Hattingen . Vergewaltigung in Hattingen: Der Angeklagte bekommt Bewährung. Bei der Urteilsverkündung schreien sich Angeklagter, Richter und Staatsanwalt an.

Ungewohnt laut und scharf im Ton ging es am Donnerstag im Landgericht Essen zu. Hör- und sichtbar saß der Angeklagte bei der Urteilsbegründung auf einem emotionalen Pulverfass. Wegen Vergewaltigung hatte ihn das Schöffengericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung mit Auflagen verurteilt. Immer wieder schüttelte der 22-Jährige den Kopf, rief dazwischen, kommentierte die Worte des Richters. „Halten Sie endlich die Klappe“, schrie der aufgebrachte Staatsanwalt.

In dem Prozess war es um die Vergewaltigung der minderjährigen Freundin durch den Hattinger gegangen. Sie hatte sich von ihm getrennt. Die beiden, die im gleichen Haus wohnen, trafen sich im April 2021 zufällig im Flur. Die Freundin hatte an dem Tag vom Tod ihres Großvaters erfahren. Es kam zu Umarmungen, er tröstete sie. Dann aber wollte er Geschlechtsverkehr mit ihr, sie sagte deutlich Nein, woran er sich aber nicht hielt. Nach anderthalb Monaten sprach die Geschädigte mit ihrer Mutter über die Tat und zeigte den Ex-Freund an.

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Den ersten Verhandlungstermin am Landgericht im Juli vergangenen Jahres ließ er platzen, worauf der Richter einen sofort vollstreckbaren Haftbefehl ausstellte. Gegen Auflagen konnte der junge Mann später bis zum erneuten Verhandlungstermin in Freiheit bleiben. Der Anwalt des Angeklagten, Henner Sentner, forderte Freispruch, „weil es Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Mädchens und eine Menge Widersprüche“ gebe. Der Staatsanwalt dagegen plädierte auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit einer dreijährigen Bewährungsfrist mit Auflagen. Das akzeptierte auch die Anwältin der Jugendlichen, Heike Tahden-Farhat vom Weißen Ring.

Detaillierte Begründung des Urteils wegen Vergewaltigung

Sehr detailliert begründete der Vorsitzende Richter Hempel das Urteil. Der 22-Jährige muss in den nächsten drei Jahren ein straffreies Leben führen, 3600 Euro in Raten von 100 Euro monatlich bezahlen und jeden Wohnungswechsel melden. Zudem muss er einen sozialen Trainingskursus absolvieren.

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Mehrfach gerieten auch der Richter und der Verurteilte aneinander. „Dass Sie bei einer Geldstrafe von 100 Euro monatlich den Kopf schütteln, zeigt, dass Sie nichts verstanden haben“, machte der Richter klar. Auch dass ein Nein tatsächlich Nein heißt, müsse er akzeptieren.

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Deutlichen Protest gab’s an der Stelle vom Verurteilten. Er trommelte genervt auf dem Tisch herum, setzte eine Sonnenbrille auf, um seine Wuttränen zu verbergen, und polterte lautstark gegen den Richter, dem dann der Kragen platzte. „Ich mach’ das auch schon ein paar Jahre, aber dass ich ständig unterbrochen werde, hab ich noch nicht erlebt. Halten Sie jetzt die Klappe, verdammt noch mal.“

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Auch der Staatsanwalt wurde deutlich: „Wenn Sie jetzt nicht endlich still sind, verhänge ich sofort ein Bußgeld von 150 Euro“, schrie er. Richter Hempel führte aus, dass man die Jugendliche für glaubwürdig halte. Es sei ihr nicht darum gegangen, ihren früheren Freund in ein schlechtes Licht zu rücken. Es ging eben um dieses eine Mal, als er ihr gegen ihren ausdrücklichen Willen Sex aufgezwungen habe. Sie habe nicht um Hilfe gerufen, weil das ja sowieso niemanden interessiert hätte, hatte sie ausgesagt.

Revision vor dem Bundesgerichtshof angekündigt

Dem Angeklagten habe man zugute gehalten, dass er bis dahin ein straffreies Leben geführt hat, es nach der Tat nicht mehr zu strafbaren Handlungen kam und er damals noch 20 Jahre alt war. „Aus dem Grunde haben wir von einem höheren Strafmaß abgesehen“, erklärte der Richter und schloss die Verhandlung. Daraufhin sprang der Verurteilte auf, riss die Tür des Gerichtssaals mit solcher Wucht auf, dass sie an die Wand krachte und mit lautem Knall wieder zuschlug. Verteidiger Henner Sentner wird gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof Revision einlegen.

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