Hattingen. Nazi-Gräuel in Hattingen: In dieser Woche vor 80 Jahren wurden die ersten 15 Jüdinnen und Juden deportiert. Über das jüdische Leben in der Stadt.

Es ist die hässliche Fratze des Nazi-Regimes, die sich in der letzten April-Woche des Jahres 1942 mit voller Vehemenz zeigt: 15 Hattinger Jüdinnen und Juden werden in das polnische Ghetto Zamość deportiert – für sie ist es ein Abschied ohne Wiederkehr!

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Belebende Beispiele: Die Familien Cahn und Urias

Juden haben Hattingen stets belebt. Die Familie Cahn ist ein gutes Beispiel, ebenso die Familie Urias. Anfang des 19. Jahrhundert etwa zieht Jacob Urias durch die Kneipen, um bei Verkaufsveranstaltungen das Vertrauen der Anwohner zu gewinnen. Am 29. Oktober 1826 eröffnet er im Steinhagen 15 schließlich seine „Manufaktur- und Waren-Handlung“ – sie wird schnell zum größten Kaufhaus in der Stadt. Der jüdische Kaufmann ist eine Persönlichkeit im politischen, sozialen und kulturellen Leben.

Gedenken zum 80. Jahrestag

Mit einer Gedenkveranstaltung wird am Donnerstag (28.4.) an die Deportation und Ermordung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnert. Los geht es um 12 Uhr am Campingplatz Ruhrbrücke (Stolle).

Beteiligt an diesem 80. Jahrestag sind das Stadtarchiv, der Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe (IFAK), Schülerinnen und Schülern sowie 25 Hattingerinnen und Hattinger, die stellvertretend für die Stadtgesellschaft stehen.

Nach vier Generationen wird die Familie im Jahr 1930 von den Nazis und Hüttendirektor Arnold aus Hattingen vertrieben.

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Die am 12. Mai 1885 geborene Emmy ist das dritte Kind von Jakob Urias und seiner Ehefrau Adelheid. Sie wird eine Silberschmiedin, deren Arbeiten viel beachtet und hoch gehandelt sind – doch auch sie wird erst aus der Stadt und später auch aus dem Land vertrieben. Im Alter von 57 Jahren trinkt sie wegen einer Krebserkrankung Lösungsmittel und begeht somit am 11. Juli 1942 in Tel Aviv Selbstmord.

Letzter Leidensweg: Transport ins lettische Ghetto Riga

Die Familie Cahn steht mitten im Leben, ist anerkannt und beliebt, mischt mit in Vereinen und entspricht in keiner Weise den Vorurteilen, die Juden immer wieder entgegenschlagen – sogar nicht­koscheres Fleisch bieten sie in ihrer Metzgerei an. Sie leben im Bügeleisenhaus, zuletzt vermacht 1940 Amalie Cahn das Wahrzeichen ihrer Tochter Selma. Die Enteignung wird im Juli 1942 vollzogen: Ob Selma Abraham und ihr Ehemann da noch leben, vermag keiner zu sagen. Ihr letzter Leidensweg ist der Transport ins lettische Judenghetto Riga, bei eisigen Minusgraden und in unbeheizten Waggons.

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Bereits am 28. April 1942 startet die erste Deportation. Von der Gewehrfabrik (Judenghetto) geht es zum Bahnhof im Bereich bei Stolle. 15 Personen werden nach Dortmund, später nach Zamość gebracht. Die Nazis vollziehen ihre Gräuel mit der Eiseskälte von Kriegsverbrechern. Ein Aufbäumen gibt es nur noch vereinzelt, Hattingen ist eine Hitler-Hochburg.

Bündnis „Buntes Hattingen gegen Rechts“ seit 2013

Heute lässt sich die Stadtgesellschaft rechte Tendenzen nicht mehr gefallen: Im Jahr 2013 wird das Bündnis „Buntes Hattingen gegen Rechts“ gegründet, als Pro NRW gegen den geplanten Moschee-Neubau demonstriert. Zwei Jahre später mobilisiert die Gemeinschaft rund 1000 Menschen, die gegen eine Kundgebung der NPD protestieren. Partei und religionsübergreifend­ ist der Schulterschluss, völkerbindend. Stark!