Hattingen. Ein Leser wirft Stadt Hattingen vor, dass sie Bäume sterben lässt. Dabei hält der Gartenbaumeister die Kirschen in Welper selbst für eine Gefahr.

„Diese Bäume sollen kaputtgehen“, ist ein 62-jähriger Gartenbaumeister überzeugt. Wieder gibt es Ärger um Kirschen an der Thingstraße in Welper. Auf der Baustelle hat der letzte Bauabschnitt begonnen und erneut werden Bäume in Mitleidenschaft gezogen – absichtlich, glaubt der WAZ-Leser.

Die Baumaßnahme Thingstraße geht in den Endspurt: Jetzt ist der Bereich zwischen Sankt-Josef-Straße und Marxstraße gesperrt. Voraussichtlich bis Mitte September sollen die Arbeiten dort abgeschlossen sein. „Wir überarbeiten die Baumbeete und teilweise auch die Pflasterflächen in dem Abschnitt. Außerdem wird die Fußgängerinsel vergrößert und teilweise begrünt, da die Linksabbiegerspur entfällt“, erklärt Carsten Schmalhaus, Projektleiter der Baumaßnahme.

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Im Zuge der Bauarbeiten war zu Wochenbeginn auch das Erdreich um die Wurzeln der dortigen Kirschbäume ausgeschachtet worden. Dicke Wurzeln schauen aus der Erde. „Das werden die Bäume nicht überleben. Sie werden vertrocknen“, betont ein Gartenbaumeister, dessen Name der Redaktion bekannt ist. Nach einem Gespräch mit der ausführenden Baufirma vermutet er, die Stadt wolle entgegen der Ankündigung, dass die Bäume erhalten bleiben sollen, Tatsachen schaffen, damit die Kirschen schlussendlich doch gefällt werden müssen.

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Denn schon bei der Fällung von Kirschbäumen in einem anderen Bauabschnitt hatte es einen Aufschrei von Naturschützern und Anwohnern in Welper gegeben. Die Stadt versprach daraufhin, die übrigen Kirschen erhalten zu wollen.

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Dabei sei das gar nicht zu empfehlen, betont der Gartenbaumeister mit 37-jähriger Berufserfahrung. „Aus fachlicher Sicht müsste man die Bäume wegnehmen. Sie sind überaltert“, unterstreicht er und wirft der Stadt vor, das nicht offen zu kommunizieren, weil es nicht erwünscht sei. Der 62-Jährige betont, er kämpfe um jeden Baum. In diesem Fall sei es aber das Ende der Lebenszeit der Kirschen – auch ohne Baustelle – absehbar. „Würde man neue Bäume dort pflanzen, hätte man 30 bis 40 Jahre Ruhe“, erklärt der Experte.

Vielmehr sehe er jetzt ein Gefahr, da die alten Gehölze wind- und bruchanfällig seien. Erst recht im abgegrabenen Zustand. „Beim nächsten Sturm kippen die um“ ist er sicher. Er wirft der Stadt deshalb grobe Fahrlässigkeit statt klarer Kommunikation vor.

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Die Bäume seien fachlich bewertet worden, erklärt Stadtsprecherin Jessica Krystek. Einmal im Jahr werden sie kontrolliert und während der Baumaßnahme im Besonderen. Eine Gefahr, dass die Bäume umstürzen könnten, sieht die Stadt nicht und plant aktuell auch keine weiteren Schutzmaßnahmen.

Viel Geld fürs Grün

Mit 3,4 Millionen Euro war die Sanierung der Thingstraße insgesamt veranschlagt. Sie wird zu 80 Prozent gefördert. 23 Prozent der Baukosten sind für die Optimierung und Aufwertung der Grünanlagen eingeplant.

Teil der Aufwertung der Thingstraße ist zum Beispiel die Anlage größerer Baumbeete, der unterirdische Schutz der Wurzeln und Neupflanzungen von Bäumen.

Beschlossen ist: Die vier Bäume im letzten Bauabschnitt bleiben bestehen. Klar sei aber, dass sie bereits ein hohes Lebensalter erreicht hätten und unabhängig von der Baumaßnahme nicht mehr im besten Zustand seien. „Wir gehen natürlich ein gewisses Risiko ein, die alten Bestandsbäume stehen zu lassen und nicht durch junge, vitale Bäume zu ersetzen. Das ist uns bewusst. Wir hoffen aber, diese Bestandsbäume gut durch die Baumaßnahme bringen zu können“, so die Stadt.

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Dafür werden die Baumbeete großzügig gefasst und unterirdische Wurzelschutzbrücken eingebaut. Auch nach der Baumaßnahme werden die Bäume regelmäßig kontrolliert – das nächste Mal im Herbst.

Im Januar waren vier Kirschen gefällt worden. Jahrelang habe man gedacht, die Bäume könnten erhalten bleiben, betonte Dezernent Jens Hendrix. Dann stellte sich heraus, dass die Wurzeln zu nah an der Oberfläche wachsen und sich durch unerwartete Leitungen im Boden nicht habe verhindern lassen, dass die Bäume erheblichen Schaden nehmen. Die Folge: Fällung. Im Zuge der Baumaßnahme wurden aber vier neue Kirschen gepflanzt – neben sieben Linden und 16 Kastanien.