Hattingen. Unten Rindviecher, oben Ratsherren: Die Fleischhalle wird im 15. Jahrhundert schnell zur neuen Mitte in Hattingen. Sehen – und gesehen werden.

Fleisch ist für die Hattingerinnen und Hattinger des 15. Jahrhunderts (über)lebenswichtig – und so ist es dringend notwendig, dass auch in der frisch gegründeten Stadt eine Fleischhalle gebaut wird. Sie entsteht zwischen Untermarkt und Kirchplatz, es wird frisch verkauft. Oben tagen derweil die Ratsherren.

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Die Grafen von der Mark bauen, doch schon im Jahr 1412 gründen der Bürgermeister und sein Stadtrat eine Fleischhauergilde und organisieren fortan den Fleischverkauf. Gegen eine Rentenzahlung von neun Schilling im Jahr überlässt ihnen Graf Adolf am 21. April 1420 schließlich die Rechte an der Halle.

Hattingen wird zum wichtigsten Handelszentrum

Hattingen wird zum wichtigesten Handelszentrum in der Gegend. Aus der Verkaufshalle wird schnell ein Versammlungsort, es treffen sich die wichtigen und weniger wichtigen Stadtpersönlichkeiten – sehen und gesehen werden.

Mittelalterliches Markttreiben: Hattingen wird im Jahrhundert nach seiner Stadtwerdung zu einem der wichtigesten Handelszentren in der Gegend der Grafschaft Mark.
Mittelalterliches Markttreiben: Hattingen wird im Jahrhundert nach seiner Stadtwerdung zu einem der wichtigesten Handelszentren in der Gegend der Grafschaft Mark. © Stadtarchiv | Walter Fischer, Repro

Das gesellschaftliche Leben floriert, als die Stadt in einem Bruderkrieg zur Zielscheibe wird. Graf Gerhard will die Macht in der Grafschaft Mark an sich reißen, der Erzbischof von Köln unterstützt ihn in seinem Kampf gegen seinen Bruder Adolf. Gerhard schickt zum „Fest der 11.000 Jungfrauen“ am 21. Oktober 1424 sein Militär nach Hattingen – und die Stadt wird bis auf zwei Häuser niedergebrannt.

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Doch die Stadtoberen, die Kaufleute und vor allem die Bürger sind hart im Nehmen, sie lassen sich nicht unterkriegen. Sie bauen „unser liever stat van Hatnegge“ wieder auf, und schon bald führt der Handel die Hattinger wieder auf die Märkte in ganz Europa.

Der Marktort Hattingen wird indes erst 1435 landesrechtlich privilegiert. Und es gibt klare Regeln: Schlägereien, die den Marktfrieden stören, werden mit großen Geldstrafen belegt, sollte einer dem anderen dabei eine „Blutwunde“ oder Knochenbrüche zufügen, kostet es ihn die Hand. Tötung oder Mord wird mit dem Tod abgegolten.

Was bei Befestigungsvertrag Hattingens fehlt: ein eigenes Siegel

Das erste Stadtsiegel aus dem Jahr 1479.
Das erste Stadtsiegel aus dem Jahr 1479. © Stadtarchiv

Was im Zuge der Stadtwerdung fehlt, ist ein eigenes Siegel (beim Befestigungsvertrag von 1396 helfen die Drosten von Blankenstein und Lüdenscheid aus). Schon im darauffolgenden Jahr soll Graf Dietrich von der Mark Hattingen ein Siegel mit dem Drachentöter St. Georg verliehen haben, doch die dazugehörige Urkunde gilt als Fälschung. Und so ist das „Sigillum Opidi Hattnegge“ aus dem Jahr 1479 das äl­teste Siegel der Stadt Hattingen.

Der Heilige Georg gilt als Retter der jungfräulichen Königstochter, die er vor einer Bestie beschützt: Der Legende nach verletzt er den Drachen, sodass sie ihn zahm in die Stadt führen kann. Erst als er den König und das Volk dazu bewegen kann, dass sie sich taufen lassen, erschlägt er den Drachen.

Heiliger Georg schützt die Stadt vor Not und Gefahr

Auch die Kirche im Herzen der Stadt wird nach dem Heiligen benannt, ebenso die bereits im Jahr 1403 gegründete St.-Georgs- und Sebastians-Schützenbruderschaft.

Der Heilige Georg soll für Hattingen reiten und „die Stadt vor Not und Gefahr beschützen“.

Ein wichtiger Schritt in der Geschichte ist das Koer- und Wilkoer-Privileg, verliehen durch Herzog Johann vom 24. Mai 1486 – die beiden Bürgermeister und der Rat regieren fortan die Stadt:

„Auch haben wir unserer Stadt das Recht verliehen, dass deren Bürgermeister und Rat mit Hilfe unseres Amtsmannes von nun an mit unserer Erlaubnis redliche Verordnungen und Statuten erlassen dürfen, um unserer dortigen Bürger zu regieren.“

Der Prozess der Stadtwerdung Hattingens ist somit abgeschlossen.

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>>> Durch Unwetter wird die Kemnade über die Stadtgrenze gespült

Ein Unwetter nach dem anderen rauscht im Jahr 1486 über die Stadt. Wassermassen kommen vom Himmel, es gibt Überflutungen, die Menschen wissen nicht, wie sie die Natur-Katastrophe bewältigen sollen. Die Ruhr macht es sich einfach(er): Der Fluss sucht sich ein neues Bett und sorgt dafür, dass die Burg Kemnade auf Hattinger Gebiet steht.

Haus Kemnade, etwa Anfang des 20. Jahrhunderts.
Haus Kemnade, etwa Anfang des 20. Jahrhunderts. © SB

Die Familie von Dücker hat das Gebäude am Ruhrufer Ende des 13. Jahrhunderts aufgebaut – nördlich des Flusses, auf der Stiepeler Seite. Durch das viele Wasser in den Auen bahnt er sich aber fortan seinen Lauf so, dass die Kemnade südlich liegt und damit auf dem Blankensteiner Hoheitsgebiet.

Haus Kemnade gilt als Haus der Kamine – denn der Name Kemnade leitet sich vom mittelhochdeutschen Wort „Kemenate“, das so viel wie „Gemach mit Kamin“ bedeutet. Etwa 500 Morgen umfasst das Rittergut „mit warmer Hütte“.

Haus Kemnade ist weder Wasserburg noch Wasserschloss

Haus Kemnade ist aber weder Wasserburg noch Wasserschloss: Vielmehr dient es lange als langweiliger Verwaltungssitz. Und die Mythen, die sich über die Jahrhunderten um die Gewölbe aufgebaut haben, sind auch längst entkräftet: Nein, Haus Kemnade war keine militärische Anlage und wurde nicht mit Kanonenkugeln beschossen. Nein, es gibt keinen unterirdischen Gang bis zur Burg Blankenstein (zumindest keinen, der bislang entdeckt wurde). Und nein, es gibt auch keine Folterkammern.

Sein heutiges Gesicht bekommt es im Laufe der Jahrhunderte, in denen sich etliche Bauherren an dem lippischen Lehnen verewigen. Haus Kemnade ist ein Durchgangshaus, wer möchte, kann von Zimmer zu Zimmer im Kreis laufen.

Und auch wenn die Kemnade auf Hattinger Stadtgebiet steht, gehört sie heute noch immer der Stadt Bochum. Gastronom Heinz Bruns hat sie gepachtet.

Historie – Hattingen im Laufe der Jahre, 1400-1499

Um 1400. Die Rechte des Grafen von der Mark an der Winzer, Holthauser und Elfringhauser Mark werden festgehalten.

1400. In Hattingen gibt es eine einklassige Stadtschule.

1.5.1406. Graf Adolf von der Mark verleiht das Recht des Weinzapfens.

29.4.1407. Die Stadt darf ab sofort Wegegeld kassieren.

1411. Graf Adolf schenkt dem Orden der Dominikaner ein Haus: Das „Haus der grauen Mönche“ steht am Hallenplatz (Haldenplatz).

4.8.1417. Albertus Varentrappe aus Elfringhausen wird für seine Verdienste von Kaiser Sigismund mit einem Wappen ausgezeichnet.

1435. Neben dem nun erlaubten Wochenmarkt gibt es vier Jahrmärkte: am St.-Gregorius-Tag (13. März), am Sonntag vor dem St.-Kreuzes-Tag (3. Mai), am Egidius-Tag (1. September) sowie am Sonntag vor dem St.-Martins-Tag (11. November).

19.4.1444. Johann von Kleve bestätigt der Stadt Hattingen alle erlangten Privilegien.

Um 1450. Der Wiederaufbau der St.-Georgs-Kirche nach dem großen Brand von 1424 ist abgeschlossen.

1468-1473. Die St.-Georgs-Kirche bekommt zwei neue Glocken.

16.8.1470. Herzog Johann verleiht der Stadt Hattingen das Recht der Zollfreiheit.

24.9.1470. Herzog Johann befreit Hattingen von einer „allgemeinen Schatzung“ (Steuer).

1474. An der Emschestraße wird das Heilig-Geist-Hospital (Gasthaus sowie Armen- und Waisenhaus) gestiftet.

2.3.1475. Erste Erwähnung eines städtischen Boten.

27.10.1478. Hattingen erhält das Recht der Stadtwaage und des Bierbrauens, zudem darf auf dem Markt jetzt ein Standgeld kassiert werden.

Oktober 1478. Weil das Wetter so schlecht ist, können die Bauern ihre Ernte nicht einholen – die beiden Herbst-Jahrmärkte werden deshalb verlegt.

1486. Dem Landesherren wird eine einmalige Schatzung Hattingens gestattet. Das so genannte Schatzbuch der Grafschaft Mark bietet einen umfassenden Überblick der bedeutendsten Höfe im Hattinger Land.

5.3.1489. Die Eheleute Evert und Ide Klater verkaufen das Gut Schulenburg an die Stadt.

1492. Eine Dürre führt zu Hungersnot und Teuerung.

8.12.1498. Die ansässigen Juden müssen die Stadt verlassen, auf Geheiß des Herzogs dürfen sich auch keine mehr innerhalb Hattingens ansiedeln.

(Quelle: „Hattingen Chronik“ von Thomas Weiß / Klartext-Verlag)