Hattingen. Zum Interview rund um das (Tabu)-Thema Leben mit dem Tod hat die WAZ Hattingen Mia Nedden (17) und Inge Berger (83) eingeladen. Was sie sagen.
Wie denken Jung und Alt über Leben, Tod und Sterben? Und wie sehr ist die eigene Vergänglichkeit bei ihnen präsent? Zu einem Interview über diese (Tabu)-Themen hat die WAZ Hattingen Mia Nedden (17) und Inge Berger (83) eingeladen, beide kannten sich zuvor nicht. Und doch haben sie gut zwei Stunden sehr offen ihre Ansichten zum Sinn des Lebens, zu Tod und Sterben ausgetauscht. Aufzeichnungen von einem außergewöhnlichen Treffen.
Frau Nedden, Frau Berger, wie sehr beschäftigt Sie aktuell das Thema Tod und Sterben?
Mia Nedden: Also bei den meisten Jugendlichen in meinem Umfeld ist der Tod ja noch überhaupt kein Thema, aber ich persönlich mache mir schon Gedanken darüber. Ich wohne mit meinen Eltern und zweien meiner Großeltern zusammen, denen es gesundheitlich nicht mehr so gut geht. Wenn ich mit meinen Eltern über deren gesundheitlichen Zustand spreche, dann sagen die, dass der Tod manchmal auch eine Erlösung sein kann. Das kann ich inzwischen sogar verstehen. Aber als junger, gesunder Mensch habe ich in solchen Gesprächen immer wieder auch gedacht: Zu leben ist doch schöner!
Inge Berger: Das kann ich gut verstehen, Mia. Für mich waren Tod und Sterben in jungen Jahren nicht einmal ein Thema, Erstmals beschäftigt habe ich mich damit erst, als ein naher Angehöriger gestorben ist, da war ich 34 Jahre. Inzwischen denke ich häufiger über Tod und Sterben nach, merke auch, wie mich seit einiger Zeit selbst der Tod von Bekannten emotional ganz anders trifft als früher. Aber die Endlichkeit des Lebens ist einem mit 83 ja auch durchaus sehr präsent.
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Erinnern Sie sich an besondere Todeserfahrungen?
Berger: Ja, zum Beispiel, als ich zur Beerdigung meines Vaters in den frühen 1970ern meine damals noch recht kleinen Kinder mitgenommen habe. Viele aus meinem Umfeld konnten das nicht verstehen. Von Kindern, so hieß es damals, halte man dieses Thema doch weg, heute geht die Gesellschaft zum Glück insgesamt offener mit Tod und Sterben um. Eine ganz besondere Todeserfahrung war dann vor zweieinhalb Jahren der Tod meines Mannes. Aber darüber möchte ich hier nicht weiter sprechen.
Nedden: Die ersten Toten, deren Lebensende mich emotional sehr berührt hat, waren meine Meerschweinchen, da war ich noch im Kindergartenalter. Seitdem bin ich schon relativ oft mit dem Tod konfrontiert worden: Eine Oma ist vor gut einem Jahr gestorben, das hat mir zu schaffen gemacht. Und auch der Tod einer engen Freundin meiner Mutter sowie ein Suizid im Umfeld haben mich lange gedanklich stark beschäftigt.
Die Gesprächspartnerinnen
Diese beiden Frauen hat die WAZ Hattingen zu dem außergewöhnlichen Interview zusammengebracht:Inge Berger (83), verwitwet, zwei erwachsene Kinder. Langjähriger Motor des inzwischen nicht mehr existenten Seniorentreffs Kick an der Augustastraße. Gelernte Industriekauffrau, später als Journalistin tätig, Begründerin der Seniorenzeitschrift „WiR“.Mia Nedden (17), Schülerin des Gymnasiums Holthausen (Q1), stellvertretende Schülersprecherin. Mitglied des Hattinger Jugendparlaments (zweite Amtszeit).
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Berger: Angst vor dem Tod? Da muss ich differenzieren: Ich habe keine Angst mehr vor Verlust von Leben, wohl aber vor Schmerzen während des Sterbeprozesses. Und etwas auch vor dem Augenblick des Sterbens selbst, da man ja nicht genau weiß, was einen erwartet.
Nedden: Also bei mir, Frau Berger, ist die Angst vor dem Tod anders gelagert. Ich habe tatsächlich eine gewisse Angst davor, plötzlich aus dem Leben gerissen zu werden - durch einen Unfall oder eine schwere Erkrankung. Gedanken an mein biologisches Ende und den Sterbeprozess dagegen sind für mich mit 17 Jahren noch weit weg, auch wenn ich natürlich auch weiß, dass jedes Leben endlich ist.
Welchen Einfluss hat das Wissen um die Endlichkeit des Lebens auf Ihr aktuelles Leben?
Nedden: Ich denke, dass es wichtig ist, das Leben zu genießen, sich neben all den Lebensverpflichtungen stets auch Freiraum zu schaffen für spontanes Schönes. Treffen mit Freunden etwa oder was einem sonst so Spaß macht.
Berger: Das ist eine gute Lebenshaltung, Mia. Was mich betrifft, so weiß ich ja, dass der Tod näher kommt, das ist aber nicht mein Kernproblem. Mir fällt es einfach schwer, Verzicht zu lernen, zu akzeptieren, dass mir mit 83 nicht mehr alles möglich ist, was ich noch vor einigen Jahren machen konnte. Ich denke zum Beispiel an eine Bergwanderung oder ausgedehnte Radtour, wie ich sie früher mit meinem Mann unternommen habe. Dafür fehlt mir jetzt neben der Kraft leider auch der Partner. Auch damit klar zu kommen, keine wirkliche Aufgabe mehr zu haben, fällt mir schwer - auch wenn ich weiß, dass ich die Kraft etwa für ein Engagement wie bis 2018 für den Seniorentreff Kick heute nicht mehr habe.
Haben Sie Vorstellungen davon, wie Sie einmal beerdigt und wo bestattet sein möchten?
Nedden: Ehrlich gesagt, ist dieses Thema für mich noch ganz weit weg, da kann ich mich nicht hineindenken. Ich war aber einmal in einer Ausstellung zum Thema Tod, bei der man Beerdigungen virtuell planen konnte. Da habe ich mich als Tote in einer Kutsche zum Friedhof fahren lassen, als Gedankenspiel hat mir das gut gefallen. Für meine eigene Beerdigung sehe ich das aber nicht. Da ich mich sehr mit der Natur verbunden fühle, könnte ich mir aber vorstellen, später einmal unter einem Baum bestattet zu sein.
Berger: Ich habe schon bei einem Bestattungsunternehmen genau das bestimmt, werde anonym unter einem Baum auf dem Friedhof am Hörstken bestattet. Was dagegen meine eigene Beerdigung betrifft, so verschwende ich keinen Gedanken daran. Ich bin dann ja tot und im letzten Augenblick muss ich mit meinem Gott klarkommen – und mit niemand anderem.
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