Hattingen. Seit 57 Jahren und in sechster Generation führt Rüdiger Borgardt seinen Friseur-Salon in Hattingen. Warum die lange Tradition jetzt endet.

„Ich habe selbst mal über unsere friseurhandwerkliche Familiengeschichte nachgeforscht“, erzählt Rüdiger Borgardt, „ich kam aber leider nur bis ‘Achtzehnhundert-irgendwas’.“ Er weiß jedoch von seinem Vater, dass es in seiner Familie bereits seit 1798 Friseure gibt, „auch Schilder zeugen davon.“

Der 72-jährige Hattinger ist seit mittlerweile 57 Jahren und in sechster Generation in Hattingen als Friseur tätig. Jetzt hört er auf.

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Sein Großvater kaufte das Haus am Kirchplatz mit der Nummer neun im Jahr 1943, „den Salon habe ich dann 1984 von meinem Vater übernommen.“

Hier erfuhr man alles, was wichtig war

Zehn Jahre zuvor, im Jahr 1974, hatte Rüdiger Borgardt seinen Friseurmeister gemacht. „Besonders viel Spaß haben mir schon immer die Kurzhaarschnitte gemacht.“ Sein langjähriger Kunde Uwe Rohmann lobt: „Er hat vor allem immer typgerecht und zeitgemäß geschnitten.“

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Aber der Salon Borgardt sei nicht nur aus handwerklichen Gründen seit „locker mehr als 45 Jahren“ der Friseur seiner Wahl. Rohmann: „Bei ihm im Laden liefen alle Fäden zusammen, hier erfuhr man alles, was in Hattingen wichtig war: wer ein Haus gekauft, einen neuen Job, sich getrennt oder geheiratet hat.“

Er geht in den Ruhestand

Damit ist jedoch demnächst Schluss: Anfang des Jahres fiel die Entscheidung, Ende 2021 in den Ruhestand zu gehen. „Des Alters wegen“, erklärt Rüdiger Borgardt, „mit Corona hat das nichts zu tun, auch wenn man die Pandemie natürlich auch bei uns im Laden gemerkt hat.“

Zwei Friseurinnen gehen mit in den Ruhestand

Rüdiger Borgardt fing 1964 seine Lehre an und machte 1974 den Friseur-Meister. Den 65-Quadratmeter-Salon am Kirchplatz 9 führt Rüdiger Borgardt seit 1984. Er hat drei Friseurinnen angestellt, von denen zwei zeitgleich mit ihm in den Ruhestand gehen.Rüdiger Borgardt hat zwei Töchter, die jedoch nicht als Friseurinnen tätig sind. Damit findet die Friseurgeschichte seiner Familie hier ein Ende. Er sagt: „Ich möchte mich, auch im Namen meiner Mitarbeiterinnen, bei allen Kunden für die langjährige Treue und das Vertrauen bedanken!“

Woran? „Es war eben weniger los als sonst und manche Kunden haben sich auf einmal selbst die Haare geschnitten – die ein oder andere „Frisur“ musste ich dann retten.“

Das Haus inklusive Salon ist verkauft

Seine Mutter, mit der er sein gesamtes Leben in dem Haus am Kirchplatz 9 gewohnt hat, sei Ende vergangenen Jahres gestorben, auch deshalb habe er das Haus samt Salon verkauft. „Das Haus ist ja für mich alleine zu groß und es ist ein Altbau mit Treppen, da muss man ja auch ans Alter denken.“ Schlechte Nachricht also für seine Kunden: Es wird keinen Nachfolger für Borgardts Salon geben. „Ich empfehle aber natürlich tolle Kollegen weiter, nur müssen die Kunden selbst ausprobieren und gucken, wo sie sich wohlfühlen.“

80 Prozent Stammkundschaft

Am Donnerstag, 30. Dezember, schwingt Rüdiger Borgardt zum letzten Mal in seinem Geschäft die Schere – auch mit einem weinenden Auge. „Mir wird vor allem der Kontakt zu meinen Kunden fehlen, mit ihnen über Gott, die Welt und Sport zu reden und auch mal doofes Zeug zu quatschen.“ Etwa achtzig Prozent seiner Kunden seien Stammkunden, schätzt er.

Am 30. Dezember ist sein letzter Arbeitstag: Friseurmeister Rüdiger Borgardt hört auf.
Am 30. Dezember ist sein letzter Arbeitstag: Friseurmeister Rüdiger Borgardt hört auf. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Sein „anderes Auge“ freue sich auch aufs Rentnerdasein – endlich so richtig viel Zeit für Sachen zu haben, die ihm sonst so Spaß machen: „Dann fliege ich nach Ibiza in den Urlaub und wenn zu Hause schönes Wetter ist, werde ich Fahrradtouren unternehmen.“

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Wenn sein Laden demnächst geschlossen ist, wird er jedoch zunächst seinen Umzug organisieren: „Ich bleibe aber in der Hattinger Altstadt – weil es hier am schönsten ist.“