Hattingen. Eine Tierschützerin nimmt die kranken Pferde Shorty und Beltoni aus Hattingen auf, die das Veterinäramt beschlagnahmte. Wie es ihnen heute geht.
Shorty und Beltoni, die beiden kranken Pferde aus Hattingen, die das Kreisveterinäramt im Sommer 2021 beschlagnahmt hatte, haben nun endlich ein neues Zuhause gefunden – auf dem Gnadenhof Hervel in Herscheid.
Sechs Pferde waren es damals, die das Amt aus einem Pensionsstall holte. Der Stallbetreiber fütterte und mistete – für Bewegung und medizinische Versorgung aber hätte das Halterehepaar sorgen müssen. So meldete sich der Stallbetreiber beim Amt.
Pferde Shorty und Beltoni aus Hattingen finden ein neues Zuhause
Dem waren die Tiere bekannt, immer wieder hatte es mit den Besitzern kleinere Probleme gegeben. Im Sommer 2021 aber eskalierte die Situation: Nach nur wenigen Schritten machten die Pferde schlapp. Zu lange hatten sie sich nicht außerhalb der Boxen bewegt. Zudem stellten die Mitarbeiter des Amtes unbehandelte Krankheiten fest. So sprach das Kreisveterinäramt den Haltern ein Tierhaltungs- und -betreuungsverbot ausgesprochen werden.
Pflegestellen gesucht
Im Jahr 2021 hat das Veterinäramt des Ennepe-Ruhr-Kreises 151 Tierschutzfälle bearbeitet, 83 Tiere haben die Tierärzte fortgenommen. In dem Jahr entstanden für die Unterbringung der Tiere Kosten von 44.000 Euro. Davon konnten 11.000 Euro bereits von den Verursachern zurückgezahlt werden. Eine komplette Deckung der Kosten sei, so der Kreis, aber in den meisten Jahren unrealistisch, da persönliche Insolvenzen auch häufig der Grund für den schlechten Zustand der Tiere seien.
Der Kreis freut sich, wenn sich Privatleute als Pflegestellen bewerben. Sie werden für die Unterbringung je nach Aufwand vergütet. In der Regel werden die Rechnungen mit dem entsprechenden Aufwand eingereicht und nach Prüfung erstattet.
Der damals 22-jährige Westfalenwallach Shorty und die 13-jährige Westfalenstute Beltoni kamen mit den anderen vier Pferden zunächst in einem Reitbetrieb im Umkreis unter. „Zwei der Pferde eignen sich gut für den Freizeitpferdesport, die Stallbetreiberin kaufte sie mit einem älteren Gnadenbrotpferd. Das vierte Pferd übernahm ein Ehepaar privat“, berichtet Kreissprecherin Lisa Radtke.
Vermittlung der beiden Tiere gestaltete sich schwierig
Für Shorty und Beltoni aber gestaltete sich die Vermittlung schwieriger – nicht nur wegen des schlechten Zustands, sondern weil beide vorerkrankt und damit pflege- und kostenintensiv sind.
Ute Rittinghaus, Betreiberin des Gnadenhofes Hervel, war es dann, die vom Schicksal der Tiere erfuhr und sich meldete – um ein Pferd aufzunehmen. Die Wahl fiel auf Beltoni. „Die Stute ist auf einem Auge blind, das andere war entzündet. Sie bekam Schmerzmittel wegen Problemen an Hufen und Zähnen, konnte kaum laufen oder essen. Von allen Tieren in der Pflegestelle brauchte sie die dauerhafte Bleibe am dringendsten“, begründet Rittinghaus ihre Entscheidung.
Shorty ging Tierschützerin nicht aus dem Kopf
Die ihr viel Arbeit bescherte: Wochenlang pflegte sie die zerfressenen Hufe und die von Kratern zerfurchten Beine der Pferdedame, der Tierarzt kam täglich. Zähne und Entzündungen galt es zu behandeln.
Aber Shorty ging ihr nicht aus dem Kopf: „Er wirkte so traurig, als ich ihn beim Termin in der Pflegestelle wieder in seine Box zurückgestellt habe.“ Und dann rief auch noch eine Angestellte an und fragte, ob sie Shorty nicht auch noch aufnehmen könne. „Da konnte ich gar nicht anders als mich mit dem Anhänger ein weiteres Mal auf den Weg zu machen“, berichtet Rittinghaus.
Beide Pferde stehen vereint im Offenstall
Nun sind Shorty und Beltoni wieder vereint, stehen in einem so genannten Offenstall – und bekommen menschliche Zuwendung nicht nur von Rittinghaus. Denn als Anbieterin von therapeutischem Reiten beschert die Tierschützerin den Tieren regelmäßig Besuch von Menschen mit Einschränkungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Zwar kann sich niemand auf den Rücken von Shorty und Beltoni schwingen, aber gerne lassen sie sich streicheln und striegeln.
„Vom Kontakt profitieren Mensch und Pferde“, sagt Rittinghaus, die sich seit ihrem siebten Lebensjahr um Tierschutztiere kümmert, inzwischen den sicheren Bürojob als Industriekauffrau aufgegeben und 2010 den Gnadenhof übernommen hat. Und so profitieren Shorty und Beltoni vom Motto des Hofes: „Was der Hof leisten kann, leistet er auch.“
Vier weitere Pferde sind derzeit auf Pflegestellen
Derzeit sind vier weitere Pferde auf Veranlassung des Veterinäramtes auf Pflegestellen. Allerdings seien sie wegen laufender Verfahren noch nicht zur Vermittlung freigegeben. Das Veterinäramt greift oft auf feste Pflegestellen zurück. Dort befinden sich meistens Hunde, Katzen und kleine Vögel.
Für Schafe und Ziegen arbeitet der Kreis mit einer Schäferei zusammen, die die Tiere schonend einfängt und in der Regel selbst übernimmt. Auch mit der Pflegestation für Eulen, Greifvögel und Wasservögel Paasmühle kooperiert der Kreis, bei Reptilien mit Martin Maschka, der zuletzt eine Python nahm, und der Auffangstation in Rheinberg, zu der ein Varan ging.
Amtstierärztin übernimmt selbst drei Katzen
Das Tierheim Witten nimmt die meisten Kleintiere auf. „Wir haben aber einen grundsätzlichen Mangel an Pflegestellen und mussten kürzlich bereits auf das Tierheim Dortmund ausweichen. Auch Mitarbeiter vom Veterinäramt haben in ganz großer Not schon Tiere bei sich selbst untergebracht. Amtstierärztin Dr. Bettina Buck hat beispielsweise drei Katzen übernommen“, sagt Lisa Radtke.