Hattingen. Hattingen erinnert an die Opfer der NS-Gräuel und diskutiert Standorte von Stolpersteinen. Bald gibt es sechs neue Steine – mit bekannten Namen.
Hattingen gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus. Künftig wird an sie an weiteren Stellen im Stadtgebiet erinnert. Sechs Stolpersteine kommen im Dezember hinzu – darunter bekannte Namen. Anlass zur Diskussion boten jetzt zudem die Stolpersteine am Rosenberg 58, die an Erich und Moritz Bruchsteiner erinnern.
Als Teil der Gedenk- und Aktionswoche „Hattingen hat Haltung“ putzten Schüler aller weiterführenden Schulen am Mittwoch die bestehenden Gedenksteine. An 19 Hattinger Opfer der Nationalsozialisten erinnern die Messingplatten von Künstler Gunter Demnig. Unter anderem an Max und Meta Blume an deren Stolpersteinen an der Hauptstraße 9 in Blankenstein der Rundgang begann.
Immer wieder fragte Stadtarchivar Thomas Weiß die Schüler: „Wie hättet ihr reagiert? Hättet ihr Haltung gezeigt?“ Er erinnerte an den Druck, den die Nationalsozialisten ausübten – zum Beispiel, indem sie Namen der Kunden jüdischer Geschäftsleute im Hetzblatt „Der Stürmer“ veröffentlichten. Zudem die Demonstrationen von Macht und Stärke, indem viele Straßen umbenannt und für Aufmärsche mit Trommeln und Geschrei genutzt wurden, wie Weiß berichtet. „Die Hauptstraße hieß ruckzuck Adolf-Hitler-Straße. Man hatte keine Möglichkeit, dem Regime auszuweichen“, so der Archivar.
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Für Diskussionen sorgte Sabine Schlemmer mit ihrem Beitrag zu den Stolpersteinen am Rosenberg 58. „Die zwei Steine befinden sich auf dem Asphalt auf der Straße und es ist mir jedes Mal arg, dass ich da drüberfahren muss“, sagt sie und fragt, warum solche Steine denn auf der Straße angebracht werden.
Thomas Weiß erklärt die Idee des Künstlers, die Denkmäler nicht auf einen Sockel zu stellen, sondern in der Mitte der Gesellschaft anzusiedeln. Die Orte seien so gewählt, dass sie den letzten frei gewählten Wohnort der Opfer zeigen. Zum Teil gibt es diese Häuser aber nicht mehr. Am Rosenberg gebe es an jener Stelle zudem kaum Bürgersteig. Doch mit Schlemmers Nachfrage sei eine wichtige Intention bereits erreicht: Das Nachdenken über die Steine und die Personen dahinter.
Gedenkaktionen
Der erste Stolperstein in Hattingen wurde 2005 verlegt. Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig aus Köln. Sie sollen an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.
Hattingen war eine Hochburg der Nationalsozialisten. „Es gab keinen Stadtteil, der nicht rechts war“, erklärt Stadtarchivar Thomas Weiß.
Eine Stadtführung unter dem Titel „Die Cahns. Eine jüdische Familie in Hattingen“ folgt am Donnerstag (10.11.) den Spuren der Familie. Familienmitgliedern werden auch zwei der neuen Stolpersteine gewidmet. Beginn der Führung ist um 17 Uhr am Bügeleisenhaus, Haldenplatz 1.
Sechs weitere Hattinger Namen werden am 2. Dezember auf Stolpersteinen verewigt. Nikolaus Groß ist der bekannteste Name auf der Liste. In Niederwenigern gibt es ein Museum in seinem Geburtshaus. In wenigen Wochen kommt der Stolperstein am Siepenweg dazu.
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Gedacht wird auch Hubert Lubberich. 1932 und damit noch vor der endgültigen Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde der Bergmann auf dem Flachsmarkt vor der KPD-Geschäftsstelle erschossen. Es ist der erste dokumentierte NS-Mord Hattingens.
Amalie und Karl Cahn bekommen Stolpersteine an der Bruchstraße 5. Selma Abraham, geborene Cahn, wird bereits vor dem Bügeleisenhaus gedacht. „Anhand von Finanzakten der Cahns wird deutlicht, dass vor der Deportation und Ermordung die Plünderung kam“, sagt Archivar Thomas Weiß.
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Wilhelm Freisewinkel ist ein Opfer der NS-Krankenmorde. Als junger Mann erlitt er eine Hirnhautentzündung und trug Spätfolgen davon. Unter den Nationalsozialisten wurde der Hattinger in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht. Thomas Weiß schätzt, dass Euthanasie in Hattingen häufiger vorkam als gedacht. Er geht von mindestens 50 Betroffenen aus. Der Stolperstein für Wilhelm Freisewinkel wird am Fritz-Ebert-Ring installiert.
Der sechste Stolperstein soll den Namen von Friederike Stang tragen und am Gelinde 5 angebracht werden. Sie führte eine Mischehe mit einem Christen und war deshalb etwas geschützter, erklärt Weiß. Dennoch wurde sie 1944 verhaftet und zur Zwangsarbeit gezwungen. Sie überlebte die Nazi-Gräuel. Ihr Stolperstein wird der erste einer Überlebenden in Hattingen sein.