Hattingen. Ein „Grenzfall“ vor dem Amtsgericht Hattingen: Im Prozess ging es um den Unterschied einer zufälligen Berührung oder sexueller Belästigung?

Was ist sexuelle Belästigung – und was nicht? Mit einem Grenzfall hatte es jetzt Amtsrichter Johannes Kimmeskamp zu tun, wie er selbst während der Verhandlung betonte. Das ist die Geschichte.

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Am 13. Februar dieses Jahres war der Angeklagte (35) morgens zwischen sieben und acht Uhr von Hattingen aus mit dem Bus Richtung Schwelm gefahren. Er hatte – genau wie eine 17-Jährige – hinten auf der Bank gesessen. Neben dem Mädchen, einer Autistin, saß der Angeklagte und ein Bekannter von ihm. Sie fühlte sich vom Angeklagten bedrängt und belästigt, er habe eine Hand an ihren Oberschenkel gelegt, erklärte sie. Ob sich der Mann aber eher abgestützt oder das Mädchen tatsächlich bewusst berührt hat, fand das Gericht nicht heraus.

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In Schwelm musste der Busfahrer eine Vollbremsung machen, der Bekannte des Angeklagten schoss daraufhin nach vorne und knallte gegen einen Sitz. Heftiges Nasenbluten war die Folge, die Fahrt wurde unterbrochen, der Notarzt musste kommen.

Zeuge hatte 3,5 Promille Alkohol im Blut

Wie sich herausstellte, hatte der Verletzte 3,5 Promille Alkohol im Blut. Er war als Zeuge geladen, konnte sich aber an nichts mehr erinnern. Nicht an das Mädchen und auch nicht daran, wo er gesessen hatte. Der Angeklagte wiederum sagte aus, er habe am Vortag nicht besonders viel getrunken, konnte sich aber auch nicht mehr an viele Einzelheiten erinnern. „Durch den Unfall standen alle unter Schock“, sagte er.

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Wie die Mutter der 17-Jährigen erzählte, bekam sie bei der Arbeit einen Anruf von ihrer Tochter, die am Telefon schilderte, was sich zugetragen hatte. „Sie weinte und war völlig verstört“, erklärte die Mutter.

17-Jährige: „Ich hatte richtig Angst“

„Ich hatte richtig Angst“, sagte das Mädchen als Zeugin aus. Die Situation sei absolut unangenehm gewesen. „Haben Sie denn dem Angeklagten gesagt, er solle das lassen“, wollte Johannes Kimmeskamp wissen. Nein, sie habe gar nichts gesagt, erklärte die junge Frau. Wie sich herausstellte, hatte sie auch nicht die Gelegenheit genutzt, aufzustehen und wegzugehen, als der Bus wegen des Unfalls seine Fahrt unterbrechen musste.

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Auch die junge Frau konnte sich im Gerichtssaal aber auch nicht mehr konkret an die beiden Männer erinnern, die neben ihre gesessen hatten. Man kam der Wahrheit bei der Verhandlung tatsächlich nicht wirklich näher. Richter Kimmeskamp erklärte: „Das hier ist eine Grenzsituation, so dass man den Paragrafen 184 des Strafgesetzbuchs nicht anwenden kann.“ Der Angeklagte wurde freigesprochen.