Hattingen. 17. Jahrhundert: Durch den Widerstand der Wennischen bleibt ihre Kirche katholisch. Und Don Gonzales peitscht das Volk durch Hattingens Gassen.

Wir befinden uns im 17. Jahrhundert nach Christus. Ganz Hattingen ist von der Reformationsbewegung erfasst… Ganz Hattingen? Nein! Denn die von unbeugsamen Bürgerinnen und Bürgern bevölkerten Dörfer Blankenstein und Niederwenigern halten weiterhin an ihren katholischen Gemeinden fest!

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Es sind die Jahre, in denen die religiöse Struktur Hattingens für die nächsten Jahrhunderte festgezurrt wird. Die Abhängigkeit vom Kloster Deutz wird kleiner, der Einfluss von Martin Luther und seinen Gefährten immer größer.

Katholiken und Protestanten geraten anein­ander

Der Dom des 17. Jahrhunderts: So hat die alte katholische Kirche in Niederwenigern früher ausgesehen.        
Der Dom des 17. Jahrhunderts: So hat die alte katholische Kirche in Niederwenigern früher ausgesehen.         © Stadtarchiv | MB, Repro

Im Jahr 1654 geraten Katholiken und Protestanten anein­ander. Auf Befehl des protestantischen Landesherrn soll die evangelisch-lutherische Gemeinde ihre Gottesdienste künftig in der katholischen Kirche in Niederwenigern abhalten. Drost Johann Georg und Gefolge sind rabiat, schlagen die Schlösser ab und nehmen elf Gefangene, die „in das Diebsloch des Thurms zu Blanckenstein geworffen“ werden.

Der Drost selbst sagt, dass die Katholiken opponiert hätten, dass sie die Waffen ergriffen hätten, dass er lediglich Wacht gehalten hätte.

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Wie dem auch sei: Der Widerstand der Wennischen wird belohnt und die Kirche bleibt katholisch. Die Lutheraner indes bauen auf dem Grundstück der St. Justina-Vikarie („Zum Pott“) eine kleine Kirche mit Pfarrhaus und Schule.

Gefangen in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges

Das Leben in Hattingen wird schlechter, die Stadt ist gefangen in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges. Die Bürger leiden an Hunger und der Besatzung, und nach den Kämpfen und Bruderkriegen der vorangegangenen Jahrhunderte setzt sich das nächste Unheil fest. Ganz Europa ist in der Stadt zu Gast: Spanier, Holländer, Italiener, Schweden und Franzosen.

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Und egal wer es gerade ist, die Versorgung der Soldaten ist für die Bürger eine enorme Belastung. „Seit die Spanier mit Don Gonzales de Cordova eingezogen sind, ist die Stadt verdorben“, schreibt beispielsweise Pfarrer Mercker von St. Georg im Jahr 1622. „Sie haben etliche Hurenhäuser eingerichtet. Und am Karfreitag haben sie die Menschen durch die Gassen gepeitscht – als Bildnis des Leidens Christi.“

Schweden werden vertrieben

Dann landet der alte Schwede Gustav Adolf II. an der pommerschen Küste an. Mit seinen Truppen dringt er bis nach Westfalen vor.

Geschundene Bürger: Aus aller Herren Länder sind die Besatzer gekommen und haben den Hattingern zugesetzt
Geschundene Bürger: Aus aller Herren Länder sind die Besatzer gekommen und haben den Hattingern zugesetzt © Stadtarchiv | MB, Repro

Doch Hattingen wehrt sich: Mit Waffengewalt vertreiben die Bürger die Männer des Obersts Wendt zum Crassenstein. Sie drängen darauf, dass die Stadt zum neutralen Gebiet erklärt wird – der schwedische Staatskanzler Axel Oxenstirn willigt am 11. Dezember 1633 ein. Aber die Belagerungen Hattingens gehen weiter.

Das Heggertor wird angezündet, die Stadtmauer auf etwa acht Fuß abgesenkt. Es gibt Löcher, durch die man ungehindert herein- oder herauskommt. Die offene und wehrlose Stadt wird durch weitere Abgaben bis aufs Letzte ausgepresst. 1640 übernimmt Kurfürst Friedrich Wilhelm als Landesherr die Macht.

Die Ruhrbrücke wird 1661 wiederaufgebaut

Erst Mitte des 17. Jahrhunderts beginnen die Zeiten des Friedens. Die Ruhrbrücke wird wiederaufgebaut (1661), die Stadtmauer und ihre fünf Tore werden nicht nur erneuert, sondern auch so ergänzt, dass in Hattingen ein eigener Steuerbezirk entstehen kann. Verbrauchssteuern werden ab sofort direkt an den Toren kassiert – der Adel bleibt steuerfrei.

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Und am 25. Oktober 1666 bestätigt der Statthalter des Kurfürsten, Moritz von Nassau (genannt „Der Brasilianer“), der Stadt Hattingen wie auch der Freiheit Blankenstein wieder alle „privilegia, freyheiten, rechten und gnaden“.

Das Leben beruhigt sich – auch im Dom zu Niederwenigern gibt es wieder Friede und Freundlichkeit.

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>>> Stadtrat und Pfarrer stoppen Saufgelage und Spielsucht

Der Ausgelassenheit sind offenbar keine Grenzen gesetzt: Feucht-fröhlich frönen die Hattingerinnen und Hattinger zu Beginn des 17. Jahrhunderts dem Glücksspiel und Gesöff. Das gefällt nicht jedem.

Ausgelebte Spiel-Leidenschaft: Sogar in der St.-Georgs-Kirche haben die Hattinger gezockt.        
Ausgelebte Spiel-Leidenschaft: Sogar in der St.-Georgs-Kirche haben die Hattinger gezockt.         © Stadtarchiv | MB, Repro

Sind es die spanischen Besatzer, die Sitte und Moral beschmutzen oder ist es der durchaus vorhandene Wohlstand? Während der Predigt am Sonntag wird vor der St.-Georgs-Kirche Branntwein ausgeschenkt, die Händler öffnen ihre Verkaufsschläge, der Kirchplatz wird zum Rummelplatz. Drinnen zocken die einen mit Karten, draußen wird die Müllhalde durch Genuss und Geselligkeit immer größer. Pfarrer Mercker ist voller Zorn.

Und auch dem Stadtrat sind „Unrath, Mist, etc.“ ein Dorn im Auge. Die verrohten Bürger – Männer, aber auch Frauen – werden zur Ordnung gerufen. Als auch dies nur wenig Wirkung zeigt, wird hart durchgegriffen und am 19. Juni 1616 das Kartenspiel verboten.

Und am 3. November ordnen die Stadtväter an, dass „sich jederman des Brandtweins drinchens untern Predigten am Sontage und ander Geläge enthaltte am Sontage...“.

Chronist Mercker berichtet

Chronist Mercker berichtet zudem, wie der Kirchplatz wieder zum Kleinod werden soll:

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„Am 23. Sonntag nach Trinitatis hat der ehrbare Rat seinen Bürgern und Einwohnern ernstlich verbieten lassen, daß keiner mit Unrat, Mist et cetera den Kirchhof verunreinige, item daß keiner an den Sonntagen Brawe und Kessel aufsetze, daß die Krämer am Sonntag die Laden nicht öffnen und ihre Waren aussetzen.“

Wer trotzdem zockt, säuft und alles vermüllt, den erwarten „ernstliche Poen“ – harte Strafen!

Historie – Hattingen im Laufe der Jahre, 1600-1699

28.2.1604. Tumulte bei der Wahl von Arnold Kielmann zum Bürgermeister.

6.8.1607. Die Burgkapelle in Blankenstein bekommt das Tauf- und Begräbnisrecht. Sie wird damit zu einer unabhängigen Pfarrei.

Das „Sigillum Blanckensteinense“ aus dem Jahr 1669.
Das „Sigillum Blanckensteinense“ aus dem Jahr 1669. © Stadtarchiv | MB, Repro

20.1.1610. Kaiser Matthias erhebt die aus Hattingen stammenden Brüder Arnold, Georg und Heinrich Kielmann für ihre Verdienste in den Freiherrenstand.

1613. An der Hattinger Hinrichtungsstätte im Hagenbuck werden drei Verurteilte geköpft und zwei weitere aufs Rad geflochten.

23.12.1614. Gattenmord auf „Haus Sünsbruch“: Gerrit Anrodt zum Sünsbroich wird auf Anstiftung seiner Frau Anna von Bodelschwingh und seines Hausdieners Tiggeßen von spanischen Soldaten „jämmerlich erschossen“.

28.3.1615. Anna von Bodelschwingh wird enthauptet.

1615. Ein Dürresommer: Wasser wird mit Karren und Fässern aus der Ruhr in die Stadt geholt.

August 1619. Die Bürgermeister Georg Pfannkuch und Heinrich Pelser sterben an der Pest.

1620. Die Pest lässt endlich nach – 348 Hattingerinnen und Hattinger sind durch die Pandemie gestorben.

16.3.1625. Bei Hochwasser stürzen drei Bögen der Ruhrbrücke ein, bis zum 3. Juli wird eine hölzerne Behelfsbrücke gebaut.

1.10.1628. Drost Johann Wilhelm von Lützenrod lässt die St.-Georgs-Kirche gewaltsam öffnen und eine katholische Vesper lesen. Zudem befiehlt er Pfarrer Mercker, das Pfarrhaus zu räumen und die Schlüssel abzuliefern.

Oktober 1629. Wilhelm der Arzt – ein Rauf- und Trunkenbold – verprügelt die Hattinger Bürgermeister. Er wird ins „Narrenhäußlein“ an der Kleinen Weilstraße eingesperrt – nach der Ausnüchterung muss er binnen 14 Tagen mit seiner Familie die Stadt verlassen.

1631-33. Die Pest ist wieder da.

21.11.1634. Schiffsunglück auf der Ruhr am Mühlenwinkel: 25 Frauen und Männer ertrinken.

1645. Haus Weile wird gebaut.

7.12.1652. Apotheker Johann Melchior Schumacher erhält das Privileg, allein für den Vertrieb von Apothekerwaren in der Stadt Hattingen zuständig zu sein.

1658. Der bauliche Zustand der Burg Blankenstein ist so schlecht, dass sie „nicht mit tausenden repariert werden kann“.

15.5.1665. Bei einem Großbrand in Blankenstein brennen neben Privathäusern auch das Rathaus und die Burgkapelle ab.

21.6.1675. Der Stadtrat verbietet das Fluchen und Schwören.

1686. In Hattingen grassiert das Flecken-Fieber.

(Quelle: „Hattingen Chronik“ von Thomas Weiß / Klartext-Verlag)