Hattingen. Stolpersteine für Karl und Amalie Cahn an der Großen Weilstraße in Hattingen. Ihre Geschichte zeigt die Ausplünderung der Juden in der Nazi-Zeit.
Vor allem auf Juden hatten es die Nationalsozialisten auch in der Nazi-Hochburg Hattingen in den 1930er- und Anfang der 1940er-Jahre abgesehen. Einem Ehepaar werden nun weitere Stolpersteine gewidmet: Amalie und Karl Cahn. An ihrer Geschichte wird deutlich sichtbar, wie vor der Ermordung die wirtschaftliche Vernichtung der Juden kam.
Die Stolpersteine für beide werden an der Große Weilstraße 35 verlegt. Damals war hier noch die Bruchstraße, in der das Ehepaar lebte. Karl Cahn stammt aus der Metzger-Familie Cahn aus dem Bügeleisenhaus. Davor wird mit einem Stolperstein bereits seiner Schwester Selma Abraham, geborene Cahn, gedacht.
Karl übernimmt 1910 die Metzgerei. Er steht mit seiner Familie mitten im Leben und in der Stadtgesellschaft, ist Mitglied der freiwilligen Feuerwehr. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ist die Familie dann aber Schikanen und Repressionen ausgesetzt. Schon vor der eigentlichen Enteignung der Juden verkauft Karl sein Geschäft im Oktober 1938. Von dem Geld wird er jedoch nicht viel haben.
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Verlegung der Stolpersteine
Die Stolpersteine für Karl Cahn und seine Frau Amalie werden am Freitag (2.12.) in Hattingen durch Künstler Gunter Demnig verlegt. Voraussichtlich gegen 16 Uhr werden die Gedenksteine an der Große Weilstraße 35 angebracht. Gäste sind willkommen.
Am heutigen Mittwoch (30.11.) stellt Stadtarchivar Thomas Weiß die Schicksale hinter den Stolpersteinen im Rathaus vor: 19 Uhr, Großer Sitzungssaal am Rathausplatz 1.
Nach der Pogromnacht wird Karl Cahn in Schutzhaft genommen und ins KZ Sachsenhausen gebracht, wo er bis Ende des Monats festgehalten wird. Karl und Amalie Cahn beschließen, nach Chile auszuwandern. Sie bekommen auch die Zusage, doch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges ändert sich alles – die Hattinger kommen nicht mehr aus Deutschland raus.
Akten des Staatsarchivs in Münster belegen, wie die jüdische Familie wirtschaftlich abhängig und ausgeplündert wurde. „Das Geld aus dem Verkauf der Metzgerei kam auf Sicherungskonten, an die sie nicht rankamen“, erklärt Hattingens Stadtarchivar Thomas Weiß.
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Bei der so genannten Devisenstelle muss die Familie fortan ihren Bedarf für den Lebensunterhalt anmelden. „Aber die Angaben werden immer gekürzt“, berichtet Weiß. Wurden im Juni 1939 noch 500 Reichsmark im Monat für Lebensunterhalt, Steuern etc. freigegeben, sind es im November nur noch 300 Reichsmark pro Monat und im April 1942 nur noch 160 Reichsmark mit denen die Cahns auskommen müssen.
Auch die Ausgaben für die Aussteuer für die geplante Reise nach Chile – Unterhosen, Socken und alles, was die Familie gekauft hatte, um auswandern zu können – bekamen Cahns nicht zurück. Als sie die Ware umtauschen wollten, wurde das Geld nicht ausbezahlt, sondern auf das Sicherungskonto gebucht, erklärt der Archivar.
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Ihr Zuhause verlieren Amalie und Karl Cahn im Juni 1941 als sie in das „Judenhaus“ in der alten Gewehrfabrik umziehen müssen. Ende April verlassen sie ihre Heimat mit dem Deportationszug und kommen in das Ghetto Zamość, wo sie ermordet werden. Das genaue Datum ihres Todes ist unbekannt. „Man kann davon ausgehen, dass das Ehepaar die Fahrkarten für seine Reise in den Tod noch selbst bezahlen musste“, sagt Thomas Weiß.
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Karl Cahn hatte sechs Geschwister. Mit ihm wurden insgesamt vier Kinder der Familie Cahn aus dem Bügeleisenhaus von Nationalsozialisten ermordet. Zwei Geschwister starben schon vorher, nur eine Schwester überlebte den Holocaust, wie Lars Friedrich, Vorsitzender des Heimatvereins in der Ausstellung über die Familie berichtet. Das Museum im Bügeleisenhaus hatte den Cahns seit 2018 eine Dauerausstellung gewidmet.