Hattingen. Kirsten Schaft häkelt und verteilt Sorgenwürmchen, um fremden Menschen eine Freude zu machen. Dafür erhielt sie einen bewegenden Dankesbrief.

Sie kann streichen, tapezieren, Möbel zusammenbauen, ist eine Frau, die anpackt. Aber Handarbeit, das war nie ihr Ding. Und doch häkelt Kirsten Schaft seit August dieses Jahres jeden Abend. „Es ist eine absolute Sucht geworden“, erzählt sie freudestrahlend. Denn was sie nach Feierabend anfertigt, sind kleine, gehäkelte Würmchen, die zunehmend an Bekanntheit gewinnen: Die Sorgenwürmchen, Worry Worms oder aber auch Glückswürmchen.

Hattingerin häkelt Würmchen gegen Sorgen

Die Hattingerin ist im Sommer bei Facebook über die Aktion gestolpert. Die gehäkelten Würmchen werden mit einem Spruch in einem Tütchen verpackt ausgelegt, um dem Finder eine Freude zu machen und die Sorgen aufzufressen.

Als die 53-Jährige ihre erste Wolle gekauft hatte, galt ihr erster Anruf ihrer Mutter. „Ich konnte mit diesen Begriffen in der Häkelanleitung überhaupt nichts anfangen“, erinnert sie sich. „Was sollen bitte LM sein?“ Kirsten Schafts Mama, in Handarbeit weitaus routinierter als ihre Tochter, erklärt die Abkürzungen, wie hier Luftmaschen, und auch, wie gehäkelt wird.

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Kirsten Schaft hat immer Sorgenwürmchen in der Tasche. „Man weiß ja nie“ ist ihre Devise. Hier hängt sie gerade ein Sorgenwürmchen auf, das auf einen Finder wartet.
Kirsten Schaft hat immer Sorgenwürmchen in der Tasche. „Man weiß ja nie“ ist ihre Devise. Hier hängt sie gerade ein Sorgenwürmchen auf, das auf einen Finder wartet. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Mit jedem Sorgenwürmchen wird Kirsten Schaft routinierter

„Die ersten Versuche waren wirklich nicht so schön“, erinnert sich Kirsten Schaft. Aber dennoch packt sie die Würmchen ein. „Anfangs hatte ich wirklich Angst, sie zu verteilen“, erinnert sie sich. Als Mitarbeiterin eines Pflegedienstes möchte sie die gehäkelten Werke zunächst an ihre Patienten weitergeben. „Es ist schon ein komisches Gefühl und man fragt sich, ob die Leute das vielleicht doof finden.“

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Doch die Freude über die kleinen Geschenke ist groß und so fasst sich Kirsten Schaft schließlich ein Herz und „wildert sie auch in der Natur aus“. Die Orte sind immer unterschiedlich und manches Mal verrät sie in Hattinger Facebookgruppen auch, wann sie in etwa ihre Aktion plant. Mittlerweile hat sie 400 bis 500 Sorgenwürmchen gehäkelt und auch fast immer welche zum Verschenken oder Auswildern dabei: „Man weiß ja nie“, sagt die Freudenbringerin, „wen man trifft.“

Sorgenwürmchen in Hattingen sollen Freude bringen

„Es schreiben mich immer wieder mal Menschen an, deren Kinder gerne mal ein Würmchen finden möchten, dann verrate ich ihnen natürlich auch, wo in etwa ich eins verstecken werde.“ Auf dem Zettel mit dem Spruch vermerkt die Hattingerin kein Kürzel oder ihren Namen, denn „es ist ja völlig egal, wer dahintersteckt, es geht ja nur darum, jemandem eine Freude zu machen.“

So sind Sorgenwürmchen entstanden

Woher der Trend mit den Sorgenwürmchen kommt, ist umstritten. Die meisten vermuten, dass der Ursprung der „Worry worms“ in England liegt.

Es gibt aber auch eine Kindergeschichte über „Sam, das Sorgenwürmchen“. In dem Buch gibt es auch eine Häkelanleitung für die Würmchen.

Im Internet gibt es bei Facebook diverse Gruppen der Sorgenwürmchen, in denen sich die Häkelfreunde austauschen, aber auch Finder ihre kleinen Würmchen posten.

Sorgenwürmchen werden niemals verkauft, es sei denn, sie werden bei einem Basar angeboten und der Erlös fließt in einen guten Zweck.

Und so sieht sie die kleinen Sorgenwürmchen immer wieder mal an Taschen von fremden Menschen baumeln, wenn sie durch die Fußgängerzone geht und manches Mal hört sie auch, wenn sich jemand freut, der kurz hinter ihr das gerade versteckte Häkelwerk entdeckt. „Dann gehe ich mit einem Lächeln weiter.“

Ob Glückswürmchen oder Sorgenwürmchen: Die putzigen Figuren sollen den Finder erfreuen.
Ob Glückswürmchen oder Sorgenwürmchen: Die putzigen Figuren sollen den Finder erfreuen. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Auch wenn Kirsten Schaft ihre Sorgenwürmchen anonym auswildert, manches Mal findet ein Dankeschön dennoch zu ihr, ob über Facebook aber auch über andere Wege. Wie neulich, „da hatte ich mit meiner Mutter ein Sorgenwürmchen in eine Hecke gehangen und am nächsten Tag eine Botschaft gefunden.“

Dankesbrief für Sorgenwürmchen an Fundort hinterlassen

Es war ein kleiner Brief mit einem Glückscent: „An den ,Macher’ vom Talisman: Was eine nette Idee. Ich habe Leukämie, aber der Talisman passt nun auf mich auf. Danke“. Diese Botschaft hat die Macherin sehr berührt. Sie selbst hat übrigens, bis heute, noch nie ein Sorgenwürmchen gefunden. Aber das macht ihr nichts, denn ihre Freude liegt darin, anderen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und die Sorgen für einen Moment lang vergessen zu lassen.

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Diese rührende Dankesbotschaft samt Glückscent fand Kirsten Schaft einen Tag, nachdem sie ein Sorgenwürmchen auswilderte, genau an der Stelle, wo sie es ausgelegt hatte.
Diese rührende Dankesbotschaft samt Glückscent fand Kirsten Schaft einen Tag, nachdem sie ein Sorgenwürmchen auswilderte, genau an der Stelle, wo sie es ausgelegt hatte. © Kirsten Schaft
Die Plastiktüten sorgen dafür, dass der Wurm aus Wolle nicht nass wird.
Die Plastiktüten sorgen dafür, dass der Wurm aus Wolle nicht nass wird. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

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Die Hattingerin freut sich, wenn sie anderen Menschen mit ihren kleinen Handarbeitskünsten eine Freude machen kann.
Die Hattingerin freut sich, wenn sie anderen Menschen mit ihren kleinen Handarbeitskünsten eine Freude machen kann. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer
Ob an einem Baum oder auch in einem Wartezimmer beim Arzt: Die Sorgenwürmchen verteilt Kirsten Schaft da, wo sie gerade ist.
Ob an einem Baum oder auch in einem Wartezimmer beim Arzt: Die Sorgenwürmchen verteilt Kirsten Schaft da, wo sie gerade ist. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

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Etliche Sorgenwürmchen hat die Hattingerin bereits gehäkelt und ausgewildert. Noch nie hat sie eines auf dem Boden oder weggeworfen gefunden.
Etliche Sorgenwürmchen hat die Hattingerin bereits gehäkelt und ausgewildert. Noch nie hat sie eines auf dem Boden oder weggeworfen gefunden. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer
Immer ein Sorgenwürmchen in der Tasche: Um es zu verschenken oder auszuwildern hat Kirsten Schaft.
Immer ein Sorgenwürmchen in der Tasche: Um es zu verschenken oder auszuwildern hat Kirsten Schaft. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer