angeklagten um eine milde Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Das Schöffengericht kommt indes zu einem anderen Schluss: Im Namen des Volkes verkündete Richter Johannes Kimmeskamp: „Der Angeklagte wird zu zwei Jahren und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.“ Der Angeklagte gebe nur millimeterweise das zu, was man ihm auch nachweise könne. Was die Flut an Fotos und Videos bedeuteten, sei ja hinreichend diskutiert worden. Außerdem sei der Angeklagte nicht nur einschlägig, sondern auch wegen sexuellen Missbrauchs bereits verurteilt worden. Da könne man über eine Bewährung nicht mehr reden.