Hattingen. Geologie, Bergbau, Luftschutz im Zweiten Weltkrieg: Der Stollen Freundschaft ist einer der schönsten und aussagekräftigsten. Wir erklären, warum.
Geologische Besonderheiten, Bergbau, Luftschutz: Der Stollen Freundschaft in Hattingen ist „einzigartig“, schwärmt Peter Otte vom Förderverein Bergbauhistorischer Stätten Ruhrrevier. Denkmalpfleger Jürgen Uphues sagt: „Das ist einer der schönsten und aussagekräftigsten Stollen“.
Der Stollen ist ein Relikt des Bergbaus vor Einführung des Tiefbaus. Er ist geologisch interessant, finden sich doch an allen Stößen spannende Fossilien. Außerdem ist er ein ausgezeichnetes Beispiel für einen Luftschutzstollen im Zweiten Weltkrieg. Im Stollen wechseln sich Belege für die drei Bereiche ab und machen die Befahrung – die natürlich zu Fuß passiert angesichts einer Höhe von manchmal nur 1,50 Metern – zu einem ungewöhnlich spannenden, lehrreichen Erlebnis.
Hattingens Stollen „Freundschaft“ aussagekräftig für Bergbau, Luftschutz, Geologie
Dabei liegt das Mundloch unscheinbar an der Kohlenstraße gegenüber Haus Nummer 376 gleich am Warnschild „Gefährliche Einmündung“. Auf dem Berg wachsen Brombeeren und Brennnesseln.
Das Tor aber halten die Aktiven des Fördervereins frei. „1857“ steht auf dem Kopfstein auf Augenhöhe. Da wurde der Stollen mit anderen zur Zeche Victoria zusammengefasst. Gleich darunter steht auf dem eisernen Tor, das den Stollen verschließt, „1925“. Da endete der Bergbau hier. Nicht aber die Geschichte des Stollens, bei dessen Erhalt der Förderverein bergbauhistorischer Stätten Ruhrrevier ständig aktiv ist.
Begrenzungsstein lagert im Stollen
Wenige Meter hinter dem ersten sichert ein zweites Tor, wie das erste von oben nach unten abklappbar, den Eingang. Vorbei geht’s am Lochstein, einem Begrenzungsstein, mit der Aufschrift „Freundschaft 1852“, den der Förderverein hier aufhebt.
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Nach wenigen Metern schon zeigt sich, was dem Zweiten Weltkrieg geschuldet ist: Zwei versetzt in den Stollen gebaute Beton-Zungen, die vor einer etwaigen Druckwelle durch Bomben vor Splittern schützen sollten – so wie kurz darauf eine gemauerte Wand und ein mit roten Ziegeln gemauerter Zwei-Meter-Kubus.
Aufrechtes Stehen ist nur an wenigen Stellen möglich
Hier erst wieder, nach etwa 15 Metern, können Besucher aufrecht stehen. „Das Trockengewölbe des Stollens ist nicht gemauert, sondern Stein auf Stein gebaut. Eine sehr hervorragende Qualität“, sagt Otte. Anders als die gemauerten Schutzvorkehrungen aus dem Zweiten Weltkrieg: Mörtel quillt hervor, krumm und schief ist gemauert. Schnell – aber wirksam, galt als Motto in Kriegszeiten.
RAG vermisst den Stollen
Die RAG hat jetzt den Stollen mit modernster Technik vermessen.
„Wir vermessen den Stollen für ein Forschungsprojekt mit mobilen Laserscannern. Der Vorteil ist, dass wir in 15 Minuten ein komplettes 3-D-Modell vom Stollen haben. Das ist wichtig, wenn sich beispielsweise irgendwo ein Stollen öffnet, zum Beispiel ein Tagesbruch, der gesichert und dann verschlossen werden muss“, erklärt Andreas Schlienkamp von der RAG.
Im Stollen sind Vermessungsmarken zu erkennen. „Die haben Mitglieder der Fachhochschule Georg Agricola angebracht, die den Stollen seinerzeit photogrammetrisch vermessen haben“, erklärt Denkmalpfleger Jürgen Uphues.
Auf dem Kubus lagern Fundstücke: ein verrosteter Frosch (eine Art Lampe), Fossilien. Acht bis neun Grad kühl ist es hier kontinuierlich. Wasser tropft von der Firste.
Heilige Barbara wacht über die Aktiven des Vereins
An die Rückseite des Kubus, gleich gegenüber dem Eingang zur Luftschutz-Schleuse, haben die Vereinsmitglieder ein Bild der Heiligen Barbara aufgehängt, der Schutzheiligen der Bergleute. „Damit wir hier bei unseren Arbeiten auch wieder sicher herauskommen“, sagt Otte. „Die Tür-Dichtungen gegen Gasangriffe sind wohl nie gekommen“, erklärt Uphues eine Erkenntnis.
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Jedenfalls ist darüber eine „Dreckbank“ erkennbar – es handelt sich um ein Flöz mit Bergeeinschlüssen. „Der Abbau hat sich nicht gelohnt“, sagt Otte. Wer vor der Schleuse an die drei Meter hohe Decke blickt, erkennt „noch die Schlegelspuren. Das ist hier alles von Hand gemacht worden“, betont Otte.
Die Gesteinsschichten stehen kopf
Schmal ist der Stollen, kaum vorstellbar, dass hier einst Bänke standen für die Sicherheit Suchenden. Wie viele hier Schutz fanden, ist unklar. Auffällig ist: Die Gesteinsschichten stehen Kopf. „Durch Gebirgsfaltung“, erklärt Otte. Schachtelhalme sind an den Stößen versteinert, riesige Farne, Schuppenbäume. An einer Stelle zeigt sich gar ein ganzer Baumstumpf. An einer anderen ragt ein zerstörter Holzbalken als Bergbaurelikt in der Nähe eines abgebrochenen rostigen Hammers aus dem Boden.
Immer wieder glitzert es an der Firste: Salzablagerungen bedingen das. Ansonsten ist das Gestein oft rostig-braun, ein Zeichen, dass hier viel Eisen im Spiel ist. Gelegentlich ist es schwarz glänzend. Doch das ist nicht etwa Kohle, sondern Mischgestein, stellt Otte klar, eine geologische Störung, gefährlich, weil bröckelig.
Verrostete Bleche zeugen vom Krieg
Die verrosteten Bleche in unmittelbarer Nähe, die an den Stößen, also den Wänden liegen, zeugen dagegen vom Krieg: Sie waren über den Schutz suchenden Zivilisten angebracht, um zu verhindern, dass fallende Bergebrocken sie trafen. Die Holztürreste einige Schritte später diente zu Bergbauzeiten zur Regulierung der Bewetterung.
Plötzlich öffnet sich links eine Nische. „Das ist hier die einzige Stelle, wo gebohrt und gesprengt wurde. Man sieht noch die Bohrlochpfeifen der ehemaligen Sprengladungen“, sagt Uphues. Die Toiletten waren hier wohl zu Luftschutzstollen-Zeiten. Heute liegen hier geraubte Stromleitungsreste.
Es regnet rein
Der Boden ist matschig, es regnet nicht selten rein. „Aufgeräumt“ haben die Ehrenamtlichen den Stollen bis zum Lichtloch, das der Wetterführung diente. 120 Meter sind es bis hierher – das ist nur ein kleiner Teil der ehemaligen Gesamtlänge.
Ab hier geht es schräg nach oben zum Notausgang des Ex-Luftschutzstollens in einen Steinbruch hinein. Bergematerial versperrt den Weg. Der Stollen ist eine Daueraufgabe. Denn: „Wir wissen nicht, wie er sich entwickelt“, sagt Otte. Darum bleibt der Traum von einer Öffnung mit regelmäßigen Führungen auch „Wunschdenken“.