Hattingen. Ein Mann aus Hattingen soll seine 14-jährige Stieftochter zum Sex gezwungen haben. Doch die macht widersprüchliche Angaben. So lief der Prozess.

Die Zweifel blieben bis zuletzt. Aber es gilt der Spruch: Im Zweifel für den Angeklagten. Und so entschied auch das Schöffengericht: Der Angeklagte wurde freigesprochen. Damit fiel das Urteil exakt so aus, wie es die Staatsanwältin und auch Verteidiger Peter Steffen gefordert hatten. Zu viele Widersprüche hatten sich bei den Aussagen der Zeuginnen aufgetan. Angeklagt war der jetzt 75-Jährige wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern.

Die Staatsanwältin und Richter Johannes Kimmeskamp machten klar, sie gingen davon aus, dass da irgendetwas gewesen ist. „Aber die Zeugenaussagen sind mit zu vielen Widersprüchen befrachtet. Wir haben einfach kein feststehendes Tatgeschehen“, erklärte der Richter.

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Problematisch war die längst geschiedene Ehe von Anfang an. Die Frau hatte ein Mädchen mit in die Beziehung gebracht, zusammen bekam das Ehepaar dann eine weitere Tochter. Anzeige gegen den Stiefvater hatte die jetzt 22-Jährige ältere Tochter 2020 erstattet. Die Polizei hatte vor drei Jahren das Mädchen zweimal intensiv befragt, weil der Zeitraum des Missbrauchs nicht konkret eingegrenzt werden konnte.

Plötzlich stand die kleine Schwester im Zimmer

Damals hatte die Stieftochter zu Protokoll gegeben, dass sie Aufklärungsunterricht in der Schule hatte und in dem Zusammenhang habe ihr der Stiefvater sexuelle Anspielungen gemacht. Dann sei es zu der Missbrauchstat gekommen. Er habe Hose und Unterhose ausgezogen, sei unten völlig nackt gewesen und habe auf dem Tisch gesessen. Sie habe davor gestanden. Er habe Sex verlangt. Dazu sei es aber nicht gekommen, weil die kleine Schwester plötzlich im Zimmer stand.

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Das Gericht nahm sich ausführlich Zeit mit der Befragung der Stieftochter. Doch die schilderte jetzt den Fall komplett anders. Sie habe auf dem Tisch gesessen, der Stiefvater habe davor gestanden und es sei zum Oralsex gekommen. Da sei sie ungefähr 14 oder 15 Jahre alt gewesen. Außerdem habe er sie schon als Kind missbraucht, als sie noch in der Grundschule gewesen ist. Das sei über Jahre so gegangen.

Das Kerngeschehen wird ganz unterschiedlich dargestellt

In der Anzeige, die die 32-Jährige aber 2020 vor der Polizei gemacht hatte, stand von den Vorwürfen nichts. Gegenüber den Beamten hatte sie nur von dem einen Mal gesprochen. Dass der Stiefvater angeblich schon in früheren Jahren übergriffig geworden sei, hatte sie mit keinem Wort erwähnt.

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Die Schwester, die zum möglichen Tatzeitpunkt um die sieben, acht Jahre alt gewesen sein soll, schilderte die Situation, als sie die beiden im Wohnzimmer überraschte, noch einmal anders. Ihr Vater habe mit dem Rücken zu ihr gestanden und habe den Reißverschluss seiner Hose offen gehabt. Kein Wort davon, dass er Hose und Unterhose ausgezogen hatte. Auch die Mutter der Mädchen, die später über den Vorfall von ihrer älteren Tochter informiert worden war, wurde noch als Zeugin gehört.

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„Wir haben hier aufgewühlte, beeinträchtigte Frauen unterschiedlichen Alters erlebt“, erklärte die Staatsanwältin. „Aber wir waren alle nicht dabei. Wir sind also auf die Angaben der Stieftochter angewiesen.“ Die Tat sei ungefähr sieben Jahre her und das Kerngeschehen wird ganz unterschiedlich dargestellt.“ Genau auf den Punkt ging auch Verteidiger Steffen ein. „Vielleicht erinnert sie sich an Sachen, die gar nicht geschehen sind. Es sind unglaublich viele Widersprüche da. Ich plädiere auf Freispruch. Kommt es zu einer Verurteilung, beantrage ich, dass ein Glaubwürdigkeits-Gutachten der Stieftochter gemacht wird“, war seine Forderung. Dazu kommt es nicht, da der Angeklagte freigesprochen wurde