Hattingen. Zahme Kormorane sind ein Problem, Rohrdommeln „Pittbulls unter den Wasservögeln“: Paasmühle Hattingen kümmert sich um Wildvögel. Details, Video.
Die Schleiereule mit Schädel-Hirn-Trauma, der Steinkauz mit Zecken am Auge, der Storch, der einem Windrad zu nah kam: Hier sind die Geschichten von Gästen in der Paasmühle – der Pflegestation für Eulen, Greifvögel und Wasservögel in Hattingen. Warum zahme Kormorane ein Problem – und Kippflügel bei Gänsen keins sind.
Kaum kommt Thorsten Kestner, Chef der Paasmühle, in die Voliere mit den beiden in diesem Jahr geborenen Kormoranen, stürzen sie auf ihn zu, erwarten ihr Futter. Das sieht putzig aus – ist es aber nicht. Denn das Auswildern dürfte sich als schwierig erweisen. „Denn wenn sie zahm sind, gehen sie auch auf Radfahrer und Spaziergänger zu“, sagt Thorsten Kestner. Kein Vergnügen angesichts der imposanten Vögel.
Kormorane fielen als Küken aus dem Nest: Paasmühle Hattingen kümmert sich
Dass es überhaupt so weit kommen konnte, ist ein Wunder. Denn die Vögel fielen als Küken aus dem Nest. „Normalerweise ertrinken sie dann, aber ein liebevoller Mensch hat sie sofort gefunden und sich ihrer angenommen.“ Mit dem bekannten Ergebnis. Kestner hofft nun, dass der Wildinstinkt in der Pubertät doch noch durchschlägt. „Kormorane sind hochintelligent“, sagt er. Angelhaken würden ihnen oft zum Verhängnis.
Helfer und Spenden dringend benötigt
Wie viele Stunden Thorsten Kestner in die Pflege der Vögel steckt, kann er kaum noch zählen. Tag und Nacht ist er im Einsatz – und könnte dringend zupackende Helfende brauchen.
Zu tun gibt es reichlich: Noch sind nicht alle Hochwasserschäden behoben, dazu müssen von Borkenkäfern befallene Bäume gefällt werden. Dann kann eine Voliere erweitert werden.
Auch die Spendenbereitschaft für den Verein Paasmühle sei quasi nicht vorhanden, berichtet Kestner. Dabei gilt es hohe Kosten für Futter, Medikamente und Co. zu bezahlen. Kontakt und Info über die Homepage www.paasmuehle.de.
Spendenkonto: Sparkasse Witten, Wildvogelstation Paasmühle, Konto 108552316, BLZ 45250035, IBAN DE46 4525 0035 0108 5523 16.
Auch der Kolkrabe kommt auf Kestner zugehüpft. Er war lange in Pflege, hat sich an Menschen gewöhnt – und so steht auch hier zu befürchten, dass er sich in Freiheit Menschen nach Futter anbettelt und ihnen auf den Leib rückt. Sodom heißt er übrigens. Gomorra gibt es auch. Das ist ein Bussard, der Dauergast ist.
Basstölpel und Rohrdommeln mit Vorsicht genießen
Kommen übrigens Basstölpel und Rohrdommeln, die Kestner die „Pittbulls unter den Wasservögeln“ nennt, zur Pflege, schließt er die Pflegestation hinter sich ab und steckt den Schlüssel ein – damit sie Ehrenamtlichen nicht aus Versehen zusetzen können. „Die sind eine Katastrophe in der Pflege.“
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Für den Schwarzstorch, der einem Windrad zu nah kam, wird es keine Auswilderung geben. „Aber es gibt tolle Schwarzstorch-Zuchtanlagen, wo er sich wohlfühlen wird.“ Schon beringt sind zwei Reiher in einer der Volieren – Reiher heißen hier übrigens alle Rüdiger. So wie der, der schon wieder in Freiheit ist, gern zurückkommt und sich bei Kestner auf die Schulter setzt. Lothar Pfau dagegen – alle Pfaue heißen hier so -- klopft gern an die Küchentür, damit er vom Brot seinen Anteil abbekommt. Er ist in Düsseldorf über die Kö gelaufen. „Eigentlich passt das zum Pfau“, sagt Kestner scherzend.
Schleiereule mit Schädel-Hirn-Traume, Turmfalke mit Schulterprellung
Die Schleiereule mit dem Schädel-Hirn-Trauma darf bald wieder in die freie Natur. Sie ist schon wieder ganz rege. Dagegen braucht der Wanderfalke mit der Schulterprellung noch ein Weilchen – er muss die Muskeln fürs Fliegen erst wieder trainieren. Wie es zu einer Schulterprellung kommt? „In letzter Sekunde bemerkt der Vogel eine Scheibe, dreht ab, schafft es aber nicht mehr, auszuweichen.“
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Zahlreiche Gänse mit Kippflügeln tummeln sich an den Teichen der Paasmühle. Dabei sind sie gar nicht krank. „Das ist ein Gendefekt und stört die Tiere überhaupt nicht. Sie können halt nur nicht fliegen. Für sie ist es schlimmer, dass sie aus ihrem Familienverband gerissen werden“, erklärt Thorsten Kestner und ruft dazu auf, die Tiere nicht einzufangen.
Eine gepflegte Ente hat es bis zum Baikalsee geschafft
Zwischen drei Tagen und zwei Jahren – oder manchmal auch den Rest ihres Lebens verbringen Patienten hier. Turmfalken kommen immer häufiger. In diesem Jahr waren es schon 42. Für Kestner ist das nicht unbedingt ein Zeichen für eine sich erholende Population. „Es gibt kaum mehr Küster. Früher haben sie sie wieder ins Nest gesetzt, wenn sie rausgefallen waren – oder haben sich um sie gekümmert. Sie wussten, wie das geht.“
Verletzte Bussarde gibt’s reichlich, dazu einen, der möglicherweise eine kranke Taube gefressen und sich so Einzeller im Hals eingefangen hat. Der Steinkauz hat Zecken am Auge. Übrigens bringen es einige der hier Gepflegten weit: Eine Ente hat es bis zum Baikalsee geschafft, wie der Ring bewies.