Hattingen. Strahlkraft für Hattingen: Die bundesweit erste Partnerschaft einer Stadt mit der Gesellschaft für deutsche Sprache soll das Wort „nett“ retten.
Nettes Hattingen: Mit der Kampagne, die im Jahr 2021 gestartet wurde, machte die Stadt bundesweit Schlagzeilen.
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Unter großer Medienresonanz ist im Juni 2022 im Hüttenpark vor den Eisenmännern eines von zehn Schildern im Stadtgebiet enthüllt worden, das die bundesweit erste Wort-Partnerschaft einer Kommune mit der Gesellschaft für deutsche Sprache dokumentiert. Die wissenschaftlichen Sprachbewahrer mit Sitz in Wiesbaden und die Ruhrstadt im Ennepe-Ruhr-Kreis wollen das Wort „nett“ retten.
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In Zeiten, in denen die Aufmerksamkeit vor allem einem „Höher, Schneller, Weiter“ gilt, in denen „nett“ als Synonym für langweilig gilt, von vielen gar als „die kleine Schwester von Sch...“ diffamiert wird, soll der Schulterschluss von Kommune und Fachgesellschaft ein deutliches Zeichen setzen.
Nette Leute treffen, nette Orte entdecken
„Wir greifen dem Wörtchen ,nett’ unter die Arme“, sagt Bürgermeister Dirk Glaser. „Wir wollen erreichen, dass es wieder seine positive Bedeutung bekommt, die es einmal hatte.“ „Nett“ sei doch im Grunde das, wonach wir uns alle sehnen, so Glaser weiter. „Wir möchten nette Leute treffen, nette Orte entdecken und es uns gemeinsam nett machen. In Hattingen wird deutlich, dass der Begriff auch in einem modernen, kreativen Umfeld seinen Platz hat.“
Die Partnerschaft mit der Gesellschaft für deutsche Sprache setzt auf einer Kampagne auf, die die Stadt 2021 in Zusammenarbeit mit Uli Wilkes angestoßen hat.
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Der Blankensteiner Medienunternehmer, Inhaber einer digitalen Kreativ-Agentur und Motor der „Kleinen Affäre“, hatte die Stadtverwaltung beraten, als die nach Ideen suchte, wie man die Folgen der Corona-Pandemie für Handel und Gastronomie kommunal abfedern kann.
Gemeinschaft und Wohlfühl-Atmosphäre
Schon damals ging es darum, sprachlich gegen den Strom zu schwimmen. Weg von „nett“ als Zeichen für Langsamkeit und Langeweile. Hin zu „nett“ als Anker für Gemeinschaft und Wohlfühl-Atmosphäre. Die Wanderbaum-Allee durch die Stadtteile und Aktionen in den sozialen Medien waren die ersten konkreten Maßnahmen der Kampagne. Die „Netten Samstage“ in der Altstadt folgten.
„Inzwischen gibt es auch Liegestühle, Bierdeckel und Aufkleber, die unter dem Motto ,Nett hier’ auf die Internetseite Nettes-Hattingen.de verweisen“, betont Georg Hartmann, Geschäftsführer von Hattingen Marketing. Uli Wilkes ist es wichtig, auf die Nachhaltigkeit der Kampagne zu verweisen. „Es ist mehr als ein Claim“, sagt der Medienmann. „Die Bürgerinnen und Bürger soll es sich nicht nur nett machen, sondern auch für das Gemeinschaftsgefühl kreativ werden.“
Als aktuelles Beispiel nennt Wilkes das Straßenfest auf der oberen Heggerstraße, das am vergangenen Wochenende viele Menschen in die Fußgängerzone gelockt hat. Was auch dem Bürgermeister wichtig ist. „Die Wort-Partnerschaft soll eben nicht nur bundesweit ausstrahlen, sondern vor allem auch in die Hattinger Stadtgesellschaft hinein“, betont Dirk Glaser.
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Die Gesellschaft für deutsche Sprache arbeitet noch an einem wissenschaftlichen Beitrag zum Wandel des Wortes „nett“. Zudem soll das, was in Hattingen im Rahmen der Kampagne „Nettes Hattingen“ passiert, wissenschaftlich begleitet werden.
Wort des Jahres 2022
Die Stadt Hattingen ihrerseits wird bei der Suche nach dem „Wort des Jahres 2022“, das die Gesellschaft für deutsche Sprache ebenso wie das „Unwort des Jahres“ ausruft, „nett“ als offiziellen Kandidaten ins Rennen werfen.
Die Straßenschilder im Wortlaut
Zehn Straßenschilder weisen auf die Wort-Partnerschaft der Stadt Hattingen und der Gesellschaft für deutsche Sprache hin. Der Schilderzusatz im Wortlaut:
„Manche Wörter haben es schwerer als andere. So sieht sich das Wort ,nett’ seit einigen Jahren mit groben Vorurteilen konfrontiert. Mal diffamiert als kleine Schwester von Sch…, mal abgestempelt als Synonym für langweilig, fristet es ein trostloses Dasein. Dieser Ungerechtigkeit stellen wir uns mit unserer Wort-Partnerschaft jetzt entgegen. Schließlich ist ,nett’ doch auch das, wonach wir uns im Grunde alle sehnen. Wir möchten es uns nett machen, nette Leute treffen und nette Orte entdecken. Orte wie Hattingen: herzlich, weltoffen und authentisch – einfach nett eben.“
Ganz umsonst ist das sprachliche Engagement der Stadt Hattingen nicht. Neben Mitteln des Sponsors Sparkasse stecken 30.000 Euro an Haushaltsmitteln in dem auf mehrere Jahre angelegten Projekt.
+++ Dieser Text ist zuerst am 23. Juni 2022 erschienen +++