Hattingen. Eine Mutter verletzt einen ihrer Söhne – und steht deshalb vor dem Amtsgericht Hattingen. Dort offenbart sich eine schwierige Familiensituation.

Sie hat ihren damals sieben Jahre alten Sohn in den Unterarm gebissen und ihm die Lippe blutig geschlagen. Doch hinter diesem Vorfall, wegen dem eine 32-jährige Hattingerin nun der Körperverletzung am hiesigen Amtsgericht angeklagt ist, steckt eine außergewöhnlich schwierige Familiensituation. In der die dreifache Mutter es immer wieder mit impulsiven Ausbrüchen des Jungen zu tun bekommt.

Es ist der 5. Februar, kurz nach 23 Uhr, als es zu der folgenreichen Ausschreitung der Angeklagten kommt, eine solche gibt die junge Frau vor Gericht auch zu. „Es war aber nicht absichtlich.“ Ihr Sohn sei kurz zuvor aufgewacht, es habe ihm nicht gepasst, dass sie ihn aufforderte, sich wieder schlafen zu legen. „Er fing an zu schreien, zu treten zu hauen“, erzählt die 32-Jährige.

„Ich musste mich irgendwann vor ihm schützen“

Dass sie versucht habe, ihn zu stoppen, sich dafür mit ihrem ganzen Gewicht auf ihn drauf gelegt habe, es schließlich auch zu einem Schlag gegen den Sohn gekommen sei, „ich musste mich irgendwann vor ihm schützen“.

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Nachbarn hatten angesichts der Geräusche aus der Wohnung die Polizei gerufen. Sie hatten damals auch ausgesagt, die Angeklagte habe zu ihrem Sohn gesagt: „Du hast mir mein Leben kaputt gemacht.“ Die junge Frau nickt: Die Situation mit ihrem Sohn „nimmt einen mit“, da sage man mitunter „Sachen im Affekt, das tut einem im Nachhinein auch leid“.

Als Kleinkind Zeuge geworden, wie ihr damaliger Partner sie geschlagen habe

Dass es mit dem damals siebenjährigen Jungen erhebliche erzieherische Probleme gibt, wird im Prozess dabei sehr deutlich. Dieser sei als Kleinkind Zeuge geworden, wie ihr damaliger Partner sie geschlagen habe, sagt die Angeklagte. Seit sie sich 2019 von seinem Papa getrennt habe, habe er immer wieder „Flash-Backs“, werde plötzlich gewalttätig.

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Aus mehreren Wohngruppen ist er – wie auch der jüngere Bruder – deshalb schon geflogen, war bereits in einer Fachklinik, hat die Mutter und andere sogar schon mal mit einem Messer angegriffen. Seit geraumer Zeit nimmt die Mutter, bei der aktuell der damals Siebenjährige und dessen jüngerer Bruder wohnen, Erziehungshilfemaßnahmen in Anspruch.

Vorfall „vermutlich im Affekt passiert“

Die Probleme hätten „ja nicht mit jener Tat begonnen“, sagt eine Jugendamtsmitarbeiterin. Der mittlere Sohn habe immer wieder „Impuls-Ausbrüche“. Auch gegenüber der Mutter. Dennoch äußere die Angeklagte ganz klar den Wunsch, mit ihm und dessen jüngerem Bruder zusammenzuleben. „Ich schätze sie auch so ein, dass sie das Beste für ihre Kinder möchte.“ Eine Mitarbeiterin der Ambulanten Jugend- und Familienhilfe bestätigt das. Und betont: Die 32-Jährige sei „eine sehr motivierte Mutter“, der Vorfall „vermutlich im Affekt passiert“.

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Diesem vorausgegangen, so die Jugendamtsmitarbeiterin, sei ein Streit der Angeklagten mit ihrem jetzigen Lebenspartner. Weil sie mit den beiden jüngsten Söhnen in eine Mutter-Kind-Einrichtung gehen wollte – ohne den Partner.

Mutter sagt, sie habe ihren Sohn „nicht bewusst angegriffen“

In der Tatnacht war die Angeklagte dann alkoholisiert, hatte etwa 1,6 Promille. Ob Alkohol denn Teil des Problems sei, fragt Richter Amann. „Nein“, erwidert die Angeklagte. Und beteuert, sie habe ihren Sohn „nicht bewusst angegriffen“.

Richter Amann schließlich kommt zum Ergebnis, man könne in jener Nacht ein Notfall-Situation der Angeklagten „nicht so ganz ausschließen“, zudem sei die familiäre Situation tatsächlich „besonders“.

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Nach einer knappen Stunde Verhandlung wird das Verfahren gegen die Hattingerin dann ohne Auflagen eingestellt. Amann rät dieser indes, „unbedingt weiter im Austausch mit den Mitarbeitenden von Jugendamt und Ambulanter Jugend- und Familienhilfe zu bleiben – „um perspektivisch eine Lösung für die Kinder zu finden. Wie immer diese auch aussieht.“