Hattingen. Hattingen bekommt neue Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus. Auch Widerstandskämpfer Nikolaus Groß erhält einen – an unerwartetem Ort.

Das begehbare Geschichtsbuch in Hattingen bekommt einige weitere Kapitel: Am Freitag (2.12.) werden sechs zusätzliche Stolpersteine im Stadtgebiet verlegt, die an die Opfer des Nationalsozialismus und ihre Schicksale erinnern sollen. Dabei werden unterschiedlichste Kategorien abgedeckt: Euthanasie, Kommunisten als politische Gegner, auch Juden, die vor ihrer Ermordung wirtschaftlich vernichtet wurden, der katholische Widerstand und auch eine Hattinger Überlebende der Nazizeit bekommt einen Gedenkstein. Wir stellen in dieser Woche die Schicksale hinter den Steinen vor.

2005 wurden die ersten elf Stolpersteine in Hattingen von Künstler Gunter Demnig verlegt. Seitdem kamen weitere 10 mal 10 Zentimeter große Messingplatten hinzu. 19 Stolpersteine gibt es bisher, sechs weitere folgen nun.

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Für Stadtarchivar Thomas Weiß ist es ein „begehbares Geschichtsbuch“. So sei stets darauf geachtet worden, die Unterschiedlichkeit der Menschen zu zeigen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. „Ob Homosexueller, Bibelforscher, katholischer Priester, Arbeitsscheuer, Mann, Frau, alt, jung, Christ, Jude – es konnte jeden treffen“, betont Weiß. Mit den neuen Steinen decke Hattingen so gut wie jede Kategorie der Verfolgten ab.

Termine rund um die Steinverlegung

Das Bündnis „Ein Kick für Hattingen“ begrüßt in Kooperation mit dem Stadtarchiv und Thomas Weiß am Dienstag (29.11.), 15 Uhr, Carl Goerdeler, den Enkel von Carl Friedrich Goerdeler, einem der führenden Köpfe des Attentats auf Hitler.

Welche Auswirkungen der Widerstand in der Nazizeit auf seine Familie und ihn selbst gehabt hat und wie die Nazis sich an Kindern rächten, berichtet der 79-Jährige in der Evangelische Kirchengemeinde Winz-Baak (Schützstraße 2) . Die Teilnahme ist kostenfrei und wird von „Demokratie­ Leben!“ gefördert. Anmeldung: oder 0178 8712534.

Im Rahmen der Aktionswoche „Hattingen hat Haltung“ informiert Stadtarchivar Thomas Weiß am Mittwoch (30.11.) im Rathaus über die Geschichten und Schicksale hinter den diesjährigen Stolpersteinen (19 Uhr, großer Sitzungssaal, Rathausplatz 1). Dabei stellt er auch ein Projekt von Schülern der Gesamtschule vor, die an einem Comic über Nikolaus Groß arbeiten, der im kommenden Jahr erscheinen soll.

Der Stolperstein für Nikolaus Groß wird am Freitag (2.12.) etwa gegen 15 Uhr am Siepenweg 10 in Niederwenigern verlegt. Besucher sind willkommen.

Weiß ist dabei stolz darauf, dass die Gedenksteine alle von Paten ermöglicht wurden. Auf einige Schicksale machten sogar Bürger selbst aufmerksam – und übernahmen gleich die Patenschaft. 120 Euro kostet die für einen Stolperstein des Kölner Künstlers.

Der prominenteste Name auf der Liste der neuen Stolpersteine ist zweifellos Nikolaus Groß – der Widerstandskämpfer aus Niederwenigern, der vor 21 Jahren vom Papst selig gesprochen wurde. Sein Stolperstein wird nicht am Domplatz angebracht, wo sich bereits Gedenkstele, Gedenkort im Dom und in direkter Nachbarschaft das Nikolaus-Groß-Haus mit Museum befinden. Ganz bewusst wurde – wenn auch nach Diskussionen – ein anderer Ort als der ausgewählt, an dem der Widerstandskämpfer bereits allgegenwärtig ist.

Am Siepenweg 10 soll an Nikolaus Groß erinnert werden. „Dort hatten seine Schwiegereltern ein Haus, wo die Familie lebte und dort fand auch Elisabeth Groß Zuflucht mit den Kindern, nachdem ihr Mann verhaftet wurde“, erklärt Thomas Weiß.

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Groß, 1898 in Niederwenigern geboren, wird nach der Schulzeit zunächst Bergmann. „Quasi auf dem zweiten Bildungsweg wird er zum Redakteur und Widerstandskämpfer“, erklärt Weiß, wie spannend er es findet, „dass ein Mann aus Niederwenigern zu solcher Größe kommt“.

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Denn Groß stellt sich den Nationalsozialisten entgegen – und gibt dafür sein Leben. Er ist Mitglied der Zentrums-Partei und des Antonius-Knappenvereins (heute KAB) in Niederwenigern. Als Redakteur nimmt er kein Blatt vor den Mund: „Wenn von uns etwas verlangt wird, was gegen Gott oder den Glauben geht, dann dürfen wir nicht nur, sondern müssen den Gehorsam (gegen Menschen) ablehnen”, schreibt Nikolaus Groß in seiner Glaubens­lehre. Den Nationalsozialisten ist er damit ein Dorn im Auge.

1945 wird er zum Tode verurteilt. In der Urteilsbegründung heißt es: „Er schwamm mit dem Verrat, also muss er darin ertrinken.“ Gemeint ist die Verbindung zu Carl Friedrich Goerdeler, dem Kopf des Stauffenberg-Attentats auf Adolf Hitler. Mit ihm war der Wennische Nikolaus Groß zwar nur entfernt bekannt, dennoch wurde er von den Nazis zu dessen Umfeld gerechnet und deshalb besonders verfolgt. Am 23. Januar 1945 wird Groß in Berlin-Plötzensee erhängt.

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Papst Johannes Paul II. spricht Nikolaus Groß aus Niederwenigern am 7. Oktober 2001 auf dem Petersplatz in Rom selig. Die Patenschaft für den Stolperstein übernimmt die Gesamtschule Hattingen.

Ein exklusiver Gang durch das Nikolaus-Groß-Haus

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